3. AGB-Kontrolle
Seit Inkrafttreten des SchuldRModG[166] sind bei Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auch Arbeitsverträge per se dem Recht der AGB (§§ 305 ff. BGB) unterstellt. Der AGB-Begriff ist demnach das „Nadelöhr“,[167] welches eine Klausel passieren muss, um der AGB-Kontrolle unterzogen zu werden. „Die Definition muss deshalb ihrem Zweck entsprechend daran ausgerichtet sein, typologisch Fälle zu erfassen, in denen das privatautonome Konzept des BGB versagt und eine Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle notwendig wird.“[168]
Im Folgenden soll nunmehr untersucht werden, in welchen Fällen eine Klausel einer Zielvereinbarung kontrollfähig ist und mit welchen Maßstäben sie gemessen werden muss.
3.1. Gegenstand der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB
Die Begriffsdefinition der AGB und der Anwendungsbereich des ABG-Rechts sind in § 305 Abs. 1 BGB festgelegt. Eine Anwendung der AGB setzt zwingend voraus, dass die zu kontrollierende Arbeitsvertragsklausel „keine normativ geltende kollektive Regelung i.S.d. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB darstellt und entweder eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB oder zumindest eine vom Arbeitgeber vorformulierte Einmalbedingung ist“.[169] Darüber hinaus ist der Anwendungsbereich bei Arbeitsverträgen gem. 310 Abs. 3 BGB zum Teil erweitert und durch § 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 BGB wiederum eingeschränkt.
Daher ist vorrangig zu prüfen, ob einer Arbeitsvertragsklausel überhaupt der Anwendungsbereich des Rechts der AGB eröffnet ist. Zuvor soll jedoch geklärt werden, ob auch Zielvereinbarungen der AGB-Kontrolle unterliegen.
3.1.1. Zielvereinbarungen in der AGB-Kontrolle?
§ 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 1 BGB spricht von der Anwendung der AGB-rechtlichen Vorschriften „auf Arbeitsverträge“, wodurch nicht nur Abschluss, sondern auch die Abänderung und Aufhebung gemeint ist.[170] Ebenso werden nachträgliche Änderung wie z.B. ein Bonussystem[171] oder Abmachungen, „durch die ein vom Arbeitsvertrag freigelassener Rahmen ausgefüllt wird“, erfasst, welches insbesondere für Zielvereinbarungen praktische Bedeutung hat und somit auch ihnen den Weg zur Kontrollfähigkeit einräumt.[172]
3.1.2. Allgemeine Geschäftsbedingungen
Der Anwendungsbereich des § 305 Abs. 1 BGB verlangt fünf Voraussetzungen zur Qualifizierung einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung als Allgemeine Geschäftsbedingungen. So muss es sich um Vertragsbedingungen handeln, welche für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind und von einer Vertragspartei der anderen gestellt wurden, soweit diese nicht im Einzelnen ausgehandelt sind.[173]
Zu den Arbeitsvertragsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB zählen alle Bestandteile eines Arbeitsverhältnisses, das zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer abgeschlossen wurde.[174] Da in Zielvereinbarungen eine Festlegung von Arbeitsaufgaben und somit eine Konkretisierung der Arbeitspflicht liegen kann und bei Entgeltrelevanz zumindest ein Teil der Vergütung geregelt wird, gelten auch diese als Vertragsbedingungen.[175]
Arbeitsvertragsbedingungen sind vorformuliert, wenn sie zeitlich vor dem Abschluss des Arbeitsvertrages oder dessen Änderung liegen, was bei schriftlich aufgezeichneten oder in sonstiger Weise fixierten Bedingungen ohne Weiteres gegeben ist.[176] Eine schriftliche Fixierung ist nach § 305 Abs. 1 S. 2 BGB allerdings nicht erforderlich. Es ist ausreichend, wenn die AGB-Klausel auf einer Festplatte oder „im Kopf“ des Verwenders oder seines Gehilfen gespeichert und erst bei Vertragsschluss schriftlich niederlegt wird.[177] Zudem ist es nicht erforderlich, dass der Entwurf bereits bei Beginn der Vertragsverhandlungen vorgelegen hat. Ebenso ist es irrelevant, in welcher Form die Vertragsbedingung vorliegt und kann demnach als Formulararbeitsvertrag, allgemeine Arbeitsbedingungen im Anhang, Vorvertrag, bloße Textbausteine, Anschläge oder Mitteilungen auf dem Gehaltszettel etc. gestaltet sein.[178]
Auch wenn Zielvereinbarungen oftmals als Mustervorlage mit Leerstellen, die gefüllt werden müssen (zu formulierende Ziele), gestaltet sind, ändert dies nichts an dem Umstand, dass die Klauseln vorformuliert sind.[179] „Gleichwohl kann es am AGB-Charakter fehlen, wenn im Hinblick auf die ausfüllungsbedürftige Lücke von einem ‚Stellen‘ der Bedingung keine Rede mehr sein kann.“[180] Man kann dennoch davon ausgehen, dass der Arbeitgeber in der Regel vorformulierte Arbeitsvertragsbedingungen verwendet.[181]
Eine weitere Voraussetzung ist zudem, dass die Arbeitsvertragsbedingungen für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen formuliert sein müssen. Das bedeutet, dass der Text entweder für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen Verwendung finden soll oder, selbst wenn der Arbeitgeber eine mehrfache Verwendung nicht plant, vorformulierte Arbeitsvertragsbedingungen von einem anderen genutzt werden.[182] Es wird somit als ausreichend erachtet, wenn der Arbeitgeber einmalig ein Vertragsmuster nutzt, welches z.B. vom Arbeitgeberverband stammt.[183] Im Übrigen ist eine Vorformulierung für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen i.d.R. dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt die von ihm selbst vorformulierten Arbeitsvertragsbedingungen mindestens drei Mal zu verwenden.[184] Dabei reicht die bloße Absicht aus.[185] Eine mehrfache Verwendung liegt auch dann vor, wenn die Klausel nicht exakt dieselben Formulierungen beinhaltet. Entscheidend ist vielmehr eine inhaltliche Übereinstimmung der wiederholt verwendeten Regelung.[186]
Eine elementare Ausnahme besteht bei Verbraucherverträgen. Hier greift die AGB-Kontrolle gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB bereits bei einmaliger Verwendung, sofern der Verbraucher keinen Einfluss auf den Inhalt der Klausel nehmen konnte.[187] Voraussetzende Bedingung ist, dass es sich um einen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher handelt, wodurch der Arbeitnehmer Verbraucher i.S.d. § 13 BGB sein müsste.
Die Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers wurde seit Inkrafttreten des SchuldRModG äußerst kontrovers und intensiv diskutiert.[188] Einigkeit bestand lediglich in dem Punkt, dass der Arbeitnehmer dann als Verbraucher anzusehen ist, wenn außerhalb der arbeitsvertraglichen Beziehung Verträge, wie Darlehens-, Kauf- und Mietverträge, mit dem Arbeitgeber geschlossen werden.[189] Ungeklärt blieb die Frage, ob der Abschluss, die Aufhebung oder die Änderung des Arbeitsvertrages als Verbrauchergeschäft einzustufen ist.
Das arbeitsrechtliche Schriftentum teilte sich anfangs in zwei kontroverse Meinungen. Einerseits begründeten die Vertreter des absoluten Verbraucherbegriffs die Verbrauchereigenschaft von Arbeitnehmern bei Abschluss arbeitsvertraglicher Vereinbarungen im Wesentlichen mit dem Wortlaut des § 13 BGB.[190] Die Norm definiert den Verbraucher lediglich „negativ“ als Nicht-Unternehmer: „Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, das weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen Tätigkeit zugerechnet werden kann“. Da arbeitsvertragliche Vereinbarungen weder der gewerblichen noch der selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden können und zudem § 310 Abs. 4 BGB auf die Anwendung der AGB-Vorschriften verweist, ohne dass hinsichtlich § 310 Abs. 3 BGB eine Ausnahme gemacht wird,[191] ist der Arbeitnehmer i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB als Verbraucher einzustufen. Zudem betonten die Vertreter des absoluten Verbraucherbegriffs das besondere Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers als sozial Schwächeren und vertraten die Ansicht, dass das Schutzniveau des Arbeitsrechts nicht hinter dem des Zivilrechts zurückbleiben dürfe.[192]
Andererseits machten die Vertreter des relativen Verbraucherbegriffs die Anwendbarkeit verbraucherspezifischer Vorschriften von dem Zweck des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts abhängig und lehnten die Verbrauchereigenschaft von Arbeitnehmern bei Abschluss arbeitsvertraglicher Vereinbarungen ab.[193] Einige der Vertreter erwogen jedoch eine analoge Anwendung des § 310 Abs. 3 BGB.[194]
Auch in der Rechtsprechung wurde die Frage zunächst uneinheitlich entschieden.[195] Selbst das BAG hat die Frage zunächst offen gelassen. In seiner Entscheidung zur AGB-Kontrolle einzelvertraglich vereinbarter Ausschlussfristen am 25.5.2005 sprach es sich indessen erstmals eindeutig und mit eingehender Begründung für die Verbrauchereigenschaft aus.[196] Dabei vermied es aber eine nähere...