3 Ansatzpunkte einer kompetenzorientierten Laufbahnberatung (S. 33-35)
In diesem Kapitel arbeiten wir auf der Grundlage der bisherigen Überlegungen konkrete Ansatzpunkte einer kompetenzorientierten Laufbahnberatung heraus. Das Kapitel hat im Wesentlichen vier Teile: Zunächst erläutern wir den Kompetenzbegriff und unser Verständnis von Kompetenz. Danach wenden wir uns der Laufbahnberatung zu und gehen kurz auf unterschiedliche Denkrichtungen ein. Anschließend betrachten wir den Prozess der Beratung näher und beenden das Kapitel mit der Darstellung von Zielkriterien für eine kompetenzorientierte Laufbahnberatung.
3.1 Der Kompetenzbegriff
Warum Kompetenzen? In Zukunft wird vermutlich für die Mehrzahl der Erwerbsfähigen die Dynamisierung der Arbeitswelt zu wiederholten Prozessen der Um- und Neuorientierung führen.Diese Prozesse sind ein wichtiger Bestandteil der aktiven Teilhabe an Arbeit. Zunehmend wird es notwendig sein, die unterschiedlichen Stationen der beruflichen Laufbahn als Lerngelegenheiten zu nutzen, um damit die eigene Beschäftigungsfähigkeit zu steigern. Analysen der zukünftigen Anforderungen von Arbeitstätigkeiten machen deutlich, dass der Anteil von nicht routinisierbaren und immer neue Lösungen erfordernden Aufgaben steigen wird (7 vgl. Tractenberg, Streumer u. van Zolingen 2002). Die Anforderungen an die Arbeitnehmer werden sich in Zukunft sehr viel stärker in Richtung der im Folgenden aufgeführten Kriterien bewegen, als dies bisher der Fall war (7 vgl. Tractenberg et al. 2002): ,
- ,Entscheidungen treffen, Probleme lösen und eigenverantwortlicher arbeiten, ,
- , in unscharf definierten Arbeitsumgebungen arbeiten, ,
- ,kreativ denken und neue Wege suchen, ,
- einen guten Überblick über die Systeme haben, innerhalb derer man arbeitet, ,
- die eigene Arbeit, ihren Beitrag zum sie umgebenden System und ihre Bedingungen reflektieren und ein breiteres Verständnis des eigenen Tuns aufbauen, ,
- Informationen aktiv suchen, interpretieren und organisieren, ,
- aktiv in Gruppen agieren.
Wir sehen, dass diese Anforderungen Kompetenzen erfordern, die nicht durch formelle Qualifikationen abgedeckt werden. Es werden Eigenschaften von Personen relevant, die schwerer überprüfbar und zu beobachten sind als Mathematiknoten oder das Wissen um bestimmte Sachverhalte und Daten.
Lerngelegenheiten
Die Abfolge unterschiedlicher und nicht immer selbst gewählter Stationen in der eigenen beruflichen Laufbahn bietet einerseits durch den Wechsel der Erfahrungskontexte große Lernmöglichkeiten, andererseits sind sie aus der Sicht des betroffenen Einzelnen auch bedrohlich, weil sie Planungssicherheit verringern und Unsicherheit erhöhen. Darüber hinaus können die notwendigen Umorientierungen und die Anpassung an sich verändernde Bedingun- Anforderungen gen des Arbeitsmarktes zu einer ernsthaften Bedrohung für die Identität werden, wenn über der Verschiedenartigkeit der beruflichen Stationen der rote Faden einer nachvollziehbaren und sinnvollen Entwicklung verloren geht.
Aus der Erforschung von Zeitarbeitsverhältnissen wissen wir bereits heute um das gesundheitsgefährdende Potenzial einer Abfolge unterschiedlicher beruflicher Stationen ohne offensichtlichen Zusammenhang (z. B. Pietrzyk 2004). Damit sind die Gefahren einer Entwicklung der Arbeitsverhältnisse zu inhaltlich und zeitlich befristeten Projekten angedeutet. Die Lernchancen, die sich aus den unterschiedlichen Aufgaben und der Möglichkeit ergeben, sich in wechselnden Kontexten zu erleben, stehen dem als Entwicklungsmöglichkeiten gegenüber – sie ergeben sich jedoch nicht per se und benötigen aktive Unterstützung bzw. die entsprechenden Rahmenbedingungen.
Implizites Lernen
Aufbauend auf den Erkenntnissen der modernen Lernforschung wurde in den vergangenen Jahrzehnten der Wert des impliziten Lernens erkannt – also des Erlernens von Fertigkeiten und Wissen im Alltag und eben nicht in Kursen, Seminaren oder Ausbildungen. Das implizite Lernen besteht letztlich in der Aneignung von Handlungsregeln, um Aufgaben in neuen Kontexten auszuführen. Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass auf diese Weise zwischen 70% und 80% unserer beruflichen Handlungsfähigkeit entstehen (7 vgl. Laur-Ernst 1999). Kennzeichnend für diese Art des Lernens ist zudem, dass es meist nicht bewusst geschieht.