Eine Modernisierung der traditionellen Entgeltsysteme ist durch die Auswirkungen der sich wandelnden Arbeits- und Aufgabenstrukturen und der sich dadurch verändernden Organisationsgefüge unumgänglich geworden.[75]
Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts zeichnete sich das Ende des Taylorismus bereits immer deutlicher ab. Die Unternehmen begannen das Human Kapital gezielter einzusetzen, da sie merkten, dass ein nur „restriktiver Zugriff auf das menschliche Arbeitsvermögen wichtige Produktivitätspotentiale verschenkt“[76].[77]
Die klassische tayloristische Produktionsweise wurde zunehmend abgelöst von neuen Produktionsweisen und Managementstrategien wie zum Beispiel dem Lean Management.[78]
Unter Lean Management (Schlankes Management) versteht man verschiedene Ansatzpunkte, die die betrieblichen Strukturen verschlanken und die Prozesse beschleunigen sollen. Dazu gehören
der Abbau von Hierarchiestufen,
die Verschlankung der Verwaltung,
kurze Informations- und Kommunikationswege,
Teamarbeit,
die Optimierung von Arbeitsabläufen,
ständige (Qualitäts-)Verbesserungen durch einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess und betriebliches Vorschlagswesen,
mehr Eigenverantwortung für die einzelnen Mitarbeiter, so dass diese ihre Arbeit selbst strukturieren können,
sowie die Optimierung der Wertschöpfungsketten, zum Beispiel durch eine enge und strategische Zusammenarbeit mit Lieferanten (Just-in-Time-Konzept).[79]
Als typische Kennzeichen des Taylorismus dagegen gelten Fließbandarbeit und Massenproduktion, die nur durch eine starke Arbeitsteilung erfolgreich werden konnten. Diese wiederum ist geprägt von einer hohen Arbeitsintensität, einer monotonen Arbeit, die den Mitarbeitern kein eigenständiges Denken und Handeln erlaubt, sowie einem autoritären Führungsstil.[80]
Heutzutage bedeutet Führung jedoch immer weniger, seinen Mitarbeitern detaillierte Arbeitsanweisungen zu geben und deren Einhaltung streng zu kontrollieren, als vielmehr die Teams bei der Erledigung der immer komplexer werdenden Aufgaben zu unterstützen – also „Coaching statt Führung“[81]. Außerdem steht nicht mehr die Optimierung von einzelnen Arbeitsschritten im Mittelpunkt von Rationalisierungsmaßnahmen wie es noch im Taylorismus der Fall war, sondern vielmehr die Optimierung von Projektabläufen und Prozessen.[82]
Bis Anfang der neunziger Jahre war die Leistungsentlohnung in Deutschland wenig verbreitet und genoss auch keinen hohen Stellenwert. Dann wurde jedoch mehr und mehr erkannt, „dass die Entgeltsysteme in eine Krise geraten sind, die nur durch einen raschen und tiefgreifenden Anpassungs- bzw. Modernisierungsprozess behoben werden kann“[83].[84]
Durch den vermehrten Abbau betrieblicher Hierarchien, gibt es für die Mitarbeiter oft kaum mehr Aufstiegsmöglichkeiten und damit verbunden auch keine große Chance auf Verdienstzuwächse. Außerdem werden ihre Aufgaben sowohl quantitativ als auch qualitativ immer anspruchsvoller und komplexer. Dies in Kombination führt vielfach zu einem Motivationsverlust. Um diesen wieder auszugleichen, gilt es, Maßnahmen zu ergreifen, um Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern zu verhindern.[85]
Eine Möglichkeit, die Mitarbeiter auch ohne Höhergruppierung adäquat zu entlohnen, bieten Entgeltsysteme, die zielorientiert sind und Leistung entsprechend des Zielerreichungsgrades honorieren – also eine variable, monetäre Vergütungskomponente enthalten. Sie stellen einen unmittelbaren Bezug zwischen quantitativer und qualitativer Leistungserbringung und Zielerreichung und einer entsprechenden Entlohnung her.[86]
Der zunehmenden Kunden- und Marktorientierung der heutigen Zeit kann dadurch Rechnung getragen werden, dass Teile des variablen Arbeitsentgeltes „unmittelbar an den Erfolg oder Misserfolg“[87] auf dem relevanten Markt gekoppelt werden, sie also erfolgsabhängig ausgezahlt werden.[88]
In der Praxis fehlt „der ‚Führung durch Ziele’ .. [jedoch bisher oft] der Schritt der Vergütung durch ‚Zielerreichung’“[89], da tarifliche Festschreibungen vielfach die Einführung variabler Vergütungsbestandteile erschweren oder verhindern und keine oder zumindest nicht genügend Rücksicht auf unternehmensspezifische Belange nehmen.[90] Dies liegt vor allem daran, dass die Tarifverträge in den fünfziger und sechziger Jahren entstanden sind und damit aus der Hochphase des Taylorismus stammen. Deswegen gilt es, leistungs- und produktivitätshemmende Regelungen aus den Tarifverträgen zu entfernen und dadurch die Entlohnung zu flexibilisieren, wie es im TVöD bereits geschehen ist.[91]
Die wachsende Bedeutung und Verbreitung von Zielvereinbarungen in der deutschen Wirtschaft lässt sich zum einen durch die „scheinbare Einfachheit der Durchführung von Zielvereinbarungen“[92] erklären und zum anderen dadurch, dass letztlich kaum ein Konzept der variablen Vergütung ohne Zielvereinbarungen auskommt. Denn Soll-Ist-Abweichungen können nur gemessen und beurteilt werden, wenn zuvor die angestrebte Zielgröße vereinbart beziehungsweise definiert wurde. Deswegen befassen sich die nachfolgenden Punkte mit der effizienten Ausgestaltung von erfolgs- und leistungsorientierten Vergütungssystemen auf der Basis von Zielvereinbarungen.
An Hand der leistungsorientierten Vergütung, als eine besondere Form der erfolgsorientierten Vergütung, wird im Punkt 3.2 aufgezeigt, warum Zielvereinbarungen so eine große Bedeutung für praktisch alle Formen der variablen Vergütung haben und wie der komplette Zielvereinbarungs- und Zielüberprüfungsprozess gestaltet werden sollte. Auf die Verknüpfung des Zielerreichungsgrades mit einem variablen Vergütungsanteil wird im Punkt 3.3.2 dieser Arbeit eingegangen, da dies für leistungs- und erfolgsorientierte Vergütung gleichermaßen gilt.
Bei der leistungsorientierten Vergütung wird neben den Zielen, die der Mitarbeiter in einem bestimmen Zeitraum erreichen soll, auch die Leistung, die er erbringen soll, über Zielvereinbarungen definiert. Dabei werden diese leistungsorientierten Ziele oft nicht als eine reine Output-Größe definiert, wie es bei der erfolgsorientierten Vergütung meist der Fall ist, sondern sie werden so formuliert, dass sie auch dadurch erfüllt werden können, dass eine bestimmt Leistung erbracht wird oder ein bestimmtes Verhalten an den Tag gelegt wird. Unter dem Begriff Leistung wird hier also nicht nur das Arbeitsergebnis verstanden, sondern vielmehr auch der persönliche Arbeitseinsatz als wichtige Input-Größe[93].
Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, ein Unternehmen durch Ziele zu führen: Ziele geben den Mitarbeitern einen Sinn in ihrer Arbeit, sie ermöglichen eigeninitiatives und eigenverantwortliches Handeln, lassen Fortschritte erkennen und ermöglichen motivierende Erfolgserlebnisse. Außerdem rücken Zielvereinbarungen die angestrebten Ergebnisse in den Fokus der Tätigkeiten und bündeln somit die Kräfte und Energien der Mitarbeiter - und damit die des gesamten Unternehmens - auf die Zielerreichung, wodurch eine zu große Ressourcenverschwendung vermieden wird.[94]
Im Dienstleistungsbereich ist es jedoch in der Regel nicht möglich und auch nicht sinnvoll, Leistungs- und Zielvorgaben einheitlich durch Betriebsvereinbarungen zu regeln, wie es oft in der Fertigung der Fall ist.[95] Erstens sind die Aufgabenbereiche der Mitarbeiter von Dienstleistungsunternehmen meist vielfältiger als die von Mitarbeitern im produzierenden Gewerbe, so dass sie schlecht allgemein definiert werden können, und zweitens sind Zielvorgaben fast immer ineffizienter als Zielvereinbarungen, da die Mitarbeiter sich weniger oder gar nicht mit ihnen identifizieren. Deswegen bilden individuelle Zielvereinbarungen, die vom Vorgesetzten und vom Mitarbeiter gemeinsam festgelegt werden, die grundlegende Voraussetzung für ein erfolgreiches Führen durch Ziele.
Durch Zielvereinbarungen ist sowohl das Unternehmen als Organisation als auch jeder einzelne Mitarbeiter dazu gezwungen, sich frühzeitig mit möglichen Zukunftsszenarien auseinander zu setzen. Es...