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Warum sie oben bleiben

Ein Flugbegleiter für Passagiere. Vom Start bis zur Landung | Erfolgreich bewährt auch bei der Bekämpfung von Flugangst

AutorJürgen Heermann
VerlagInsel Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl222 Seiten
ISBN9783458753902
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR

Flugzeuge sind heute ein nahezu so alltägliches Verkehrsmittel wie die Bahn. Doch für die meisten bleibt es ein Rätsel, wie ein Flugzeug sich in die Lüfte erhebt und oben bleibt, wie es sicher und konsequent den Zielflughafen erreicht.
Für den Spezialisten und langjährigen Flugingenieur Jürgen Heermann hat die Fliegerei nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Mit anschaulichen Beispielen aus der Praxis schafft er es, auch technisch nicht versierten Menschen die komplexe Welt des Fliegens nahezubringen - vom Betreten des Flughafens bis zum Aufsetzen der Maschine auf der Landebahn.

Der perfekte Flugbegleiter vom Start bis zur Landung - erfolgreich bewährt auch bei der Bekämpfung von Flugangst.



<p>J&uuml;rgen Heermann wurde 1944 in Finsterwalde geboren. Er flog als Flugingenieur auf verschiedenen Mittel- und Langstreckenflugzeugen, war als Ausbilder und als Sachverst&auml;ndiger t&auml;tig. Er verfa&szlig;te verschiedene Publikationen &uuml;ber das Fliegen, h&auml;lt Vortr&auml;ge und gibt Seminare.</p>

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Leseprobe

Als Flugingenieur von Atlanta nach Frankfurt


Ein Hotelzimmer in den Vereinigten Staaten von Amerika. Alles fängt mit dem typischen Piepen meines Armbanduhrweckers an. Kein Wohlklang, aber ein zarteres Wecken, als von der schrillen adrenalinspendenden Klingel des Telefons aus dem Schlaf gerissen zu werden. Das nämlich erwartet mich in genau fünf Minuten, die ausreichen, um den genauen Standort des Telefons und meinen eigenen ausfindig zu machen. Danach bleiben mir 60 Minuten, das Feld zu räumen, für uns Reiseprofis genug Zeit, um noch vor der Abfahrt (pick up) im Hotelrestaurant ein Häppchen mit Kaffee einzunehmen. Drei Stunden Nachmittagschlaf waren es eben. Ein innerer Beitrag zur Linderung unregelmäßiger Dienste in unterschiedlichen Zeitzonen. Wohl dem, der immer dann zum Schlafen fähig ist, wenn es vorausschauend vonnöten ist.

Um 15 Uhr Ortszeit werden wir das Hotel mit einem Bus verlassen. Um 17 Uhr ist der planmäßige Abflug, der in unseren Arbeitsunterlagen, dem UTC Plan, mit 22:00 UTC (universal time coordinated) angegeben ist.

Die UTC ist die Weltzeit und entspricht der ehemaligen GMT (greenwich mean time). Sie wird von allen Flugzeugbesatzungen der Welt das ganze Jahr über verwendet. Sommer- und Winterzeit sind dabei unbekannt, weshalb ihr Unterschied zur deutschen Zeit im Sommer minus zwei und im Winter minus eine Stunde beträgt.

Es ist 15 Uhr Ortszeit, 20 Uhr UTC und 21 Uhr in Deutschland. Der Purser, Chef der Kabine, zählt siebzehn: drei Mann aus dem Cockpit und vierzehn Flugbegleiter. Alle da! Wir fahren gemeinsam zum Flughafen.

30 000 Euro Zinsen pro Tag


Eine tägliche Flugverbindung wie diese bringt jeder Crew einen Eintagesaufenthalt, eine zweitägige Verbindung bringt zwei Tage, eine dreitägige …?, eine wöchentliche eine ganze Woche.

Flugzeuge müssen aus Kostengründen in Bewegung gehalten werden. Die laufenden Kosten der Crew sind nachrangig, die des Flugzeugs erheblich. Allein die Zinsen für den Kaufpreis können bei einem großen Flugzeug 30 000 Euro pro Tag betragen. Demnach ist es unwirtschaftlich, ein so teures Gerät zeitgleich mit der Ruhezeit der Crew auf dem Flughafen zu parken. Ein Flugzeug braucht keine Ruhepause und kann sofort für den Rückflug wieder startklar gemacht werden. Das dauert bei einem Langstreckenflugzeug unter Umständen weniger als eineinhalb Stunden.

Und auf so ein Flugzeug warten wir hier auf dem Flughafen von Atlanta (im Staat Georgia), der mit vollem Namen William B. Hartsfield Int'l Airport Atlanta heißt. Noch wissen wir nicht, welches Flugzeug es sein wird. Auf jeden Fall aber wird es eine Boeing B747-200 sein, weil die Lizenz für Flugzeugführer und Flugingenieure typgebunden ist und wir drei Cockpitleute nur mit diesem Typ umzugehen verstehen. Im »Luftfahrerschein für Flugzeugführer« und im »Luftfahrerschein für Flugingenieure« ist der zur Tätigkeitsausübung berechtigte Flugzeugtyp eingetragen. Bei uns dreien ist es der sogenannte Jumbo mit Dreimanncockpit.

Bis 1991 wurde dieses bewährte Flugzeug, dessen Grundtyp erstmals 1968 aus der Montagehalle des Dörfchens Everett nördlich der Stadt Seattle rollte, noch gebaut; seit 1988 wird dort, in der nordwestlichsten Ecke der USA, auch die B747-400 hergestellt. Dieses Flugzeug ist dank arbeitsreduzierender Automatiken als Zweimanncockpit konzipiert. Äußerlich und in den technischen Grundsystemen ist dieser 400er dem 200er »Jumbo« sehr ähnlich. Um als Zweimanncockpit bedienbar zu sein, hat er ein technisch völlig neugestaltetes Cockpit.

Kurz bevor wir mit dem Crewbus die Abflughalle erreichen, ruft eine Kollegin: »Da isser!« und meint »unser« Flugzeug, das, gerade von Frankfurt kommend, zur Landung ansetzt. Jeder von uns versucht sofort, das Kennzeichen zu erkennen, was aber diesmal auf Grund der Entfernung nicht gelingt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es unerheblich, welche B747-200 einschwebt. Wir sind nur neugierig, wie sie heißt. Intern werden unsere Verkehrsflugzeuge mit den beiden letzten Buchstaben ihres Kennzeichens bezeichnet. Das Kennzeichen beginnt für in Deutschland zugelassene Flugzeuge mit dem Landesbuchstaben D, gefolgt von einem Bindestrich und einem A, für Flugzeuge über 20 Tonnen. Das nachfolgende B stammt vom Namen: Boeing. Die verbleibenden zwei Buchstaben sind dann so eine Art Vorname. Unser heutiges Flugzeug wird demnach die D-AB.. mit zwei nachfolgenden Buchstaben sein. Für die bevorstehende Flugvorbereitung ist das Flugzeugkennzeichen von großer Bedeutung. Flugvorbereitungen werden immer für ein bestimmtes Flugzeug erstellt. Kein Flugzeug ist mit einem anderen identisch.

Wie Autos eines Typs, die alljährlich das Fließband mit Neuerungen verlassen, unterliegen Flugzeuge ständig technischen Veränderungen. Klar, daß diese B747 nicht 21 Jahre lang immer gleich gebaut wurde. In dieser Zeit hat die Konstruktion endlos viele und zum Teil massive Änderungen erfahren. Auch die Änderungen an schon bestehenden Flugzeugen sind beträchtlich. Dabei spielt das Alter der einzelnen Maschine keine Rolle, sondern ausschließlich der neueste technische Stand. Es ist selbstverständlich, daß wir auch über die kleinen Unterschiede, die den Umgang mit dem Flugzeug beeinflussen können, informiert sind und über neuerliche Änderungen ständig auf dem laufenden gehalten werden.

8?Dreimanncockpit: Boeing 747-200

Zweimanncockpit: Boeing 747-400

Anfänglich getrennt, findet an Hand aktueller Unterlagen die Vorflugbesprechung (briefing) für Cockpit und Kabine statt. Während der Purser mit seinen Flugbegleitern die Besonderheiten des Kabinenservices bespricht, sichtet die Cockpitcrew im Rahmen der Flugvorbereitung (flight crew briefing) die bereitgestellten Flugunterlagen. Hier sehen wir, daß unser Flugzeug die D-ABYP ist, im Fliegeralphabet nach den letzten beiden Buchstaben: Yankee-Papa!

Hochpräzise Kraftstoffplanung


Uns liegen Wettervorhersagen für den Zielflughafen und die in Frage kommenden Ausweichflughäfen sowie Wind- und Wetterkarten der gesamten Strecke mit den Besonderheiten aller auf der Strecke befindlichen Zwischenlandeplätze vor. Diese Daten werden gesichtet und mit dem aus Deutschland übermittelten Flugplan verglichen. Dieser detaillierte computerberechnete Plan wird im Flug unser wichtigstes Mittel zur Überprüfung von Planung und Wirklichkeit sein. Unter Berücksichtigung der Beladung mit Passagieren und Fracht hat der Computer die Flugzeit und den dafür notwendigen Kraftstoff ermittelt. Dazu hat er, was das Wetter angeht, immer auf dem laufenden, die Flugstrecke in viele kleine Teile zerlegt. Für jede dieser Teilstrecken errechnet er den Kraftstoffverbrauch unter Beachtung von Flughöhe, Gewicht und Wind. Selbstverständlich hält er sich an bestehende Luftstraßen und wählt im Rahmen des Erlaubten die für den Kraftstoffverbrauch optimale Höhe. Das Resultat ist die Menge Kraftstoff, die das Flugzeug vom Start bis zur Landung verbrauchen wird. Obwohl sehr genau und speziell für dieses eine Flugzeug berechnet, werden zu dieser Menge noch fünf Prozent Reserve addiert. Dazu kommt der Verbrauch, um eventuell vom Zielflughafen zu einem fest bestimmten Ausweichflughafen zu kommen und dort 30 Minuten Warteschleifen (holding) fliegen zu können. Zu guter Letzt wird noch der Rollweg zur Startbahn hinzugerechnet. All diese Einzelmengen ergeben zusammen das zu tankende Minimum. Dieses Minimum ist gesetzlich vorgeschrieben. Ist die Beladung später höher als geplant, muß das Minimum erhöht werden.

Die Beladung setzt sich aus den Passagieren mit ihrem Handgepäck, ihren Koffern und der zusätzlichen Fracht zusammen. Zur Vermeidung unangenehmer Selbsterkenntnis mit amtlicher Eichung werden Passagiere nicht gewogen, sondern einschließlich ihres Handgepäcks mit einem Durchschnittsgewicht veranschlagt. Zu der bis hierher rein rechnerischen Mengenbestimmung kommen viele Einzelinformationen, die zusätzliche Kraftstoffmitnahme gebieten. Eine ist der mögliche Stau an unserem Zielflughafen. Da zum Zeitpunkt unserer planmäßigen Ankunft in Frankfurt mit hohem Verkehrsaufkommen zu rechnen ist, entschließen wir uns zur Mitnahme einer ganz bestimmten Menge Extrakraftstoff. Sie soll uns die Möglichkeit geben, vor Frankfurt bis zu 30 Minuten Warteschleifen zu fliegen; selbstverständlich, ohne die Menge anzutasten, die für den Flug zum Ausweichflughafen (alternate fuel) und der dort möglichen dreißigminütigen Warteschleife (holding fuel) vorgesehen ist. Die nämlich muß nach der Landung auf dem Bestimmungsflughafen Frankfurt noch in den Tanks vorhanden sein.

9?Kraftstoffablassen kommt äußerst selten vor

Ob ein Flug mit Extrakraftstoff angetreten wird oder nicht, hat auf die aktuelle Sicherheit im Prinzip keinerlei Einfluß. Nicht die Menge ist entscheidend, sondern ihre regelmäßige Kontrolle, und die werden Sie auf unserem bevorstehenden Flug noch kennenlernen. Ein Flugzeug wird, unabhängig von seinem Flugauftrag, nicht immer vollgetankt, um dann gar vor der Landung das zuviel Getankte wieder abzulassen. Abgesehen davon, daß nur Langstreckenflugzeuge über eine dafür notwendige Ablaßvorrichtung verfügen, wäre das regelmäßige »Wegschütten« viel zu teuer. Kraftstoffablassen (fuel dump) ist so selten, daß nur wenige Piloten und Flugingenieure während ihres...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Informationen zum Buch/Autor3
Titel6
Impressum7
Inhalt8
Vorwort12
Als Passagier von Frankfurt nach Brüssel14
Als Flugingenieur von Atlanta nach Frankfurt85
Bildteil114
Register224
Bildnachweis230
Zu dieser Ausgabe231

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