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Zur Bedeutung der Arbeit mit Pferden in der pädagogisch-therapeutischen Arbeit mit Kindern mit autistischen Verhaltensweisen

AutorMyriam Nickels
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl53 Seiten
ISBN9783956846502
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Pferde finden häufig Einsatz in der Therapie von Menschen mit Behinderungen. Die medizinische Wirksamkeit des Reitens bei Kindern und Erwachsenen mit körperlichen Behinderungen ist belegt. Die Einsatzmöglichkeiten der Arbeit mit Pferden in der Therapie und Pädagogik gehen aber weit über die medizinische und motorische Förderung hinaus. Ebenso sind die emotionalen und sozialen Fördermöglichkeiten durch den Einsatz von Pferden bekannt. Auch in Bezug auf die Autismus-Spektrum-Störung liest man von den Erfolgen tiergestützter Therapien, u.a. der Reittherapie. Die Autismus-Spektrum-Störung ist eine immer häufiger diagnostizierte tiefgreifende Entwicklungsstörung bei Kindern und Jugendlichen. Trotzdem werden diese Therapien in der Literatur häufig nur unter 'Außenseiter'-Therapien kurz erwähnt. Daher soll hier die Möglichkeiten des Einsatzes von Pferden in der Therapie und Pädagogik von Kindern mit autistischen Verhaltensweisen anhand der herausgestellten Merkmale der Autismus-Spektrum-Störung und den daraus resultierenden Besonderheiten für die pädagogisch-therapeutischen Maßnahmen sowie den speziellen Möglichkeiten des Einsatzes von Pferden erörtert werden.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3.4, Die Besonderheiten des Einsatzes von Pferden in der Heilpädagogischen Förderung: In diesem Kapitel werden die spezifischen Besonderheiten des Pferdes erläutert, die die Wirkweise der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd bedingen. 3.4.1, Kommunikation: Zuerst gilt es, die Kennzeichen von Kommunikation generell herauszustellen, bevor auf die artspezifische Kommunikation des Pferdes und die damit einhergehenden Besonderheiten der HFP eingegangen wird. Erhard OLBRICH erläutert die grundlegenden Kategorien der Kommunikation in Anlehnung an die Klassifikation durch Watzlawick, Beavin und Jackson: die digitale und die analoge Kommunikation. Die digitale Kommunikation ist beim Menschen die verbale Sprache, die den Zweck hat, Inhalte und Wissen zu vermitteln. Die analoge (nonverbale) Kommunikation beim Menschen nutzt die Mimik, Gestik und Körperhaltung und gilt eher der Darstellung von Gefühlen und Bezogenheit. 'Analoge Kommunikation ist die Sprache der Liebenden,... sie wird immer dann 'gesprochen', wenn intensives Erleben relativ ungebrochen ausgedrückt wird'. Sie ist die ursprünglichste Art der Kommunikation und drückt nach Watzlawick et. al. immer eine besondere Bezogenheit und tiefe Verbundenheit aus und ist unumgänglich für die Bildung einer tiefgehenden Beziehung. 'Insofern spielt gerade in der frühkindlichen Entwicklung die Förderung und Fähigkeit zu digitaler und analoger Kommunikation eine große Rolle. Erst wenn ein Mensch gelernt hat, sich sowohl seiner Kognitionen als auch seines inneren Erlebens gewahr zu werden, wenn er sowohl seine positiven als auch seine eher problematischen Eigenschaften erkennen, annehmen und mittels analoger Kommunikation zum Ausdruck bringen kann, hat er die Möglichkeit, mit sich kongruent und für andere authentisch zu sein'. Des Weiteren erkennen Watzlawick et al., dass jede Art der Kommunikation einen Inhalts- und Beziehungsaspekt hat. Der Inhaltsaspekt ist die eigentliche Information, die weitergegeben werden soll. Der Beziehungsaspekt hingegen vermittelt Informationen über die Beziehung zwischen Sender und Empfänger. Bei der Kommunikation zwischen Mensch und Tier tritt der Inhaltsaspekt aber in den Hintergrund, weil eine gedankliche Weitergabe von Sachinhalten nicht möglich ist. HORSTMANSHOFF beschreibt bei Pferden ein differenziertes Kommunikationssystem, welches auf der optischen, olfaktorischen und auditiven Wahrnehmung sowie der taktilen Verständigung basiert. Da sich Pferde hauptsächlich über diese analoge Kommunikation verständigen, haben sie eine äußerst sensible Wahrnehmung für analoge Signale. Ein Großteil des Kommunikationssystems des Menschen zeichnet sich in der Regel durch eine klare, verbale Verständigung aus. Diese verbalen Signale können aber vom Pferd nicht ausreichend verstanden werden, einzig die Tonlage und dem Pferd antrainierte verbale Zeichen können hier eine verbale Kommunikation zwischen Mensch und Pferd ermöglichen. Verbale Verständigung spielt beim Pferd eine untergeordnete Rolle und es reagiert vorrangig auf die analogen Signale, die der Mensch durch seine Körperhaltung und Körpersprache vermittelt. Da Mensch wie Pferd soziale Wesen sind, gibt es in der Regel bei beiden ein Interesse, mit dem anderen in Kontakt zu treten. Dies ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommunikation beziehungsweise Interaktion zwischen Mensch und Pferd. Wenn Menschen allerdings zum ersten Mal mit einem Pferd in Kontakt treten oder noch keine Erfahrungen mit der analogen Kommunikation des Pferdes gemacht haben, versuchen sie zuerst verbal-digital zu kommunizieren. Das Pferd reagiert dennoch auf den Menschen, da es dessen unbewusste analoge Signale wahrnimmt und darauf reagiert. Laut VERNOOIJ und SCHNEIDER wird der Mensch nun aber nach und nach diese analogen Signale immer bewusster einsetzten und steuern, beispielsweise durch die Nachahmung der Körpersprache des Pferdes. In Anlehnung an die vorherige Klassifikation, bedeutet dies nun, dass, damit es zu einer funktionierenden Kommunikation zwischen Pferden und Menschen kommen kann, die Menschen vor allem analog mit dem Pferd kommunizieren müssen. Nur so können sie dem Pferd echte Bezogenheit entgegenbringen; der Beziehungsaspekt tritt also deutlich in den Vordergrund. STOFFL erwähnt des Weiteren, dass bei der analogen Kommunikation 'keine Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft möglich' ist. Dies bedeutet, dass die analoge Kommunikation mit dem Pferd sich besonders wegen dem Situationsbezug pädagogisch-therapeutisch nutzen lässt, da hier ein konkreter situationsaktueller Handlungsbezug erkennbar ist. 3.4.2, Interaktion: Das Pferd zeichnet sich durch einen hohen 'Aufforderungscharakter' aus. Laut GÄNG fordert das Pferd den Menschen durch seine Erscheinungsform und Bereitschaft zur analogen Kommunikation und Interaktion 'direkt zur emotionalen und verbalen Kontaktaufnahme und Auseinandersetzung heraus, [und] dadurch kann sich das Körperbewusstsein [des Menschen] als eine Grundform des Selbstbewusstseins entwickeln'. Außerdem ist das Pferd ein sehr eigenständiges Wesen und wird somit von seinem menschlichen Gefährten als neutraler Sozialpartner wahrgenommen. Es handelt wertfrei und intuitiv. Sein Verhalten gegenüber dem Menschen ist ehrlich, eindeutig und 'weitgehend konstant, also verlässlich und daher gut in Erziehungsprozesse einplanbar'. Durch das Arbeiten mit und an dem Pferd erkennt der Klient schnell die Empfindungen des Pferdes gegenüber seinen Handlungen beziehungsweise wird durch den Therapeuten auf die Bedeutung dieser Antwort hingewiesen. Anhand der eindeutigen und direkten Antwort auf die Aktion des Klienten durch die Körpersprache des Pferdes zeigt das Pferd seine Zustimmung oder Ablehnung. Dem Klienten können das Verständnis und das Erkennen der wenigen Gesten der Zustimmung bzw. Ablehnung des Pferdes helfen, sich in die Lage des Pferdes hineinzuversetzen und sein Verhalten anhand der ehrlichen Reaktion des Pferdes zu überdenken und gegebenenfalls zu ändern. Dies ist die Grundlage für die Förderung einer sensibleren Selbst- und Fremdwahrnehmung und somit ein wichtiger therapeutisch-pädagogisch nutzbarer Faktor der Arbeit mit und an dem Pferd. Die Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd stellt also einen Rahmen zum Erproben und Festigen grundlegender sozialer Kompetenzen dar. Das Pferd agiert gewissermaßen unbewusst pädagogisch, in dem es konsequent auf zum Beispiel grobes oder aggressives Verhalten reagiert. Es gibt dem Klienten ebenso eine Möglichkeit, sein Verhalten selbst einzuschätzen und zu kontrollieren. Durch das verlässliche und konstante Verhalten des Pferdes kann der Klient 'also in der Interaktion mit dem Pferd eine heilsame Geradlinigkeit, Eindeutigkeit und Kongruenz' erfahren. Außerdem kann der Therapeut innerhalb des ganzen Pferd-Klient-Interaktionsprozesses anhand der Körpersprache bzw. dem Verhalten des Pferdes Aufschluss über das aktuelle Befinden des Klienten bekommen. 'Schon während des Vorbereitens des Pferdes zum Reiten oder Voltigieren spiegelt das Pferd häufig Stimmungen und Verhaltensweisen des Kindes, die damit offen ansprechbar werden'. Dies ist wichtig, um pädagogische und therapeutische Prozesse individuell zu planen und diese wirkungsvoll zu gestalten. 3.4.3, Der besondere Bewegungsdialog: Prof. Carl KLÜWER, Arzt für medizinische Psychotherapie und Initiator des Therapeutischen Reitens, stellt den Bewegungsdialog mit dem Pferd als einen wichtigen, grundlegenden Faktor der Wirkweise von therapeutischem Reiten dar. KLÜWER geht davon aus, dass der Bewegungsdialog als tonischer Dialog zwischen Klient und Pferd an den frühkindlichen Bewegungsdialog zwischen Mutter und Kind beim Tragen des Kindes anknüpft, da der Bewegungsfluss des Pferdes dem des menschlichen Ganges ähnelt. Bei beiden Bewegungsdialogen spielen jedoch nicht nur physische Prozesse eine Rolle, sondern ebenso psychische. Diese wesentlichen Aspekte stellen das Besondere des Bewegungsdialogs mit dem Pferd dar. Die einzelnen wirksamen Komponenten werden im Folgenden erläutert. Der Bewegungsdialog ist durch das Einstimmen und Antworten beider Parteien - Pferd und Mensch - geprägt: Das Pferd ist durch Bewegungskorrekturen stets bemüht, sich selbst mit dem Reiter oder Voltigierer im Gleichgewicht zu halten. Zugleich versucht der Mensch sich dem Rhythmus und den Schwingungen des Pferdes durch Tonusregulation anzupassen. Das Pferd gibt dem Klienten beim Reiten und Voltigieren ein Gefühl der Sicherheit und des Gehaltenwerdens und dieser nimmt sich selbst und seinen Körper in der Bewegung wahr. Diese Körpererfahrung und das damit einhergehende Körperbewusstsein führen schließlich dazu, dass der Klient erkennt, dass er das Pferd selbst steuern kann (durch Gewichts- und Schenkelhilfen). Dieser Dialog zwischen Pferd und Reiter bzw. Voltigierer ist ein tonischer Dialog, bei welchem der Teilnehmer sowohl etwas über sich als auch über das Pferd erfährt, was somit die Selbst- und Fremdwahrnehmung verbessern kann. Eine hier analog wirkende Eigenschaft des Bewegungsdialogs Pferd/Klient zu dem Bewegungsdialog Mutter/Kind ist zum einen das frühkindliche Getragen- und Gehaltenwerden und zum anderen die rhythmische Qualität und knüpft möglicherweise ebenso an 'vorgeburtliche Erlebnisspuren des Getragen-, Geschaukelt- und Gewiegtwerdens [...] im Mutterleib' an. Beim Tragen stabilisieren das Pferd wie auch die Mutter den Körper des Getragenen zwar, die Eigenaktivität beziehungsweise die Bewegungsinitiative des Getragenen werden aber dennoch zugelassen. SCHULZ führt hier die Stabilisierung des Kopfes und Unterstützung des Kreuzbeines an, welche als 'Schlüsselpunkte des guten Haltens [...] ein Sicherheitsgefühl im Sinne von Urvertrauen vermitteln'. Dieses Urvertrauen wird laut KUPPER-HEILMANN auch von Erikson geschildert. Dieser sieht den vorgeburtlichen beziehungsweise frühkindlichen Bewegungsdialog zwischen Mutter und Kind als essentiellen Bestandteil im Vertrauensbildungsprozess und somit als Grundlage der Entwicklungen gesunder sozialer Beziehungen. Auch laut KESTENBERG ist ein zufriedenstellender frühkindlicher Bewegungsdialog zwischen Mutter und Kind essentiell für die Entwicklung des Kindes. Somit ist die Rhythmik sowie das Getragen-und Gehaltenwerden ein wichtiger entwicklungs- und vertrauensfördernder Aspekt der HFP: Der Bewegungsdialog kann an essentielle frühkindliche Erfahrungen anknüpfen oder eben als Ersatz für ausgebliebene frühkindliche Bewegungserfahrungen dienen. KLÜWER schildert hierzu auch, inwiefern die verschiedenen Bewegungsabläufe des Pferdes und der dadurch entstehende Takt verschiedene Wirkungen auf den Reiter/Voltigierer haben kann und dessen Stimmung modifizieren kann. 'Der Viertakt des langsam Schritt gehenden Pferdes wirkt nämlich lösend und entspannend! Der Viertakt des schnellen Schrittes wirkt konzentrierend! Der Zweierschlag im Trab ist, wie schnelle Marschmusik, animierend! Und der Dreierschlag des Galopps mit der Schwebephase beschwingt!'. Die HFP dient also der Förderung der Selbst- und Fremdwahrnehmung und der Modulation der Stimmung. Darüber hinaus bringt der erfolgreiche Bewegungsdialog mit dem Pferd für den Klienten noch eine selbstbewusstseinsfördernde Eigenschaft mit sich: Durch das Erfolgserlebnis, auf dem Pferd geritten bzw. voltigiert zu haben, ohne von diesem heruntergefallen zu sein oder ebenso das große mächtige Tier gelenkt und gesteuert zu haben, erfüllt den Klienten mit Glück und Stolz. Diese positiven Gefühle erhalten laut STOFFL gerade bei verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen einen besonderen Stellenwert: Da jene dazu neigen, Leistungen oftmals zu verweigern, wirkt gerade hier die mit positiven Gefühlen verbundene Selbsterfahrung stark motivierend.
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