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Die Geldmarktkrise 2007: Reaktionen der Zentralbanken im Vergleich

Reaktionen der Zentralbanken im Vergleich

AutorBeate Frings
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl72 Seiten
ISBN9783638042611
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich VWL - Geldtheorie, Geldpolitik, Note: 1,3, Universität Passau, 133 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Ein Thema - die sogenannte US-Hypothekenkrise - dominiert im Sommer bzw. Herbst 2007 die Wirtschaftsberichterstattung weltweit. Insbesondere über die Auswirkungen dieser Krise, die bisweilen auch als Immobilien-, Finanz- oder subprime loan-Krise bezeichnet wird, finden heftige Diskussionen statt. Wieso aber erregen nicht bediente amerikanische Hypothekenkredite so großes globales Interesse? Und in welchem Zusammenhang dazu stehen die Liquiditätsprobleme eines britischen Hypothekenfinanzierers und öffentlicher deutscher Banken? Weshalb reagiert die Europäische Zentralbank auf eine US-amerikanische Krise mit Liquiditätsspritzen? Diese Fragestellungen werden durch die vorliegende Arbeit aus volkswirtschaftlicher Sicht beantwortet. Im Mittelpunkt stehen dabei die geldpolitischen Reaktionen der Europäischen Zentralbank (EZB), der US-amerikanischen Federal Reserve (Fed) und der Bank of England (BoE). Vorab ist die Verwendung des Begriffs 'Liquidität' in dieser Arbeit zu klären, da dieser in den Wirtschaftswissenschaften äußerst unterschiedlich gehandhabt wird. In der vorliegenden Arbeit ist üblicherweise von Marktliquidität (vgl. Brunnermeier/Pedersen (2007), Kaufman (1991), S. 98) die Rede, d. h. von der Abtretbarkeit eines Vermögensgegenstandes, die von der Markttiefe bestimmt wird (SVR (2007), S. 124). Im Zusammenhang mit Notenbankaktionen hat der Begriff eine andere Bedeutung: Hier wird ein Bezug zu den Leitzinsen hergestellt und damit zu dem Preis, zu dem sich Geschäftsbanken mit Zentralbankgeld versorgen können (SVR (2007), S. 125). Die folgenden Ausführungen machen deutlich, dass ein Eingreifen der Zentralbanken aufgrund der Geschehnisse am Geldmarkt Anfang August 2007 notwendig war. Dies ist im Wesentlichen durch die Aufgabe der Sicherung der Finanzsystemstabilität der Notenbanken zu begründen. Nach der Betrachtung und dem Vergleich der verschiedenen geldpolitischen Aktionen ist das Verhalten der EZB und der Fed sehr positiv zu beurteilen, während die BoE durch ihr kontroverses Verhalten die Auswirkungen der Krise sogar noch verschärft hat.

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Leseprobe

2. Die Entstehung der Krise


 

Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Entstehung der Krise im August bzw. September 2007. Im Zentrum stehen dabei die Probleme am Geldmarkt, der den Marktteilnehmern zum kurzfristigen Ausgleich ihres Liquiditätsbedarfs dient (vgl. Görgens/Ruckriegel/Seitz (2004), S. 235). Neben dem Interbankenmarkt, der im Mittelpunkt stehen wird, finden teilweise auch die Märkte für Geldmarktpapiere oder
-derivate und den Geldhandel Beachtung und damit der Geldmarkt im weiteren Sinne (vgl. Jarchow (2003), S. 354-357). Darüber hinaus ist der Begriff „Krise“ zu klären, denn „[t]here is no general agreement on what constitutes a crisis“ (Garcia/Plautz (1988), S. 9). Die in dieser Arbeit behandelte Krise ist dadurch gekennzeichnet, dass es den Marktteilnehmern am Geldmarkt entweder gar nicht oder nur gegen Zahlung einer deutlichen Risikoprämie möglich war, über kurze Laufzeiten Gelder aufzunehmen.[1] Diese Probleme sind im Wesentlichen auf zunehmende Unsicherheit unter Marktteilnehmern und damit auf asymmetrische Informationen zurückzuführen (vgl. Mishkin (2000), S. 1).

 

Zunächst stellt der folgende Abschnitt den Boom sowie den folgenden Preisverfall am US-amerikanischen Immobilienmarkt dar, wobei sich die Betrachtung auf Wohn­immobilien beschränkt. Im Anschluss wird gezeigt, wie die Ausgestaltung des US-amerikanischen Hypothekenmarktes in Verbindung mit diversen Finanzinnovationen zur Illiquidität des Geldmarktes geführt hat.

 

2.1. Boom und Preisverfall am Immobilienmarkt in den USA


 

Der Immobilienmarkt in den USA war bis Anfang 2006 durch eine Boomphase gekenn­zeichnet. So ist der Anteil von Wohnungsbauinvestitionen (residential investment) am Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit Beginn der 1990er Jahre bis Ende 2005 um ca. drei Prozentpunkte gestiegen (siehe Abb. 1).

 

 

Abbildung 1: Residential Investment relativ zum BIP

 

Quelle: Bureau of Economic Analysis, eigene Berechnungen.

 

Im letzten Quartal des Jahres 2005 erreichte der Anteil mit 6,3% des BIP den höchsten Stand seit 1950. Diese Zahlen weisen auf eine rege Bautätigkeit in den USA hin, die durch eine erhöhte Nachfrage nach Wohnraum ausgelöst wurde. Als wesentliche Ursache hierfür ist die Entwicklung des subprime-Segmentes am US-Hypothekenmarkt zu nennen (vgl. Gramlich (2007), S. 1-6), das in Abschnitt 2.2 dieser Arbeit vorgestellt wird. So besitzen im zweiten Quartal 2007 68,2% der US-Bevölkerung ein Haus, während dieser Anteil im Jahr 1994 lediglich 63,8% beträgt.[2] Der Nachfrageanstieg führte zu höheren Häuserpreisen: Wie Abb. 2 zeigt sind diese in den Vereinigten Staaten zwischen den Jahren 1996 und 2006 sehr stark (um 86%) gestiegen (vgl. Shiller (2007), S. 4). Da Häuser als Investitionsgut angesehen werden, führt eine Preiserhöhung zu verstärkten Wohnungsbauinvestitionen (vgl. z.B. Mankiw (2007), S. 502f.): Die Erwartung weiter steigender Preise macht Häuser als Investitionsobjekte attraktiv (vgl. Shiller (2007), S. 7f.).

 

 

Abbildung 2: Entwicklung von realen Mieten, Häuserpreisen und Baukosten in den USA

 

Quelle: Shiller (2007), S. 41.

 

Diese Entwicklung kann zur Entstehung einer spekulativen Blase führen.[3] Stiglitz (1990, S. 13) definiert diese folgendermaßen:

 

„if the reason that the price is high today is only because investors believe that the selling price will be high tomorrow – when “fundamental” factors do not seem to justify such a price – then a bubble exists”.

 

Durch hohe bzw. steigende Preise kann die Erwartung weiter steigender Preise entstehen, die zu einer Erhöhung der Investitionsnachfrage führt. Werden die Erwartungen aber nicht erfüllt – verläuft die Preisentwicklung stattdessen konstant oder fallend – platzt die Blase (vgl. Shiller (2007), S. 8) und die Preise kehren wieder zu ihrem Fundamentalwert zurück. Bei Häuserpreisen umfassen die Determinanten des Fundamentalwertes u.a. (langfristige) Zinssätze, die Kreditverfügbarkeit, das Ein­kommenswachstum und die demografische Entwicklung (vgl. IMF (2007), S. 73). Shiller (2007) zeigt, dass eine derartige Blase am US-Immobilienmarkt beobachtet werden kann, da der Preisanstieg nicht mehr durch Fundamentaldaten erklärbar ist[4], sondern – nach Meinung des Autors – im Wesentlichen auf Marktpsychologie zurück­zuführen ist[5]. Da die realen Mieten zwischen 1987 und 2007 ebenso wie die realen Baukosten relativ konstant waren (vgl. Abb. 2), ist davon auszugehen, dass die Preis­entwicklung am Häusermarkt nicht durch Fundamentaldaten zu erklären ist. Umfrage­daten, die Shiller (2007, S. 11f.) erhoben hat, deuten zudem klar auf eine Blase am US-Immobilienmarkt hin.

 

Auch die Geldpolitik der Federal Reserve (Fed) hat durch äußerst niedrige Zinssätze zu Beginn des 21. Jahrhunderts und den damit verbundenen günstigen Verschuldungs­möglichkeiten entscheidend zur Entwicklung des Booms am Immobilienmarkt beigetragen (vgl. z.B. Belke (2007), S. 545; Cecchetti (2005); Leamer (2007), S. 5 u. 46; Roach (2005); SVR (2007), S. 99-101). So schreibt z.B. auch der Economist:

 

„By slashing interest rates (by more than the Taylor rule prescribed), the Fed encouraged a house-price boom…”[6] und „When the Federal Reserve cut interest rates after the tech bubble burst, it inflated another, in housing“.[7]

 

Die Fed senkte die Federal Funds Rate schrittweise von 6,5% im Jahr 2000 auf lediglich 1% im Jahr 2003 und begründete diese Maßnahmen durch schwache konjunkturelle Daten und Deflationsgefahren nach dem Niedergang der ‚New Economy’[8]. Wäre die Fed einer strikten Taylor-Regel gefolgt, so hätte die Federal Funds Rate bereits 2002 wieder erhöht werden müssen (vgl. Abb. 3).

 

 

Abbildung 3: Federal Funds Rate (Counterfactual Rate entspricht der Taylor-Regel)

 

Quelle: Taylor (2007), S. 3.

 

Bemerkenswert ist, dass der US-amerikanische Leitzins bis 2002 und ab 2006 dem Taylor-Zinssatz entspricht. Im Allgemeinen liefert die Taylor-Regel eine gute Beschreibung der Zinsentscheidungen der Fed (vgl. Bofinger (2001), S. 308 sowie Poole (2007), S. 6). Taylor (2007, S. 4) kommt zu dem Schluss, dass durch eine frühzeitigere Erhöhung der Federal Funds Rate ein Großteil des Booms am Häusermarkt nicht entstanden wäre. Verschärft wurde das Problem der lockeren Geldpolitik in den USA durch carry trades, durch die auch nach den Leitzins­erhöhungen eine günstige Finanzierungsmöglichkeit gegeben war. Eine nähere Erläuterung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und ist z.B. in SVR (2007,
S. 101-107) zu finden.

 

Darüber hinaus wurde der Boom am Immobilienmarkt durch die Entwicklung der langfristigen Zinsen, die für Investitionsentscheidungen ausschlaggebend sind (vgl. Mayer (2007), S. 7 sowie Himmelberg/Mayer/Sinai (2005), S. 79), noch verschärft: Diese reagierten schwächer auf die Erhöhung der Federal Funds Target Rate zwischen 2004 und 2006 als dies in früheren Perioden der Fall war (Taylor (2007), S. 5 und Deutsche Bundesbank (2007a), S. 28). Der damalige Vorsitzende des Federal Reserve Boards, Alan Greenspan, bezeichnete diese Abkoppelung der Langfristzinsentwicklung vom kurzfristigen Zinssatz in einer Stellungnahme vor dem US-Senat am 16. Februar 2005 als „conundrum“ (Rätsel) (vgl. Greenspan (2005)). Die Bauaktivitäten in den USA wurden daher zunächst auch nicht durch höhere langfristige Zinsen eingeschränkt (siehe auch Abb. 1).

 

Als Ursache für die schwächere Reaktion der langfristigen Zinsen führt Taylor (2007,
S. 5f.) einerseits die weltweit hohe Ersparnis (global saving glut)[9] an. Diese führt zu niedrigeren Zinsen, da das Angebot an Kapital durch die hohen Ersparnisse im Verhältnis zur Nachfrage relativ groß ist. Andererseits besteht nach Taylor die Möglich­keit, dass Marktteilnehmer ihre Zinserwartungen aufgrund des jahrelang niedrigen Leit­zinses nach unten korrigiert haben und von einer veränderten Reaktionsfunktion der Zentralbank ausgehen, so dass bei einer Erhöhung der Federal Funds Target Rate durch die Fed die langfristigen Zinssätze träger reagieren.[10]

 

Durch die weiterhin relativ niedrigen langfristigen Zinssätze auch nach einer Straffung der Geldpolitik durch die Fed wurde letztlich der Boom am Immobilienmarkt ver­schärft, da die Hypothekenaufnahme weiterhin zu sehr günstigen Konditionen möglich war.

 

Mittlerweile ist jedoch davon auszugehen, dass die Blase am Häusermarkt geplatzt ist. So zeigt die Entwicklung des S&P/Case-Shiller Home Price Index, dass die Preise für amerikanische Häuser bereits seit Mitte 2006 leicht fallen. Im zweiten Quartal 2007 hat sich diese Entwicklung sogar im Rekordtempo fortgesetzt. In einigen Regionen (Atlanta, Charlotte, Dallas, Portland und Seattle) steigen die Preise zwar noch, jedoch nicht mehr im...

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