Nachdem Wissensmanagement in Kapitel zwei eher aus einer Überblicksperspektive betrachtet wurde, soll im vorliegenden Kapitel ein konkreter Ansatz vorgestellt werden. Es handelt sich dabei um den Ansatz von Probst, Raub und Romhardt. Dieser Ansatz ist in der Literatur recht verbreitet, und bietet sich somit schon als Anknüpfungspunkt an. Sein Vorteil liegt darin daß der Prozeß des Wissensmanagement in überschaubare Komponenten zerlegt wird. Ziel ist es, im Anschluß einen bestimmten Teilbereich des WM-Prozesses genauer zu beleuchten, welcher in Kapitel vier eine tragende Rolle innehat.
An dieser Stelle ist es höchst interessant einige Überlegungen, von Hilse über die Gegenüberstellung von Probsts vergangenen Veröffentlichungen mit seinen aktuelleren über Wissensmanagement, anzubringen:[44]
„Während Wissen in den Schaffensperioden zur Selbstorganisation und Lernenden Organisation noch eindeutig als sozio-kognitiver Prozeß konzipiert ist, wird man beim Wissensmanagement dazu eingeladen, Wissen als Ressource, das heißt als greifbaren, vergegenständlichten Produktionsfaktor zu betrachten.“[45]
Hilse bemängelt das Zerlegen des Wissensmanagement in „Bausteine“ und die Rückkehr zu einem managerial geprägten Sprachgebrauch und simplifizierenden Konzepten. Er wirft Probst und seinen Mitautoren vor, die neuen Entwicklungen der Theorie sozialer Systeme und der systemischen Beratung unverständlicherweise außen vor zu lassen.[46] Der Übergang Probsts und seiner Mitautoren vom Organisationalem Lernen hin zum Wissensmanagement wird von den Betroffenen selbst damit begründet, daß „letzteres ziel- und gestaltungsorientierter sei und einer Entwicklung vom Abstraktem zum Konkretem gleichkomme (Interventions- statt Beschreibungsabsicht).“[47] Nach diesen kritischen Betrachtungen, soll im nächsten Unterkapitel der Ansatz von Probst, Raub und Romhardt vorgestellt werden.
Probst, Raub und Romhardt sehen Wissensmanagement als ein Interventionskonzept zur Gestaltung der organisationalen Wissensbasis. Den Managern geht es dabei um die zielorientierte „Nutzung und Entwicklung von Wissen und Fähigkeiten, welche für den Organisationszweck als notwendig angesehen werden.“[48] Mit dem Konzept der Wissensbausteine stellen Probst, Raub und Romhardt einen integrierten Bezugsrahmen des Wissensmanagements vor, in welchem die Kernprozesse und Hauptproblemfelder herausgearbeitet sind. Letzeres ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit der Autoren mit Führungskräften aus zahlreichen Unternehmen. Somit spiegeln diese Wissensbausteine die in der Praxis wahrgenommenen Aufgabenfelder wieder.[49]
Abb. 7: Bausteine des Wissensmanagements
Quelle: Probst, Raub, Romhardt (1997, 56)
Probst, Raub und Romhardt sind der Ansicht, daß ein pragmatisches WM-Konzept dabei helfen soll, die vorhandenen Unternehmensprobleme in Wissensprobleme zu übersetzen, diese zu verstehen und eine pragmatische Lösung dafür zu finden.[50] Obige Abb. greift die identifizierten Kernprozesse auf, wobei das Konzept zu einem Managementregelkreis ausgebaut wurde, durch das Hinzufügen der Bausteine Wissensziele und Wissensbewertung.[51] Die Kernprozesse Wissens-identifikation, -bewahrung, -nutzung, -(ver)teilung, -entwicklung und –erwerb stehen alle in mehr oder weniger enger Beziehung zueinander. Es ist laut Probst, Raub und Romhardt möglich, Interventionen in einem einzelnen Baustein zu unternehmen. Doch wirkt sich dies ebenfalls auch immer auch auf andere Bausteine aus, und diese Auswirkungen müssen ebenfalls berücksichtigt werden.[52] Im Folgenden sollen die Wissensbausteine noch kurz charakterisiert werden.[53]
Der Baustein der Wissensidentifikation beschäftigt sich mit der Fähigkeit des Unternehmens, den Überblick über sein internes und externes Wissensumfeld zu behalten. Es geht um die Analyse und Beschreibung dieses Wissensumfeldes, sowie um die Schaffung von Transparenz. Letztere wird jedoch nicht von allen betrieblichen Akteuren unterstützt:
„Wer seine interne Macht auf Wissensvorsprüngen aufgebaut hat (...), wird in den seltensten Fällen Interesse an einer breiten, einfachen Wissensidentifikation haben. Für ihn ist Intransparenz eine funktionale Strategie zur Erhaltung der eigenen Machtbasis. Von daher haben Maßnahmen, welche Wissenstransparenz schaffen, ihre natürlichen Feinde.“[54]
Diese Intransparenz in Bezug auf einzelne Personen wird genauer in Kapitel 3.5. erläutert. Die dem Wissen anhaftende Machtthematik wird ausführlich in Kapitel fünf untersucht.
Wissenserwerb deckt als Baustein das Erschließen von neuen externen Wissensquellen ab. Es geht um Wissen, das ein Unternehmen nicht von sich aus erbringen kann. Möglichkeiten dazu sind bspw. die Rekrutierung von Experten oder der Aufkauf von besonders innovativen Unternehmen.
Als Ergänzung zum Wissenserwerb ist die Wissensentwicklung zu sehen. Hierbei geht es um das interne Schöpfen von neuen Fähigkeiten, neuen Produkten, besserer Ideen und leistungsfähigerer Prozesse. Es gilt, neue Ideen nicht nur in den Abteilungen F&E oder Marktforschung zu suchen; auch reine Leistungserstellungsaktivitäten können unter Wissensaspekten betrachtet werden.
Der Baustein Wissens(ver)teilung behandelt die Verbreitung bereits vorhandenen Wissens innerhalb des Unternehmens. Dieser Baustein wird in einem eigenen Kapitel 3.3. näher untersucht.
Auf den ersten Blick unscheinbar aussehend, beinhaltet gerade der Baustein Wissensnutzung zahlreiche Barrieren. Wenn identifiziertes und verteiltes Wissen letztendlich nicht genutzt wird, so ist dies ein Rückschlag für die in Richtung WM unternommenen Anstrengungen.[55]
Der Erhalt von erworbenen Fähigkeiten und von Expertise steht im Mittelpunkt des Bausteins Wissensbewahrung. Es gilt einerseits, durch angemessene Speicherung und regelmäßige Aktualisierung, zu verhindern daß wichtiges Wissen verloren geht. Andererseits sind Selektionsprozesse notwendig, da nicht alles aufbewahrungswürdig ist und da Expertise nicht leichtfertig veröffentlicht werden soll.
Um die Wissensthematik besser in die Unternehmensstrategie zu verankern, werden die sechs vorgestellten Bausteine noch ergänzt durch einen orientierenden und koordinierenden Rahmen. Das Hinzufügen der Bausteine Wissensziele und Wissensbewertung macht aus dem Konzept einen Managementregelkreis.
Wissensziele sollen für das WM richtungsgebend sein. Strategische Wissensziele definieren, was unter dem organisationalen Kernwissen zu verstehen ist, und liefern eine Beschreibung des zukünftigen Kompetenzbedarfes des Unternehmens. Normative Wissensziele umfassen die Schaffung einer wissensbewußten Unternehmenskultur. Die eigenen Fähigkeiten sollen geteilt und weiterentwickelt werden. Die operativen Wissensziele schließlich sorgen für die Umsetzung der normativen und strategischen Ziele.
In der Wissensbewertung kommen Methoden, die der Messung der im Baustein Wissensziele gemachten Vorgaben dienen, zum Zuge. Die praktische Ausgestaltung ist schwierig, da es noch keine wirklich erprobten Indikatoren und Meßverfahren gibt. Der langfristige Erfolg eines WM ist jedoch nur dann gewährleistet, wenn es gelingt, brauchbare Controlling-Verfahren einzusetzen.
Probst, Raub und Romhardt sehen in ihrem Konzept den Vorteil, daß die Ressource „Wissen“ als ausschließliches Gliederungsprinzip verwendet wurde, um so ausschließlich wissensbezogene Aktivitäten zu beschreiben. Andere Autoren verwenden allgemeinere Kategorien zur Systematisierung der WM-Problematik. Sie sehen ihr Konzept als vorteilhafter an, um existierende Managementprobleme in Wissensprobleme umzusetzen. Dabei wollen sie ihr Konzept ebenfalls als eine integrierte Sichtweise auf weitere Ebenen verstanden wissen, wie die individuelle, die Gruppen- und die organisationale Ebene. Darüberhinaus läßt sich das Konzept auch noch offen an bereits bestehende Interventionen anknüpfen.[56]
Im Zusammenhang mit WM werden immer wieder zwei grundlegende Strategien angegeben. Kodifizierung ist eine mögliche Strategie beim WM, mit Rückblick auf Punkt 2.2.1 ist dies gewissermaßen die eher von der technischen WM-Subkultur favorisierte Form. Unter Kodifizierung wird die IT-gestützte Erfassung, Beschreibung, Speicherung und Verteilung von Wissen verstanden.[57]
Personalisierung ist eine Strategie, welche den...