In der Natur lesen
Die größte Katastrophe ist die Entfernung von der Natur
Die größte Katastrophe auf der Welt ist der Mensch, der sich von der Natur entfernt hat und sich anmaßt, es besser zu machen, als sie es ihm vorzeigt. Für mich sind alle so genannten Naturkatastrophen bzw. ihre katastrophalen Folgen vom Menschen verursacht.
Ein Mensch, der noch Platz im Hirn hat, der noch nicht vollgestopft ist mit allem möglichen Unsinn, der auf ihn einströmt, wird das sofort verstehen. Wer von der Kindheit auf die Perfektion der Natur erfahren konnte, wird ihre Abläufe bewundern und nie auf den Gedanken kommen, sie verbessern zu können. Jeder Versuch darin ist glatter Selbstbetrug und nur von kurzzeitigem und scheinbarem Erfolg.
Das Wichtigste ist, in der Natur lesen zu können, sie zu beobachten und versuchen zu erfahren: Verhalte ich mich richtig im Kreislauf der Natur oder bin ich selbst das Element, das diesen Kreislauf aus der Balance bringt? Habe ich mich verirrt?
Jedes einzelne Individuum, ob Mensch, Tier oder Pflanze, hat einen Auftrag. Dem soll es gerecht werden. Jeder muss sein Handeln und Tun verantworten können, zu jeder Zeit, bei jeder Gelegenheit. Nur so führst du ein verantwortliches Dasein. Wenn du das nicht tust, machst du dich schuldig, und zwar der Natur gegenüber. Das ist meine tiefste innere Überzeugung und Einstellung: Alles, was ich tue, muss ich verantworten. Nicht einer Gemeinschaft, einer Kirche oder einer Partei, sondern der Natur gegenüber, wie sie mir in einem Baum, einem Schwein, einem Bach oder einer Heuschrecke gegenübertritt. Tust du das, dann bekommst du auch von der Natur die Energie, die du brauchst, um richtig zu handeln. Du bekommst die Kraft, die Überzeugung und die Lebensfreude. Dann verstehst du, warum du auf der Welt bist, und du verlierst die Angst, die dir so lange eingeflößt wurde.
Menschengemachte „Natur“katastrophe: Erdrutsch in La Palma
Angst ist die größte Ursache für Katastrophen. Durch Angst geschehen die meisten Fehler und kommen die irrigsten Anschauungen zustande, die zu dem Desaster führen, das wir heute erleben. Aus Angst verantwortet der Mensch nicht, was er verantworten müsste. Aus Angst lebt er in Dummheit, Gier, Geiz und Hass, in Neid und Eifersucht, im Gegeneinander statt im Miteinander. Weil sich der Mensch so weit von der Natur abgekoppelt hat, ist er zum größten Schädling auf unserem Planeten geworden. Dabei schadet er sich selbst am meisten. Denn aufgrund seines naturfremden Lebens und Verhaltens empfindet er keine Lebensfreude, da er die natürlichen Abläufe nicht mehr wahrnehmen kann. Er kann nicht mehr unterscheiden, was richtig und was falsch ist. Er wird sich selbst zum Feind.
Wie verantwortungslos der Mensch mit Risiken umgeht, zeigt das Beispiel Japans. Dort wurden die Atomreaktoren bis zu Erdbeben der Stufe 8,25 auf der Richterskala gesichert. Aber im März 2011 ereignete sich ein Erdbeben der Stufe 9. Mehrere Reaktoren explodierten und gaben Radioaktivität frei. Das zeigt mir, dass die Menschen tun, was ihre Gedanken und Theorien ihnen sagen. Es bleiben aber in der Natur eine Menge Dinge, die sich der Mensch nicht vorstellen kann. Denn die Natur kennt keine Grenzen. Jede Kontrolle, die der Mensch über die Natur zu haben glaubt, ist eine Illusion. Ein solches Risiko ist unverantwortlich. Es gibt weltweit kein atomares Endlager. Atomkraft gehört gänzlich abgeschafft und weltweit durch Wind- und Solarenergie ersetzt. Muss zuerst eine weitere Katastrophe geschehen, damit die Menschen von diesen verbrecherischen Risiken abkommen?
© Steve Lovegrove
Menschengemachte „Natur“katastrophen: Waldbrand in Australien, Entwaldung in Schottland
Die Abläufe in der Natur zu beobachten, ist nicht schwer. Wenn du dich von dem negativen Verhalten befreist, öffnet sich dein Blick. Dann sagt dir die Natur alles, was du wissen musst. Dann spürst und fühlst und riechst du, was richtig und was falsch ist. Du lernst das Kommunizieren mit deiner Mitwelt, deinen Mitlebewesen. Das lernst du im Kleinen – ob das dein Garten ist oder deine Tiere, deine Landwirtschaft – und dann siehst du es auch im Großen: in der Gemeinde, der Nachbarschaft oder vom Flugzeug aus beim Blick über das ganze Land. Dann ist die Natur wie ein aufgeschlagenes Buch. Sobald du das feststellen kannst, hast du den Auftrag, dich für das einzusetzen, was du als richtig erkannt hast, auf Fehler hinzuweisen, sie zu verhindern oder gutzumachen.
Du sollst und kannst dich einklinken in die Perfektion der Natur. Dazu musst du bereit sein, dich von allem eingerosteten und eingeprägten Fehlverhalten und allen negativen Gedanken zu befreien. Du musst den Müll im Kopf entsorgen, damit du wieder Platz schaffst für die natürlichen Beobachtungen und Wahrnehmungen. Dann siehst du: Hochwasser, Dürre, Hungersnot, Seuchen, Wüstenbildung und Brandkatastrophen sind keine Naturkatastrophen, sondern logische Konsequenzen menschlichen Fehlverhaltens seit vielen Generationen.
Klima und Vegetation
Dieser Zusammenhang ist sehr gut am Zusammenspiel von Wald und Klima abzulesen. Die optimale Vegetation für gleichmäßiges Klima ist Mischwald, der Wärme, Licht und Wasser aufnimmt und langsam abgibt. Abholzung, Baumsterben und Überweidung führen zu heißem, blankem Boden und sind Risikofaktoren für das Klima. Was in den vergangenen Jahrzehnten an Urwaldabholzung in Afrika, Asien und Südamerika geschah, spüren wir heute bereits weltweit als Unwetter.
Denn was geschieht, wenn ein Wald verschwindet? Ein Mischwald ist voll mit Feuchtigkeit, er ist ein Garant für einen gesunden Wasserhaushalt. Holz, Laub, Boden, der gesamte Körper des Waldes ist ein Wasserspeicher und gibt es langsam nach vielfältiger Nutzung wieder ab. Der Wald speichert auch die Sonnenenergie, nimmt Licht und Wärme in jeder Höhe auf, setzt sie um in Wachstum, Vielfalt, Leben. Ein Mischwald ist ein fein abgestimmtes System, in dem alle Ressourcen der Natur genutzt werden. Jedes Teil nimmt, was es braucht, und gibt das Überschüssige wieder ab für den nächsten. Der Boden eines Mischwaldes ist von Pflanzen, Laub oder Nadeln bedeckt. Er ist beschattet und bleibt immer relativ feucht und kühl. Nur kühler Boden nimmt Regenwasser auf, denn wenn der Boden wärmer ist als der Regen, perlt das Wasser ab und dringt nicht ein. Ein gesunder Wald erzeugt um sich eine gleichmäßige Wärmeströmung.
Erosionsschäden durch Fichtenmonokultur, hier in den Alpen
Wenn eine große Fläche, auf der vorher ein Wald wuchs, abgeholzt wird, wenn der Boden also jetzt blank ist und die Sonne direkt daraufknallt, dann härtet der Erdkörper aus. Wo es früher feucht und kühl war, wird es jetzt heiß wie ein Kachelofen. Wo bisher der Wald das Wasser speicherte wie ein Schwamm, bildet sich jetzt trockene Hitze – kein Tau, keine Luftfeuchtigkeit, keine Wolken. Die abgestrahlte Wärme steigt direkt nach oben und durch die veränderte Thermik entsteht in den höheren Luftschichten eine völlig andere Luftströmung als zuvor.
Wenn das auf großen Flächen geschieht – so wie im ganzen Mittelmeerraum oder den Tropen –, dann kann es zu heftigen Luftbewegungen kommen, zu Stürmen und Orkanen. Wetterkapriolen, plötzlicher Starkregen und Hagel mit faustgroßen Eisklumpen sind das Ergebnis der Austrocknung und Entwaldung großer Flächen. Es regnet, wo es sonst nicht geregnet hat, und es schneit, wo es vorher noch nie geschneit hat.
Stürme und starke Winde haben freie Bahn, sie werden nicht abgeschwächt, wenn keine Wälder da sind, die auf verschiedenen Höhen belaubt sind und die Winde bremsen. Starkwinde verfrachten die restliche Feuchtigkeit über weite Strecken.
Wenn wir das endlich merken, wünschen wir uns natürlich den Wald zurück. Wenn wir aber nun Bäume in Monokultur aufforsten, erreichen wir genau das Gegenteil. Eine solche Baumwüste hat keine Vitalität und wird schnell zum Opfer von Stürmen, Fraßinsekten oder Krankheiten. Sie sorgt auch nicht für einen gesunden Wasserhaushalt, sondern laugt den Erdkörper aus. Ihre überall gleich tiefen Wurzeln können die Feuchtigkeit nicht im Boden halten. Das rasch abfließende Wasser nimmt die restliche Feinerde mit. Wenn jetzt starker Regen fällt, kommt es weiter unten zu Überschwemmungen.
(Foto: Ecomeda)
Folgen eines gestörten Wasserhaushaltes: Überschwemmungen, hier in Deutschland
Wasser ist der Schlüssel
Der Schlüssel für Klimastabilität ist das Wasser. Ein naturbelassener Erdkörper tränkt sich mit Wasser und gibt es an alle Lebewesen ab, die es brauchen: Menschen, Tiere und Pflanzen. Wo die natürliche Bodenfeuchtigkeit zerstört wurde, muss der Mensch handeln, um die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Er muss es tun, bevor das Land zur Wüste wird. Und er kann es tun, indem er dezentrale Wasserlandschaften auf naturgemäße Weise anlegt. Ein Wasserretentionsraum, also ein nach Vorbild der Natur angelegtes, nicht abgedichtetes Rückhaltebecken für Regenwasser, hat eine ausgleichende Wirkung auf das...