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E-Book

Waxprints im soziokulturellen Kontext Ghanas

AutorGabriele Gerlich
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl147 Seiten
ISBN9783638028158
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Ethnologie / Volkskunde, Note: 1,7, Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Institut für Ethnologie und Afrikastudien (Fachbereich Sozialwissenschaften)), 82 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Kleidung im Allgemeinen gilt als Medium, über das sich eine Person identifiziert und über das sie ihre Gesinnung öffentlich ausdrückt. In der Art, sich zu kleiden, sind verschlüsselte Botschaften enthalten, denen zahlreiche kulturspezifische Zeichenbildungsprozesse vorangegangen sind. Für diejenigen, die die Zeichenelemente und ihre Kombination zu entziffern wissen, wird das äußere Erscheinungsbild zu einer Art Sprache. Ganz besondere, bunt bedruckte Baumwollwollstoffe - die sogenannten Waxprints - gehören in Ghana zum wesentlichen Bestandteil afrikanischer Kleidung. Über sie werden visuelle Botschaften übermittelt, die aus einem komplexen Zeichensystem hervorgehen, das von den Beteiligten ständig neu definiert und ausgehandelt wird. Es entsteht eine nonverbale Kommunikation, die in diesem Buch veranschaulicht wird. Um diese Kommunikationsform zu verstehen, ist die Erörterung des soziokulturellen Kontextes, in den Waxprints in der ghanaischen Gesellschaft eingebettet sind, unabdingbar. Den Ausführungen liegen nicht nur die Auswertung schriftlicher Quellen zugrunde, sondern auch die Informationen und Kenntnisse, die die Autorin während ihrer Forschungsarbeit in Ghana gewinnen konnte.

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Leseprobe

1. Vorstellung der Forschungsarbeit


 

1.1 Literaturlage und Entwicklung der Fragestellung


 

Die Literaturlage zu Waxprints ist sehr übersichtlich. Eine Untersuchung des ghanaischen Waxprintmarkts wurde in den Wintermonaten 1962/63 von den Soziologen W.J. Boelman und F.L. van Holthoon durchgeführt und ging auf die Initiative zweier niederländischer Waxprint herstellender Firmen zurück[3]. Das Hauptanliegen war, herauszufinden, inwiefern sich der soziale Wandel in Ghana auf das Konsumverhalten der Bevölkerung hinsichtlich Waxprints auswirken würde. Die beiden Soziologen beurteilten ihre Studie als nicht tiefgreifend genug, was sie nach eigenen Angaben zunächst von einer Veröffentlichung abhielt (Boelman & van Holthoon 1973: 236). Zehn Jahre später beabsichtigten sie mit der Publizierung ihrer Beobachtungen und Ergebnisse, Interesse in wissenschaftlichen Disziplinen des soziologischen und kulturanthropologischen Bereichs zu wecken. Boelman & van Holthoon (1973: 247f) stellten unterschiedliche Kleidungs-verhalten bei Gruppen verschiedener Bildung fest. Die Untersuchungen zeigten: Je höher der Bildungsstand einer Frau, desto weniger Waxprints waren als Alltagskleidung präsent.

 

„The illiterate and semi-literate women wear the ‘African’ dress as a matter of course. […] The middle range of educated women also wear ‘African’ dress and participate fully in the culture connected with it. For them, the dress is first of all one which they wear on occasions of leisure. […] Further up on the educational ladder, the position of the ‘African’ dress tends to become somewhat dubious. The dress disappears from everyday life and becomes a gala-dress“.

 

(Boelman & van Holthoon 1973: 248)

 

Nach Einschätzungen der beiden Autoren sind unterschiedliche Vorlieben für Kleidungs-stile durchaus mit einem ‘westlichen’ Einfluss in Verbindung zu bringen. Dieser Einfluss wird als Belebung der vorhandenen kulturellen Muster angesehen und nicht als Störfaktor interpretiert, der bestehende Bräuche ablösen könnte (Boelman & van Holthoon 1973: 250).

 

Ruth Nielsen forschte in den 1970er Jahren eingehend zum Thema Waxprints und verfasste eine Arbeit über die Geschichte und Entwicklung von Wachsdruckstoffen, die für den afrikanischen Markt bestimmt waren. Sie konnte wichtige Informationen zusammen-tragen, die eine unverzichtbare Grundlage zu diesem Thema bieten. Nielsen interessierte vor allem die Designentwicklung und versuchte, die Vielfalt der Muster nach dargestellten Themen zu klassifizieren, um die verschiedenen Facetten des kulturellen Lebens widerzuspiegeln (Nielsen 1979: 496). Aus der Mannigfaltigkeit der Farben und Motive zieht Nielsen Schlüsse hinsichtlich der unterschiedlichen Akzeptanz von Waxprints in verschiedenen afrikanischen Ländern. Die Frage nach der symbolischen Bedeutung beziehungsweise der Einbettung von Waxprints in den soziokulturellen Kontext konnte sie nicht klären:

 

„The search for the symbolic meaning of the wax-print designs is complicated by the fact that African consumers often perceive the motif differently from what was intended by the producers, and that the consumers often name the design according to certain circumstances in connection with the purchase or use of the cloth“.

 

(Nielsen 1979: 494)

 

Genau diese offene Frage inspirierte mich. Während meiner Forschungsarbeit in Ghana lenkte ich mein Hauptaugenmerk auf den Umgang mit Waxprints und die jeweilige Bedeutung, die den Stoffen von ihren Besitzerinnen zugesprochen wurde.

 

Neben Ruth Nielsen beschäftigte sich auch Mary Ann Littrell (1977) mit Waxprints und beschränkte ihre Feldforschung auf Ghana. Sie stellte die Sichtweisen von Designern, Vertreibern, Händlerinnen sowie Konsumentinnen hinsichtlich Waxprints dar. Anhand ihrer Feldforschungsergebnisse erarbeitete Littrell eine vergleichende Studie über das Konsum- und Kleidungsverhalten von Frauen in Ghana und den Vereinigten Staaten. Dabei stellte sie weitestgehend ähnliche oder gleiche Kriterien fest, die für eine Kleidungsauswahl maßgebend sind:

 

„While Ghanaian informants varied in their cloth choices they gave similar reasons for their selections. […] Comparing the Ghanaian findings and American findings by other researchers, both Ghanaians and Americans stressed certain aesthetic, psychological and sociological factors as important in their decision making“.

 

(Littrell 1977: 136f)

 

Die Studie zeigte außerdem, dass die Vorlieben im Kleidungsverhalten bezüglich Alters- und Volksgruppen innerhalb Ghanas sehr unterschiedlich sind, dies jedoch nicht auf unterschiedliche Berufsgruppen zutrifft.

 

In den genannten Arbeiten wird jeweils das Phänomen der Namensgebung von Stoffmustern angesprochen, was auch von anderen Autoren wie Bender (1989: 169f), Fauque & Wollenweber (1991: 73ff), Domowitz (1992: 82ff) und Picton (1995: 27f) thematisiert wird. Unter dem Aspekt, dass Stoffe durch die Namensgebung Symbol-charakter erhalten und zu Bedeutungsträgern werden, rückte die Diskussion über die Funktion von Waxprints als Kommunikationsmittel in der wissenschaftlichen Literatur in den Vordergrund.

 

Von dieser Diskussion fasziniert und angeregt, gestaltete ich meine Forschungsarbeit während meines zweisemestrigen Auslandsstudiums 1999/2000 in Ghana. Ich beschäftigte mich mit dem Gebrauch von Waxprints im alltäglichen Leben. Es ging mir darum, ein differenziertes Bild über die Einbettung dieser Textilart in den soziokulturellen Kontext zu erhalten und innerhalb dieses Rahmens die nonverbale Kommunikation über das Medium Waxprint eingehender zu betrachten. Für mich stellte sich vor allem die Frage, in welcher Art und Weise sich eine solche Kommunikation abspielt, ob die kommunikative Ebene permanent präsent ist und – wenn nicht – in welchen Situationen sie eintritt. 

 

1.2 Gestaltung der Feldforschungsarbeit


 

Der Korpus meiner Feldforschung basiert auf teilnehmender Beobachtung, Interviews, informellen Gesprächen, Fragebogen, und der Zusammenstellung einer katalogisierten Stoffsammlung. Die auf Tonträger dokumentierten Gespräche wurden überwiegend als Intensivinterviews und teilweise als strukturierte Interviews mit Hilfe eines Fragebogens geführt[4]. Durch gezieltes Nachfragen und Eingehen auf die Gesprächspartnerinnen entwickelten sich ursprünglich strukturiert geplante Interviews während der Befragung eher zu Leitfadeninterviews[5]. Meine Gesprächspartnerinnen waren sowohl Konsumentinnen ohne weitere Spezifizierung als auch Personen mit Expertenwissen wie zum Beispiel Schneiderinnen und Waxprinthändlerinnen. Besonders engen Kontakt entwickelte sich zu Rosa Nanor, einer Großhändlerin in Accra, bei der einige Tondokumente während des Verkaufs ihrer Ware entstanden. Sie vermittelte mir wichtige Kontakte zu Verantwortlichen der führenden Waxprint herstellenden Firma GTP (Ghana Textile Printing) in Tema. Dort besuchte ich die Produktionseinheit und hatte die Möglichkeit, mit der Managerin für Produktentwicklung Deborah Quartey und dem Verkaufsmanager Eric van der Staaij zu sprechen.

 

In der Regel wurden die Interviews auf Englisch geführt. In manchen Fällen reichten einerseits die Englischkenntnisse meiner Gesprächspartnerinnen, andererseits meine eigenen Twikenntnisse für eine ausreichende Verständigung nicht aus[6]. Hier arbeitete ich mit meinem Ehemann Oko Aryeequaye zusammen, der die Übersetzungen leistete und mit dessen Hilfe ich auch die Nachbereitung der Interviews bewerkstelligte. Auf diese Weise wurden oftmals versteckte Botschaften aufgedeckt, die nur mit spezifischem kulturellem Wissen decodiert werden können. So konnten einige Missverständnisse aus dem Weg geräumt und Missinterpretationen meinerseits vorgebeugt werden.

 

Um meine Arbeit transparenter zu machen, habe ich zum einen in Anhang 1 alle Gesprächs- beziehungsweise InterviewpartnerInnen, auf die ich mich in der vorliegenden Arbeit direkt beziehe, in alphabetischer Reihenfolge mit einer Personen-Kurzbeschreibung aufgeführt. Zum anderen sind in Anhang 2 transkribierte Interviewausschnitte im jeweiligen Zusammenhang, in dem sie entstanden sind, nachzulesen. Zur Erleichterung für den Leser sind Interviewstellen, auf die im laufenden Text verwiesen wird, in der Transkription durch Fettdruck hervorgehoben.

 

Es liegt in der Natur der Sache, dass nicht alle Gespräche in Form eines Tondokuments festgehalten werden konnten. Deshalb habe ich mir wichtig erscheinende Aussagen in Form von Gedächtnisprotokollen festgehalten. Des Weiteren wurden Eindrücke und Beobachtungen in Tagebüchern niedergeschrieben. Mir ist durchaus bewusst, dass diese Niederschriften meine eigene Perspektive widerspiegeln. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der sogenannten ‘kulturellen Imprägnierung’, die unbewusst und stets in der Wahrnehmung des Forschers/der Forscherin vorhanden ist und daher unvermeidbar in die Interpretation einfließt (Olivier de Sardan 1995: 79f).

 

Die zwischenzeitlich erhaltenen Daten sollten reflektiert werden. Zur Objektivierung der Interviews und sonstigen Aufzeichnungen dienten 60 Fragebogen, die an Konsumentinnen verteilt und von ihnen ausgefüllt wurden. Um das Spektrum der...

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