Das bedeutet also: Nur die Anteile des Lichtes, die das Auge bzw. die die Stäbchen und Zapfen, die Rezeptorzellen der Netzhaut, direkt oder über den Umweg einer Interaktion mit einem farbigen Körper nach Transmission oder Reflexion erreichen, können wahrgenommen werden (vgl. Abb. 1-5).
Die Stäbchen sind hierbei für die Hell-Dunkelwahrnehmung zuständig. Dieses sogenannte skotopische Sehen ermöglicht es, die Lichtintensität und damit auch die Helligkeit einer Farbe zu erfassen, während hingegen die Zapfen die Voraussetzung für das sogenannte photopische Sehen darstellen und in diesem Zusammenhang die Wahrnehmung des Farbtons ermöglichen.
Schon Hermann von Helmholtz (1821-1894) nahm an, dass drei Rezeptoren mit überlappender spektraler Sensibilität für die drei grundlegenden Farbvalenzen ("blue", "green" and "red") existieren müssen.
Heute wissen wir es genauer: Das menschliche Auge verfügt über drei verschiedene Zapfenzelltypen, die auf die Rezeption von Licht mit den Frequenz- bzw. Wellenlängenbereichen entsprechend dem Rot, Grün und Blau spezialisiert sind. Charakteristische Frequenzvariationen und Frequenzkombinationen stimulieren die Zapfen mit unterschiedlicher Intensität. Der Weg des Reizes setzt sich von den Zapfen über Nervenfasern mit Ganglienverschaltung, Sehnerv und Sehbahn fort und erreicht das Gehirn, welches die Signale als Farben interpretiert (vgl. Abb. 1-1). Der Apfel in Abb. 1-5 ist nur deshalb rot, weil wir die reflektierten Wellenlängen wahrnehmen, diese durch die Wellenlängen (bzw. Frequenzmuster) hervorgerufene Erscheinung vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen einordnen und interpretieren können. In Wirklichkeit lebt die Farbe ausschließlich in unserem Gehirn.3,23-25
Das Auge nimmt somit ein für jedes Objekt einmaliges Frequenzmuster, das aus Spektraldaten (Frequenzen bzw. Wellenlängen und Reflexionsgrad) des Lichts zusammengesetzt ist und als Spektralkurve dargestellt werden kann, wahr.
Abb. 1-4b Modell eines Auges mit der Macula lutea und dem blinden Fleck als Austrittsstelle der Gefäße.
Abb. 1-4b Die Netzhaut des Auges mit der Macula lutea (tiefer rot, unten links) und dem blinden Fleck (hell, unten rechts) als Austrittsstelle der Gefäße.
Viele Faktoren haben jedoch Einfluss auf die Farbwahrnehmung des Menschen. Hierzu zählen individuelle Unterschiede anatomischer und physiologischer Gegebenheiten des Individuums wie Augen- und Linsenbeschaffenheit, netzhautseitige Reizverarbeitung, nervale Reizweiterleitung, Alter, Augenermüdung, Sehschwäche – insbesondere Farbsehschwäche, Lichtverhältnisse, Hintergrund u.v.a.m. (s. zu den Einflussfaktoren Kapitel 2 und die einschlägigen Publikationen2-16).
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von dentalphysiologischen Einflussfaktoren (Alterung des Zahnes, trocknungs- oder altersbedingte Flüssigkeitsabnahme des Zahnes usw.) sowie physikalisch-physiologische Faktoren (Strahlengang, Dimensionierung des sensorischen Systems etc.)5
Schon hier können Sie einen ersten Eindruck gewinnen, wie komplex Farbwahrnehmung ist. Und es kommt noch eines hinzu: der physio-psychologische Effekt. Jeder Mensch verarbeitet Sinnesreize unterschiedlich. Die menschliche Wahrnehmung ist hochindividuell und Farbe wird damit etwas sehr Individuelles. Das gleiche Objekt erscheint unterschiedlichen Menschen unterschiedlich und Farben werden unterschiedlich interpretiert. Intuition und Emotion spielen hier eine bedeutende Rolle.
Wollte man einen Gegenstand und seine Farbqualität darüber hinaus verbal beschreiben, wird es noch schwieriger: Welche genaue Farbnuance hat beispielsweise ein Objekt (vgl. Abb. 1-5)? Je nach Erfahrungen mit Farben und den sich daraus ergebenden Farbbezeichnungen fallen Beschreibungen verschieden aus.
Auf eine Formel gebracht, könnte man sagen: Es bedarf für die Existenz der Zahnfarbe alle drei Bedingungen – Licht, Objekt und Betrachter – und auf allen drei Bedingungsebenen entstehen hochindividuelle Unterschiede, die eine Zahnfarbe bzw. die Zahnfarbwirkung, Zahnfarbbestimmung bzw. Zahnfarbbeschreibung und damit die Zahnfarbkommunikation im Ergebnis beeinflussen.
Sie können jetzt schon erahnen, dass die Zahnfarbenlehre eine sehr abstrakte Wissenschaft ist. Will der Zahnarzt bzw. Zahntechniker in seiner Praxis Farben richtig beurteilen, bestimmen, kommunizieren und reproduzieren, dann ist die Kenntnis und das Verständnis um das Wesen der Zahnfarbe, ihre Entstehung und das Wissen um Einflussfaktoren auf die dentale Farbgebung und Farbwahrnehmung unabdingbar. Er sollte wissen, wie Farbe wahrgenommen und wiedergegeben wird.
Abb. 1-5 Ein Apfel wird erst durch das Licht und seine Wahrnehmung zum roten Apfel. Das Vorhandensein von Licht und einem Beobachter sind für die Existenz der Farbe eines Objektes Voraussetzung.
Farbphysikalische Grundlage
Schon im Jahre 1648 lenkte der böhmische Physiker Marcus Marci Sonnenstrahl durch ein Prisma und zerlegte dabei erstmalig das Licht physikalisch in Farben von Rot bis Violett. Marci und später Sir Isaak Newton sahen als Erste einen Zusammenhang zwischen Licht, dem Winkel, unter dem das Licht abgelenkt wurde, und der Farbe. Newton bemerkte auch, dass sich der Strahlengang des farbigen Lichtes nach dem ersten Prisma weiter fortsetzt und anschließend zwar durch ein zweites Prisma erneut gebrochen, jedoch nicht weiter zerlegt werden konnte.
Nach Newton sind Farben nicht bloß Modifikationen des weißen Lichts, sondern vielmehr seine ursprünglichen Bestandteile, die aus sieben Komponenten der Folge Rot (p) — Orange (q) — Gelb (r) — Grün (s) — Cyanblau (t) — Ultramarinblau (v) — Violettblau (x) bestehen. Weiterhin können diese Komponenten gemischt werden, um sekundäre Farben zu erzeugen. Im richtigen Verhältnis ergeben diese Lichtkomponenten weißes Licht. Heute wissen wir, dass die Farben auf elektromagnetischen Strahlen des sichtbaren Spektrums verschiedener Wellenlängen bzw. Wellenfrequenzen basieren (Abb. 1-6).
Das sichtbare Spektrum liegt im Wellenlängenbereich von 400 bis 700 nm (Abb. 1-7 und 1-8). Nur dieser kleine Bereich der elektromagnetischen Strahlung kann von einem Betrachter wahrgenommen werden. 18-22
Abb. 1-6 Dualismus des Lichtes: Licht ist eine Strahlung von Teilchen und Licht besteht aus Wellen verschiedener Wellenlängen.
Abb. 1-7 Licht wird durch ein Prisma gebrochen, gestreut und in seine spektralen Anteile zerlegt. Jeder spektralen Farbe sind Frequenzen und Wellenlängen zugeordnet. Zu sehen ist das Spektrum des sichtbaren Lichts in Relation zum gesamten elektromagnetischen Spektrum.
Tab. 1.-1Spektralfarben des sichtbaren Lichtspektrums
λ=c/f
Abb. 1.8 Die Wellenlänge ist der Abstand zwischen zwei benachbarten Wellengipfeln; die Frequenz ist die Anzahl der Wellen pro Zeiteinheit. Es gilt: je kürzer die Wellenlänge, desto höher die Frequenz und je länger die Wellenlänge, desto niedriger die Frequenz.21
Dass der Betrachter sichtbares Licht wahrnehmen kann, liegt an spezialisierten Typen von Farbrezeptorzellen – den sogenannten Zapfen – der Netzhaut, die auf verschiedene Wellenlängen bzw. Wellenfrequenzen von rotem, grünem und blauem Licht spezialisiert sind. Jede Farbe entspricht einer bestimmten Wellenlänge und Frequenz (Tab. 1-1). Ohne Licht, das mit einem Objekt interagieren kann, entsteht keine Farbwirkung.2-10
Der grundlegende Weg zur Farbwahrnehmung beginnt an der vorhandenen Lichtquelle. Diese Lichtquelle, sei es eine Lampe oder die Sonne, strahlt Licht aus, welches das Auge bzw. die Netzhaut entweder direkt trifft oder auf einen Körper fällt. Im zweiten Falle interagiert das Licht mit einem Körper und der Lichtstrahl wird teilweise reflektiert oder fortgeleitet (Transmission). Bei der Reflexion werden insbesondere die Spiegelreflexion (gerichtete Reflexion) und die diffuse Reflexion (ungerichtet Reflexion) differenziert. Ein Teil des Lichtes wird vom Körper absorbiert. Nur die Frequenzen bzw. Wellenlängen als spektrale Anteile des Lichtes, die reflektiert oder vom Körper durchgelassen werden, haben die Möglichkeit, direkt das Auge zu erreichen und können dann von Rezeptorzellen – den Stäbchen und Zapfen der Augennetzhaut – wahrgenommen und vom Gehirn als Farbe qualifiziert und quantifiziert werden.
Die Quelle des Lichts
Die Entstehung von Licht benötigt eine Lichtquelle. Lichtquellen können natürlichen Ursprungs sein (z. B. Sonnenlicht) oder künstlich erzeugt werden (Glühbirne, Neonleute etc.) und basieren auf chemischen oder physikalischen Vorgängen. Eine Lichtquelle kann monochromatisches Licht – also Licht von nur einer Wellenlänge –, farbiges oder weißes Licht ausstrahlen. Das den meisten Menschen bekannte Licht ist mit...