Das Eigenkapitalersatzrecht ist ein Recht zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft.[16] Gläubiger sollen vor ungebührlicher Inanspruchnahme haftungsbeschränkender Rechtsformen geschützt werden.[17] Gewähren Gesellschafter ihrer Gesellschaft in der Krise[18] ein Darlehen oder ziehen sie das Darlehen nicht ab, unterliegt dieses Darlehen einer Rückzahlungssperre bis die Krise der Gesellschaft wieder überwunden ist.[19]
Rechtsgrundlagen sind die Novellenregeln[20] §§ 32a, 32b GmbHG sowie die BGH- Rechtssprechung zu §§ 30, 31 GmbHG.[21] Diese Haftungsgrundlagen gelten nebeneinander und erwirken einen dualen Kapitalschutz.[22] Es wird demnach zwischen Novellendarlehen[23] und Rechtsprechungsdarlehen unterschieden.[24]
Ein Rechtsprechungsdarlehen ist nur bis zur Höhe des Stammkapitals gebunden[25], während ein Darlehen nach den Novellenregeln in voller Höhe gebunden ist.[26]
Die Novellenregeln kommen nur dann zur Anwendung, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Einzelzwangsvollstreckung betrieben wird.[27] Nach den Rechtsprechungsgrundlagen hingegen kann der Eigenkapitalersatzcharakter jederzeit geltend gemacht werden.[28]
Hat ein Gesellschafter der Gesellschaft[29] in einem Zeitpunkt ein Darlehen gewährt[30], in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), kann er den Anspruch auf Rückgewähr eines Darlehens, im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft, nur als nachrangiger Insolvenzgläubiger geltend machen.[31] Entscheidend ist, ob ein fremder Dritter der Gesellschaft unter gleichen Umständen Fremdkapital zugeführt hätte.[32]
Abbildung 1: Unmittelbares Gesellschafterdarlehen § 32a Abs. 1 GmbHG
Quelle: verändert aus: BB, Eigenkapitalersatzcharakter im Steuer- und Gesellschaftsrecht, Heft 2/2005
Auch für den Fall, dass ein Dritter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten, ein Darlehen gewährt und ihr ein Gesellschafter für die Rückgewähr des Darlehens eine Sicherung bestellt oder sich dafür verbürgt, kann der Dritte im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH nur für den Betrag verhältnismäßige Befriedigung verlangen, mit dem er bei der Inanspruchnahme der Sicherung des Bürgen ausgefallen ist.[33] Das Darlehen bleibt daher als mittelbares Gesellschafterdarlehen im Gesellschaftsvermögen gebunden.[34]
Abbildung 2: Mittelbares Gesellschafterdarlehen § 32a Abs. 2 GmbHG
Quelle: verändert aus: BB, Eigenkapitalersatzcharakter im Steuer- und Gesellschaftsrecht, Heft 2/2005
Diese Vorschriften gelten sinngemäß auch für andere Rechtshandlungen eines Gesellschafters oder Dritten, die den eigenkapitalersetzenden Darlehen entsprechen, z. B. eigenkapitalersetzende Gebrauchsüberlassungen oder eigenkapitalersetzende Bürgschaften.[35] Durch diese Vorschrift sollen Umgehungsgestaltungen vermieden werden.[36] Das Eigenkapitalersatzrecht wird mittels dieser Generalklausel auch für Fälle der Betriebsaufspaltung wirksam, da Gebrauchsüberlassungen häufig Teil einer Betriebsaufspaltung sind.[37]
Ferner gilt das sog. Kleingesellschafterprivileg, d. h. die Regeln über den Eigenkapitalersatz gelten nicht für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter, der mit 10% oder weniger am Stammkapital beteiligt ist.[38]
Das Sanierungsprivileg ist zu beachten, d. h. wenn ein Darlehensgeber in der Krise der GmbH Geschäftsanteile zum Zweck der Überwindung der Krise erwirbt, führt dies für seine bestehenden oder neu gewährten Kredite nicht zur Anwendung der Regeln des Eigenkapitalersatzes.[39]
Wird ein Darlehen als eigenkapitalersetzendes Darlehen qualifiziert, ist der Abzug der Darlehen in der Krise rechtlich unzulässig. Es greift eine Auszahlungssperre.[40] Ein Gesellschafter, der das gewährte Darlehen kündigt, wird unter Umständen persönlich ersatzpflichtig.[41] Hat die Gesellschaft in den Fällen des mittelbaren Gesellschafterdarlehens oder einer anderen Rechtshandlung, die dem eigenkapitalersetzenden Darlehen wirtschaftlich entspricht, das Darlehen im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag zurückgezahlt, muss der Gesellschafter, der die Sicherung bestellt hatte oder als Bürge haftet, der Gesellschaft den zurückgezahlten Betrag erstatten.[42] Nach der BGH- Rechtsprechung wird ein Rückgriff auf Rückzahlungen, die bis zu fünf Jahren zurückliegen, erlaubt.[43]
Um den Charakter und die Besonderheiten der eigenkapitalersetzenden Darlehen zu erfassen, soll auch ein Blick auf die BFH-Rechtsprechung geworfen werden.[44] Der BFH unterscheidet in seiner Rechtsprechung zu § 17 EStG zwischen normalen und qualifizierten Darlehen.[45] [46]
Ein normales Darlehen ist dadurch gekennzeichnet, dass Geld- oder Sachmittel auf Zeit und gegen Entgelt durch den Darlehensgeber gewährt werden und dadurch der Kapitalstamm zur Einkunftserzielung eingesetzt wird.[47] Es wird nicht das Kapital selbst, sondern dessen Nutzungsmöglichkeit (Kapitalnutzungsrecht) zur Erzielung von Einkünften eingesetzt.[48] Der Gesellschafter tritt gegenüber seiner Gesellschaft lediglich als Darlehensgeber auf. Sofern die Darlehensforderung dem Betriebsvermögen zugeordnet wird, können die Wertminderungen sowie ein vollständiger Verlust der normalen Darlehensforderung steuerlich zum Abzug gebracht werden.[49] Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei dem Darlehensgeber um eine Kapitalgesellschaft, Personengesellschaft oder ein Einzelunternehmen handelt.
Ein qualifiziertes Darlehen wird nicht vorrangig gewährt, um aus der Kapitalnutzung selbst Einkünfte zu erzielen. Qualifizierte Darlehen sind dadurch geprägt, dass ein Gesellschafter das Darlehen zu einem Zeitpunkt gewährt oder stehen lässt, zu dem für den Fortbestand der Kapitalgesellschaft die Zuführung von Eigenkapital zwingend gewesen wäre, d. h. ein ordentlicher Kaufmann hätte seiner Kapitalgesellschaft Eigenkapital zuführen müssen.[50] Der Gesellschafter tritt gegenüber seiner Gesellschaft nicht nur als Darlehensgeber auf. Das Darlehen gilt deshalb auch als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Gewährt ein Gesellschafter ein Darlehen, anstatt Eigenkapital zuzuführen, muss daher das Darlehen nach dem Eigenkapitalersatzrecht wie Eigenkapital behandelt werden.[51]
Ein eigenkapitalersetzendes Darlehen gilt als eigenes Wirtschaftsgut. Das eigenkapitalersetzende Darlehen und die Beteiligung sind daher grundsätzlich unabhängig voneinander zu behandeln.[52] Dies gilt selbst dann, wenn ein Darlehen von Beginn an als eigenkapitalersetzend einzuordnen ist. Der kapitalersetzende Charakter ändert nichts daran, dass das Darlehen ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut und nicht Bestandteil eines anderen Wirtschaftsgutes ist. Eine Umqualifizierung des Wirtschaftsgutes Darlehen in Beteiligung gelingt nicht.[53] Eigenkapitalersetzende Darlehen sind bilanziell als Fremdkapital zu behandeln, auch wenn das Darlehen temporär nicht vom Gesellschafter zurückgefordert werden kann.[54] Mit dem Eintritt der Rechtsfolgen des Eigenkapitalersatzrechts ändert sich lediglich die Rangordnung der Verbindlichkeit.[55]
Mit einem Ausweis als Eigenkapital würde der unzutreffende Eindruck erweckt, dass die ausgewiesenen Mittel keinen Zins- und Tilgungszahlungen nach sich ziehen.[56] Ferner würde ein Ausweis als Eigenkapital auch der zivilrechtlichen Betrachtungsweise entgegenstehen. Eine Umqualifizierung von Fremdkapital in Eigenkapital kann auch nicht mit Hilfe des § 42 AO erreicht werden.[57]
Die auf das Darlehen entfallenden Zinsen teilen das Schicksal der Hauptverbindlichkeit und sind daher als Zinsverbindlichkeit zu...