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E-Book

Das Schwarzbuch der bayerischen Polizei

Innsbruck 1809

VerlagHaymon
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl216 Seiten
ISBN9783709977231
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Im November 1809 verfasst die bayerische Polizei ein Schwarzbuch, in dem sie die wichtigsten Haupt- und Nebenfiguren des Tiroler Aufstandes in kurzen Charakterporträts vorstellt: 'Character-Züge von den vorzüglichsten Männern, die während der Insurrektion in Innsbruck gehandelt haben'. Das Schwarzbuch eröffnet ebenso bemerkenswerte wie irritierende Einblicke, wie die Tiroler Aufständischen durch die bayerische Polizei beurteilt wurden. So scheinen etwa Andreas Hofer und andere Leitgestalten des Volksaufstandes wie Pater Haspinger nicht an den vordersten Stellen des Schwarzbuches auf, Josef Speckbacher wird überhaupt nicht erwähnt. Die Hauptfeinde sahen die Bayern offenbar nicht in den heutigen Helden des Aufstandes von 1809, sondern in den offiziellen Vertretern der österreichischen Monarchie - Offizieren und Beamten - sowie in den Vertretern der Kirche. Diese erste, mit einem ausführlichen biografischen Kommentar erweiterte Edition des Schwarzbuches bildet so eine überraschende und aufschlussreiche Ergänzung der Auseinandersetzung mit den Ereignissen des Jahres 1809 aus einem authentischen Blickwinkel.

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Leseprobe

2.


Der Aufstand aus bayerischer Sicht: Innsbruck und Tirol im Frühjahr 1809


Am 20. Oktober 1809 schrieb der ehemalige Generalkommissär des Innkreises, Maximilian Graf von Lodron25, seinen langen Bericht „Ueber den Aufruhr in Tirol im April 1809“ an seinen König Maximilian I. Josef von Bayern, der auch von Kreiskanzlei-Direktor Arnold von Mieg26 und Kreisrat Christof Jakob von Heffels27 unterschrieben war. Der folgende Abschnitt ist eine Zusammenfassung dieses Berichts, der im März 1809 beginnt und Ende April endet, und die Lage aus Sicht des höchsten bayerischen Beamten im heutigen Nordtirol und im Vinschgau darstellt.

Ehe noch der bayerische Kreiskanzlei-Direktor Arnold v. Mieg mit der königlichen Entschließung in Innsbruck eintraf, hatten sich schon die unangenehmen Vorfälle in Axams und im Tal von Navis im Landgerichte Innsbruck ereignet. Das waren die ersten Versuche des Volkes, sich den königlichen Truppen bewaffnet zu widersetzen und es zeigte sich, dass der Geist der Meuterei und des Widerstandes bereits in den beiden Landgerichten Innsbruck und Telfs Wurzel gefasst hatte, dass es den Empörern leicht war, sich in abgelegenen Tälern zu jeder sträflichen Unternehmung zu versammeln, sich danach über unwegsame Gebirgsrücken wieder zu zerstreuen und dadurch der verdienten Strafe zu entgehen. Weiters zeigte sich, dass bei den außerordentlichen Vorteilen, welche die Empörer aus der topographischen Beschaffenheit des Landes und der genauen Kenntnis der Lokalitäten zogen, das wenige im Kreise befindliche königliche Militär einer größeren aufrührerischen Macht nur mit äußerster Mühe würde widerstehen können. Überhaupt ließen diese Vorgänge bei der bayerischen Obrigkeit einen höchst gefährlichen Eindruck zurück.

Nach den sträflichen Auftritten in Axams und im Naviser-Tale war im Geiste der Einwohner der Stadt und der Gegend um Innsbruck eine auffallende Veränderung zu bemerken. Hatte sich bis dahin die Abneigung gegen die Regierung nur in engeren vertrauteren Kreisen zu äußern gewagt, so brach sie nun in laute Schmähungen aus. Die höheren Stände gingen dem Volke mit ihrem Beispiele voran. Es vereinigten sich die unterschiedlichsten Äußerungen über die nahe Befreiung durch die österreichischen Truppen sowie prahlerische Schilderungen von den unwiderstehlichen Rüstungen des österreichischen Hofes, die von Mund zu Mund gingen. Die mit allerhöchster Erlaubnis des bayerischen Königs auf Urlaub im Lande anwesenden österreichischen Offiziere trugen ihr Möglichstes zur Verbreitung dieser Gerüchte bei. Männer aus der Klasse der ersten Staatsbeamten hatten kein Bedenken, die anstößigsten Briefe, die sie in gleichem Sinne von ihren Verwandten in Österreich erhielten, allenthalben zirkulieren zu lassen oder diese in ihren Häusern versammelten Zirkeln vorzulesen. Es geschahen Wetten über die Zeit des Einmarsches der österreichischen Truppen. Nur dem königlichen Generalkommissariate, der Polizeidirektion und einigen als treue Untertanen des Königs vom Publikum angesehenen Altbayern wurden alle diese Nachrichten auf das sorgfältigste verborgen.

Das Generalkommissariat war durch eine verlässliche Privatkorrespondenz benachrichtigt, wie Lodron schrieb, dass

„der berüchtigte B. Hormayr zum österreichischen Hofkommissär in Tirol bestimmt, und bereits von Wien zur Armee abgegangen war. Die der Konskription entflohenen jungen Purschen hatten überall laut angekündigt, daß sie in wenigen Wochen vom Kaiser Franz28 und dem Erzherzog Johann29 angeführt, in ihre Heimath zurückkehren, und die Baiern verjagen würden: – ‚Die baierische Herrschaft wird nicht lange mehr dauern‘ – ‚Es wird bald ein anderer Wind im Lande wehen‘ – ‚nächstens wird ein großer Schlag von Außen geschlagen‘ – u.s.w. waren Aeußerungen, die in den letzten Tagen des März und im Anfang April sehr häufig – und meistens von öffentlichen Beamten oder andern angesehenen Personen geschahen – Das gemeine Volk sang Gaßenlieder, in welchen ‚schwarz und gelb, und gelb und schwarz‘ – und ‚das schwarzgelbe Farberl‘ als Refrain vorkamen.“

Das königliche Generalkommissariat sah sich durch alle diese Umstände nicht nur zur äußersten Aufmerksamkeit auf alle militärische Bewegungen und Rüstungen an der Grenze verpflichtet, sondern es versuchte auch dem Faden der Konspiration im Inland und den Wegen nachzuspüren, durch welche die verräterischen Verbindungen mit dem Feinde unterhalten wurden. Zu diesem Zwecke setzte es sich nicht nur mit den königlichen Generalkommissariaten der übrigen südlichen und östlichen Kreise, wo es übrigens mit Ausnahme des durch militärische Gewalt verdrängten Aufstandes in Fleims nirgends zu Tätlichkeiten gekommen war, in Verbindung und bot alles auf, um die ihm untergeordneten Landgerichte und sonstigen Polizei- und Grenzbehörden zur tätigsten Wachsamkeit anzuspornen.

Nach den Erfahrungen, die das königliche Generalkommissariat erst nach dem allgemeinen Ausbruche der Empörung gemacht hat, scheint der Haupt-Impuls zur Revolutionierung des Innkreises vom Vinschgau und Oberinntal ausgegangen zu sein. Leider besaß die Regierung gerade in diesem in mancher Hinsicht wichtigen und gefährlichen Teil des Landes nicht einen einzigen verlässlichen Beamten.

Der Kreiskanzlei-Direktor Arnold v. Mieg nahm bei seiner Rückreise aus München in der zweiten Hälfte des März absichtlich den Weg über Kufstein, um sich mit den königlichen Landrichtern des Unterinntals über die Stimmung der Untertanen ausführlicher zu besprechen. Alle stimmten darin über ein, dass die Kreisbewohner bereit wären, eine in das Land vordringende österreichische Armee mit bewaffneter Hand zu unterstützen. Doch glaubten diese Landrichter damals noch nicht, dass die Empörung der Bevölkerung sogar einer österreichischen Okkupation zuvorkommen würde.

Die königliche Verordnung bezüglich der Aufbewahrung der Waffen des Bürgermilitärs wurde im ganzen Kreise mit großem Unmut aufgenommen. In Innsbruck schrie man laut, dies sei der erste Schritt zur Entwaffnung der Nation, welche die Regierung beabsichtige, und es kostete Mühe, einem unangenehmen Auftritte vorzubeugen.

In dieser Lage befand sich der Innkreis, als man erstmals von ernstlichen Bewegungen österreichischer Truppen an den Grenzen und von Anstalten zum Empfange einer ansehnlichen Truppenzahl zuverlässigere Nachricht erhielt. Generalkommissär Lodron:

„Der glühende Zunder des Aufruhrs lag durch das ganze Land verbreitet: es bedurfte nur des leichtesten Hauches, um ihn zur alles verzehrenden Flamme anzufachen. Das Generalkommissariat verbarg Eurer Königlichen Majestät das schmerzliche Gefühl über die traurige Lähmung nicht, in der es sich aus Mangel einer exekutiven Macht befand. Alle Mittel, welche zu Verhütung der befürchteten Krise in seiner Macht standen, wurden einverständlich mit den Generalkommissariaten des Eisack- und Etsch-Kreises ergriffen, und standhaft angewandt. Allein das Kräftigste – eine hinlängliche Truppenzahl – war nicht vorhanden, und bloße Ermahnungen vermochten auf das schon aufgewiegelte Volk um so weniger wirken, da ihm wohl bekannt war, daß den Befehlen der nötige Nachdruck nicht gegeben werden konnte. So war das Generalkommissariat bei den gefährlichsten und schändlichsten Auftritten in die Kategorie eines bloßen Beobachters herabgesetzt, und musste ruhig zusehen, wie der Übermut der Übelgesinnten täglich stieg, die Verbrechen sich häuften, das Ansehen der Gesetze verschwand, und die fürchterlichste Anarchie mit Riesenschritten herannahte.“

Das königliche Generalkommando in Innsbruck stellte unter dem 31. März 1809 das Ansinnen, dass – um dem Volke die Mittel zum bewaffneten Aufstande zu entziehen –, die Pulverstampfen in allen im Kreise befindlichen Pulvermühlen ausgehoben und in gerichtliche Verwahrung gebracht werden mögen. Das Generalkommissariat durfte es jedoch – so gerne es dem Wunsche des Generalkommandos entsprochen hätte – bei der bereits so hoch gestiegenen Gärung unmöglich wagen, eine Maßregel durch bloße Zivilgewalt vollbringen zu lassen. Es konnte die Verantwortung bezüglich der möglichen Folgen umso weniger auf sich nehmen, als einem bei der Ausführung entstandenem Aufstande die nötige Militärgewalt schwerlich hätte entgegen gesetzt werden können. Es musste demnach der Wunsch des königlichen Generalkommandos wenigstens im Innkreise unerfüllt bleiben: Dagegen vereinigte sich das Generalkommissariat mit der Militärbehörde, um aufs dringendste eine entsprechende Vermehrung der Truppenzahl zu erbitten. Erfolgte...

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