Die Ermittlung von Lerntypen oder Lernstilen ist elementar wichtig, wenn diese Theorien in der Praxis der Personalentwicklung, also im Rahmen von Einzelmaßnahmen der beruflichen Aus- und Weiterbildung, eingesetzt werden sollen. Werden Lerntypentheorien im Rahmen von Personalentwicklungsmaßnahmen eingesetzt, so ist es nötig diese Lerntypen im Vorfeld zu bestimmen. Diese Bestimmung kann in eine Zielgruppen- oder Adressatenanalyse mit einbezogen werden oder sogar im Rahmen eines Assessement Centers mit abgegolten werden. Grundsätzlich bietet es sich an, eine Lerntypenanalyse in die Einführungsphase einer Maßnahme zu integrieren. Bei bereits bekannten Lerntypen kann dies sinnvoll sein, da sich die Präferenzen bzw. Stärken in einer Modalität verschieben können. Somit wird eine Berücksichtigung des jeweiligen vorherrschenden Stärke / Präferenz gewährleistet. Um jedoch keine wichtige Ausbildungszeit zu verlieren, sollten die Teilnehmer diese Analyse selbstständig durchführen und sich somit immer selbstständig einschätzen können. Hat ein Teilnehmer seinen Lerntyp ermittelt und sich im weiteren damit auseinander gesetzt, kann eine weitere Bestimmung oder Selbsteinschätzung seiner Stärken und Präferenzen auch ohne einen Fragebogen ablaufen, da er selbsttätig versteht wann und wie er seine Stärken einsetzt.
Folgend werden drei Fragebögen vorgestellt die zur Ermittlung von Lerntypen und Lernstrategien eine gute Hilfestellung bieten. Alle Fragebögen wurden im Rahmen einer eigenständig durchgeführten Befragung an der Fachhochschule Darmstadt mit 55 Studenten im März 2005 eingesetzt um die Einsatzmöglichkeiten im Hinblick auf die Praxis der Personalentwicklung besser beurteilen zu können. Daher folgt auf die Darstellung der Fragebögen, entsprechend der von den Autoren veröffentlichten Informationen, ein Vergleich zwischen den Ergebnissen der Autoren und der eigenen Befragung. (vgl. Kap. 3.2.)
Die Auswahl welche Fragebögen zur Betrachtung herangezogen werden, geschah durch eingehende Recherche der einschlägigen Literatur sowie von vorhandenen Tools und Anwendungen im World Wide Web, sowohl im deutsch- als auch im englischsprachigem Raum. Ein selbst erstellter Fragebogen hätte einen noch weiteren theoretischen Bogen gespannt, so dass darauf verzichtet wurde. Zudem stammen alle Fragebögen von renommierten Wissenschaftlern der Pädagogik und der Psychologie und werden von den Autoren regelmäßig weiterentwickelt.
Da alle folgenden Fragbögen im World Wide Web hinterlegt, sind weisen sie alle eine hohe Grundgesamtheit an Befragten auf. Aussagen über Reliabilität, Validität der Fragebögen können nur zum Teil getroffen werden. Im Rahmen dieser Arbeit soll diese Betrachtung keinen allzu großen Stellenwert einnehmen, da es hier mehr um die Praktikabilität und den zu erwarteten Nutzen beim Einsatz des Instrumentes in der betrieblichen Praxis geht.
Der VARK Fragebogen wurde erstmals im Jahre 1987 von Neil D. Fleming und Charles C. Bonwell im Rahmen Ihrer Forschung im Bereich der Lehrer Aus- und Fortbildung an der Lincoln Universität Neuseeland und Southeast Missouri State University entwickelt und eingesetzt. Die derzeitige Version wurde zuletzt im Jahr 2001 überarbeit und ist seit 2002 per Copyright geschützt. Das Akronym VARK steht für die vier Lerntypen Visuell (Visual V), Auditiv (Aural A), Lese/Schreib (Read/Write R) und Kinästhetisch (Kinesthetic K).
Der Fragebogen an sich besteht aus 13 Fragen, die durch multiple Antwortvorgaben beantwortet werden. Jede Frage stellt eine Entscheidungssituation dar, wobei die Antwortmöglichkeiten die entsprechenden Handlungsalternativen bieten. Die Antwortvorgaben wurden so entwickelt, dass diejenigen welche eine Präferenz für den einen oder anderen Modus haben, auch immer diesen auswählen, selbst wenn die dargestellte Fragesituation einen bestimmten Modus bevorzugen könnte. (vgl. Fleming 2005 [a]) Jede Antwortvorgabe steht für einen Modus, wobei die Reihenfolge der abgeprüften Modi sich Frageweise ändert. Im konkreten Beispiel heißt das, dass die Antwortvorgaben in der ersten Frage V A R K, also erste Antwortmöglichkeit V, zweite Antwortmöglichkeit A usw., und die der zweiten Frage in der Reihenfolge R V A K angeordnet sind. Von den 13 Fragen haben vier Fragen nur drei Antwortmöglichkeiten, wobei abwechselnd ein Modus nicht als Antwortmöglichkeit vorliegt. (vgl. Anhang A1 und Fleming 2001 [d] sowie [e]) Dabei besteht die Möglichkeit, dass sowohl eine, zwei, drei oder alle Antwortvorgaben auszuwählen. Es können auch einzelne Fragen ausgelassen werden, wobei dies nicht von besonderem Nutzen für den Befragten ist, weil er damit sein Ergebnis verfälscht und sich die Möglichkeit nimmt seinen Lerntyp für sich zu bestimmen.
Die Auswertung erfolgt online durch Javaskript Funktionalitäten und kann aber auch durch ein, auf Anfrage, vom Autor bereitgestelltes Excel Formular realisiert werden. Das mathematische Verfahren weist die Präferenzen – damit den Lerntyp – des Befragten aus, wobei es auch möglich ist eine Kombination der einzelnen Modi zu erhalten. Diese Kombinationen aus zwei, drei oder allen vier Modi werden dann als Multimodal bezeichnet. Des Weiteren kann mit dem Verfahren bestimmt werden wie stark die Ausprägung der Präferenz ist.
Hierzu ein Original Beispiel:
Maria's total number of responses (13) is in the row named less than 17 and the difference between her highest score (V=10) and her next highest (R=2) is 8. She has a Very Strong Visual preference (V).
Adam is multimodal (VAK) with his strongest choice (V) being little different from his others (A and K).
Vila is multimodal (V and R) and
Peter has a Mild preference for Read/Write (Fleming 2001 [f])
Die genaue Berechnungsmethode findet sich bei Fleming (2005 [g]) und kann vom interessierten Leser dort eingesehen werden.
Statistische Daten zum Fragebogen hat der Autor im Januar 2005 veröffentlicht. (vgl. Fleming 2005 [a]) Die wichtigsten Punkte seiner Betrachtung sind:
Die Entwicklung des Fragebogens setzte Multimodalität bei dem Großteil aller Befragten voraus, da eine starke Spezialisierung / Präferenz von nur einem Modus für unwahrscheinlich gehalten wurde. Daher bestimmen die Auswertungsalgorithmen vornehmlich Kombinate der häufigsten Nennungen. Interessant sind die so ermittelten jeweiligen Präferenzen, da sie die Unterschiede in den Personen aufzeigen.
Wenn die Datenbasis zeigt, dass die Antworten gleichmäßig über alle Möglichkeiten verteilt sind, wird die Mehrheit das Ergebnis Multimodal – VARK erhalten. Es ist allerdings wesentlich wahrscheinlicher, dass zwei oder drei Antwortvorgaben am attraktivsten sind und diese dann auch vom Befragten angekreuzt werden.
Eine Betrachtung der Datenbasis der Monate Juni bis September 2002 mit 31243 Befragten zeigte folgende Verteilung zwischen den einzelnen Fragen, wobei Mehrfachnennungen in den Fragen möglich sind.
Abb. 09: Antwortverteilung im VARK Fragebogen (Fleming 2005 [a])
Aus gleicher Datenbasis stammt folgende Darstellung zur Häufigkeit der Mehrfachnennungen.
Abb. 10: Häufigkeit der Mehrfachnennungen im VARK Fragebogen (Fleming 2005 [a]) N.A. = not applicable
Es zeigt sich dass über zwei Drittel der Befragten nur eine Antwortvorgabe ausgewählt haben und nahezu 95 % der Befragten eine oder zwei Antwortvorgaben ausgewählt haben. Nicht alle Befragten haben die Möglichkeit der Mehrfachnennung ausgeschöpft. Es wurden nur die jeweils am besten geeigneten Alternativen von den Befragten gewählt. Diese Alternativen entsprechen ihrer Präferenz der Lösung der vorgegebenen Situation. Damit bestätigt sich die Annahme, dass die Befragten immer die für sich am meisten zutreffenden Antworten ausgewählt haben.
Eine Verteilung der Präferenzen, Multimodal oder Einzelausprägungen zeigt sich in folgender Tabelle (n=31243).
Abb. 11: Verteilung der Präferenzen (1) im VARK Fragebogen (Fleming 2005 [a])
Hieraus lässt sich ablesen, dass die Modi R und K bevorzugt gewählt wurden. Es stellt sich allerdings die Frage ob dieser Fakt an der Gestaltung des Fragebogens oder der tatsächlichen Häufigkeit dieser Typen in der Befragtengruppe liegt. Da es nicht Anspruch des Fragebogens ist, eine solche Verteilung über die Bevölkerung zu entwickeln, können an dieser Stelle keine Aussagen dazu gemacht werden. Absicht und Stärke des Fragebogens ist der situative Frageansatz, wobei die Befragten sich selbst in den Antwortvorgaben wieder finden und nicht die Darstellung der Verteilung von Lerntypen in der Bevölkerung. (vgl. Fleming 2005 [a])
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