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Zur Entwicklung und Förderung emotionaler Intelligenz bei Kindern im Vorschulalter

Ein Trainingsprogramm für Eltern

AutorNicole Ebrecht-Fuß
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl141 Seiten
ISBN9783640347285
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis36,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Psychologie - Entwicklungspsychologie, Note: 1,9, Universität zu Köln (Heilpädagogische Fakultät), Sprache: Deutsch, Abstract: 1990 begann der Einzug der emotionalen Intelligenz in die wissenschaftliche Welt. Mit dem Bestseller 'Emotional Intelligence' (1995) von DANIEL GOLEMAN, schaffte es das Konzept der emotionalen Intelligenz auf die Titelseite des Time Magazine vom 2.Okt. 1995 mit dem Titel: 'The EQ factor'. Das Spektakuläre des Ansatzes der emotionalen Intelligenz ist die Annahme von GOLEMAN (1997), dass emotionale Intelligenz eine grundlegende Persönlichkeitseigenschaft sei . Dagegen gehen SALOVEY und MAYER (2000) davon aus, dass die emotionale Intelligenz eine wesentliche Voraussetzung für die optimale Funktionsfähigkeit der Persönlichkeit darstellt . Diese Arbeit wurde im Fachbereich der Heilpädagogischen Psychologie geschrieben. Dennoch wurde es als wichtig erachtet, 'über den Tellerrand hinaus zu schauen' und diese Arbeit interdisziplinär zu reflektieren. In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts erleben wir ein noch nie da gewesenes Interesse am Wohlergehen der Kinder. Eltern erkennen, dass ihre täglichen Interaktionen einen tiefen Einfluss auf das Leben ihrer Kinder haben. Das hängt u.a. damit zusammen, dass offenbar jede Kindergartengeneration klüger wird. Mit der derzeitigen Menge an Informationen war bis heute noch keine Generation konfrontiert. Welche Auswirkungen dieser Informations-, Medien- und Reizüberfluss haben wird, wird abzuwarten sein. Es ist zu beobachten, dass parallel zu dieser Entwicklung, die emotionalen und sozialen Fähigkeiten der Kinder stark abnehmen (vgl. GOLEMAN 1997). Vielen Sozialwissenschaftlern zu Folge, sind die Probleme heutiger Kinder auf die komplexen Veränderungen der Sozialstruktur zurückzuführen, die sich in den letzten vierzig Jahren entwickelt haben. Hierzu gehören gestiegene Scheidungs- und Trennungsraten, der extreme Negativeinfluss des Fernsehens und anderer Medien, die geringe Zeit, die Eltern mit ihren Kindern verbringen, u.v.m.. Akzeptiert man für einen Augenblick, dass die gesellschaftlichen Veränderungen unvermeidlich sind (zumindest zum größten Teil), stellt sich die Frage, wie man Kinder zu gesunden, glücklichen und zufriedenen Menschen erziehen kann (vgl. ebd. S. 25f). Die vorliegende Arbeit möchte einen Beitrag dazu leisten. Die Arbeit gliedert sich in zwei Hauptteile: Teil 1 beinhaltet einen theoretischen Abriss der emotionalen Intelligenz. In Teil 2 wird das komplette Trainingsprogramm zur Entwicklung und Förderung von emotionaler Intelligenz bei Kindern im Vorschulalter dargestellt.

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Leseprobe

3.  Entwicklungspsychologische Aspekte der emotionalen Intelligenz


 

In diesem Kapitel geht es um entwicklungspsychologische Aspekte, die zur Entwicklung von emotionaler Intelligenz Voraussetzung sind. Auf entwicklungspsychologische Themen wie Sozialisation, Erziehungsstile, Geschlechteridentität, moralische Entwicklung, psychosexuelle bzw. psychosoziale Entwicklung u.a. kann im begrenzten Rahmen dieser Arbeit nicht thematisiert werden.

 

Das Neugeborene ist von Geburt an bereit, die meisten grundlegenden Wahrnehmungen zu erfahren. Dazu gehören Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken und Riechen. Außerdem vermag es Schmerz, Berührung und Veränderungen der körperlichen Lage zu empfinden. Allerdings ist die Empfindlichkeit dieser Wahrnehmungsformen noch nicht voll ausgereift – z.B. ist die Netzhaut bei Neugeborenen noch nicht voll funktionsfähig – aber festzuhalten ist, dass das Kind auf Informationen aus all diesen Sinnesbereichen reagiert. Das Kind erwirbt also vom ersten Tag an Vorstellungen von der Welt ( vgl. KAGAN 1987a, S. 56ff).

 

Bei der Entwicklung eines Kindes spielen konstitutionelle Faktoren eine große Rolle. Dazu gehören physische und psychische Eigenschaften, wie Körperbau, Temperament oder auch die Prädisposition für bestimmte körperliche und psychische Krankheiten. Es wird angenommen (ZIMBARDO 1995), dass diese Eigenschaften zum größten Teil erblich bedingt sind, und während eines Menschenlebens konstant bleiben. Es wird aber deutlich darauf hingewiesen, dass Erbe und Umwelt in ständiger Interaktion miteinander stehen (Interaktionismus). In ihrem Einfluss auf die Entwicklung können sie sich gegenseitig sowohl fördern als auch beschränken. Das Erbe legt die obere Grenze der Entwicklung fest; Erfahrung und Übung bestimmen, wie nah jemand an diese Grenze herankommt (vgl. ZIMBARDO 1995, S. 65).

 

Auch bei der emotionalen Entwicklung wird davon ausgegangen, dass sowohl angeborene als auch erlernte Faktoren eine Rolle spielen. Die emotionale Entwicklung des Kindes scheint zusammen mit den Fähigkeiten zu denken und sich der Sprache zu bedienen, einem genetisch festgelegten Zeitplan (Erbe) zu folgen, eine angemessene Stimulation vorausgesetzt (Umwelt) (vgl. ZIMBARDO 1995, S. 444).

 

Einer entwicklungsorientierten Begründung der Emotionen IZARDS (1982) zufolge, ist ein Säugling bei der Geburt lediglich fähig, einen allgemeinen positiven oder einen allgemeinen negativen Gefühlszustand und die Emotionen des Interesses und der Trauer zu erleben. Einige Monate später kommen Freude und Wut dazu. Wenn der Säugling etwa neun Monate alt ist, entwickeln sich Scham und Angst (vgl. ebd.).

 

Kinder gewinnen ein Verständnis dafür, was in anderen Menschen vorgeht, in erster Linie über Mimik und Stimme desjenigen, bei dem die Emotionen auftreten. Nach DARWIN (1872) verfügen Menschen über ein universelles, angeborenes Repertoire an unterscheidbaren Gesichtsausdrücken, deren Bedeutung Säuglinge angeborenerweise erkennen können. In verschiedenen Untersuchungen (EKMAN, u.a.) fand Darwins These beträchtliche Unterstützung.[38] Ab dem zehnten Monat reagieren Säuglinge angemessen und nicht mehr nur imitativ auf verschiedene Gesichtsausdrücke ihrer Bezugspersonen (vgl. HARRIS 1992, S. 32f).

 

Die soziale Entwicklung beginnt damit, dass zwischen dem Kind und der Mutter, oder einer anderen Bezugsperson eine enge emotionale Beziehung aufgebaut wird. Diese starke, stabile Beziehung wird als Bindung (attachment) bezeichnet. Nach der Bindungstheorie von JOHN BOWLBY ist die frühe Beziehung des Kindes zu seiner Mutter, bzw. Bezugsperson eine notwendige Voraussetzung für seine späteren sozialen Beziehungen (vgl. ZIMBARDO 1995, S. 81f).

 

Gegen Ende ihres ersten Lebensjahres suchen Kleinkinder, wenn sie sich in einem Kontext der Unsicherheit befinden, eine emotionale Information, die der Gesichtsausdruck der Bezugsperson liefert. Dies wird vom Kind als nützliches Signal zur Steuerung seines Annäherungs- und Vermeidungsverhaltens verwendet. Dieses Phänomen ist unter der Bezeichnung „soziale Verweisung“ oder „soziale Bezugnahme“ (social referencing) bekannt geworden (vgl. ZIMBARDO 1995, S. 452; HARRIS 1992, S. 27).[39]

 

Im zweiten und dritten Lebensjahr trösten und verletzen Kinder aktiv andere Menschen. Sie reagieren nicht mehr bloß auf bestehende Stimmungen anderer Personen, sondern sind sich zunehmend der Möglichkeit bewusst, selbst auf die Gefühle ihrer Mitmenschen Einfluss zu nehmen; d.h. die Emotionen einer anderen Person sind nicht mehr nur Regulativ des eigenen Explorationsverhaltens, sondern werden selbst zum Ziel der Bemühungen (vgl. HARRIS 1992, S. 54f).

 

Mit ca. vier Jahren beginnen Kinder Einsicht in die Bedingungen zu entwickeln, unter denen Stolz, Scham und Schuld[40] erlebt werden. Das Verständnis ihrer Gefühlswelt macht eine entscheidende Wandlung durch: Sie hören auf, Menschen in erster Linie als Handelnde zu sehen, die ihre Wünsche befriedigt haben möchten. Statt dessen betrachten sie sie als soziale Wesen, deren Handlungen von anderen oder von ihnen selbst bewertet werden. Zu erklären ist diese Veränderung mit der Tatsache, dass Kinder zunehmend wahrnehmen, dass die Stimmung einer Person dem Einfluss der Reaktionen anderer unterliegt (vgl. ebd., S. 108f).

 

Das Situationen nicht nur elementare Emotionen wie Freude oder Wut auslösen können, sondern auch ambivalente Gefühle – wenn einem eine Gelegenheit durch die Finger rinnt, ist man manchmal gleichzeitig enttäuscht und etwas erleichtert – kann schon bei Einjährigen beobachtet werden. Dass sie ambivalente Gefühle haben, wird Kindern dagegen nur selten vor dem siebten oder achten Lebensjahr bewusst (vgl. ebd., S. 111).

 

Es ist nach KAGAN (1987 a) anzunehmen, dass manche Kinder von Geburt an eine starke Neigung zu gewissen Stimmungen und zu einem bestimmten Stil haben, auf Menschen zu reagieren. Es ist die Rede von Temperamentseigenschaften. KAGAN betont, dass alle derartigen Temperamentseigenschaften durch Erfahrung verändert werden können (vgl. KAGAN 1987 a, S. 99).

 

Nach GARDNER ist davon auszugehen, dass alle durchschnittlich entwickelten Kinder vom ersten Tag an eine Palette von Gefühlen erfahren (vgl. GARDNER 1991, S. 224), wobei davon auszugehen ist, dass die Gefühlserfahrung des Babys sogar schon im Mutterleib beginnt (Übertragung von Gefühlen von der Mutter auf das Kind). Bei Beobachtungen von Kindern in dieser und anderen Kulturen konnte anhand von Vergleichen ihres Minenspiels festgestellt werden, dass universal „gültige“ Sets von Gesichtsausdrücken existieren.[41].

 

„Die nächstliegende Folgerung daraus laute, dass mit dieser Mimik körperliche (und Gehirn-) Zustände verbunden sind, in denen die Kinder eine Reihe von Stadien der Erregung, Lust oder des Schmerzes erfahren. Natürlich werden diese Stadien anfangs nicht interpretiert: das Kind hat [noch] keine Möglichkeit, Beschaffenheit und Ursachen seiner Gefühle zu benennen“ (ebd.).

 

Diese Vielfalt der körperlichen Zustände, die das Kind erfährt, dient dazu das Kind in den Bereich des intrapersonalen Wissens einzuführen.[42]

 

Die Fähigkeit des Kindes, zwischen verschiedenen affektiven Mienen zu unterscheiden, drückt sich schon im Alter von zehn Monaten, in Form bestimmter Hirnwellenmuster, aus. Damit verbunden sind erste Anzeichen von Empathie[43] (ebd. S. 225)

 

„Das Baby weint, wenn es das Weinen eines anderen Kindes hört oder sieht, dass jemand Schmerzen hat. Es weiß vermutlich noch nicht, was der andere spürt, aber es scheint ein Empfinden dafür zu besitzen, dass in der Welt der anderen Person etwas nicht in Ordnung ist (ebd.).

 

GOLEMAN (1997), PINES (1979), HARRIS (1992), ZIMBARDO (1995) schließen sich der Feststellung an, dass die Wurzeln der Empathie bis ins Kleinkindalter, bzw. Säuglingsalter zurückzuverfolgen sind. Kleinkinder empfinden Mitgefühl mit anderen, bevor sie richtig erfasst haben, dass sie eigenständig existieren. Schon wenige Monate nach der Geburt ist zu beobachten, dass Kinder auf Aufregungen anderer reagieren, als wären sie selbst betroffen und weinen, wenn sie bei einem anderen Kind Tränen sehen. Mit etwa einem Jahr beginnen sie zu begreifen, dass der Kummer nicht ihr eigener ist.

 

Im Alter von zwölf bis vierundzwanzig Monaten beginnt bei den meisten Kindern das Einsetzen des Phantasiespiels („Als-ob“-Spiele). Dadurch ist das Kind befähigt, sich in bestimmte Lagen, Situationen und Personen hineinzuversetzen (vgl. HARRIS 1992, S. 63ff).

 

Im Laufe der Entwicklung (etwa ab zweieinhalb Jahren) beginnt die Sensibilität der Kinder für die emotionale Erregung anderer zu divergieren; einige nehmen sie deutlich wahr, andere schalten ab. Dieser Unterschied der empathischen Anteilnahme hängt stark damit zusammen, wie Eltern ihre Kinder erziehen (vgl. GOLEMAN 1997, S. 129ff).

 

„Kinder [...] entwickelten mehr Empathie, wenn ihre Eltern sie dazu...

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