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Die Leiden der jungen Seele. Kriseninterventionen bei jugendlichen Suizidanten im Kontext sozialer Arbeit

Kriseninterventionen bei jugendlichen Suizidanten im Kontext sozialer Arbeit

AutorVerena Scherling
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl84 Seiten
ISBN9783638607506
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 2, Fachhochschule Münster, 40 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Merket wohl, alle nachdenklichen Gemüter: Das schnellste Roß, das Euch zur Vollkommenheit trägt, ist Leiden ... Nichts ist so gallebitter wie leiden und nichts so honigsüß wie gelitten haben.' Meister Eckehart (1260-1327) Um das Leiden der jungen Seele, die Krisen junger Menschen, die Gefühle der Ausweglosigkeit bis hin zu den suizidalen Gedanken und Absichten Jugendlicher und um die Hilfe hinaus aus dem Labyrinth der Verzweiflung, soll es in dieser Diplomarbeit gehen. Ich will den schmalen Grat zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit beschreiben, den jugendliche Suizidanten und mit Ihnen ihre 'Retter in der Not' gehen. Ich will versuchen, ein Licht in das Dunkel der jungen Seele zu bringen, indem ich aufzeige, wie sich schwer wiegende Krisen in der Zeit der Adoleszenz entwickeln können und wie mit ihnen die Gefahr der Suizidalität steigen kann. Der erste Teil meiner Diplomarbeit soll einen theoretischen Überblick über die Entstehung von Krisen im Allgemeinen und anschließend über die Krisen speziell im Jugendalter, also den Adoleszententenkrisen, vermitteln. In einem weiteren Schritt werde ich, mit Hilfe von biologischen, soziologischen und psychologischen Erklärungsmodellen und mit der Beschreibung des 'präsuizidalen Syndroms' des Wiener Suizidforschers Erwin Ringel (1921-1994), die Entwicklung von der Krise bis zur Suizidalität aufzeigen. Ich werde die jungen Menschen selbst, mit ihren eigenen Erlebnissen, Selbstmordabsichten und -versuchen, ihren Ausdrucksmöglichkeiten und ihrem Umgang mit dem Thema Suizid, betrachten und sie in einem gesonderten Kapitel zu Wort kommen lassen. Diese Sammlung von Liedtexten, Erfahrungsberichten, Briefen und Bildern bildet den Impuls für den zweiten und damit den praktischen Teil meiner Arbeit - der Krisenintervention bei Suizidgefahr mit ihren Grundsätzen und Handlungsmodellen und der Krisenintervention bei jugendlichen Suizidanten im Kontext sozialer Arbeit.

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Leseprobe

Einleitung


 

„Merket wohl, alle nachdenklichen

 

Gemüter: Das schnellste Roß, das

 

Euch zur Vollkommenheit trägt, ist

 

Leiden ... Nichts ist so gallebitter

 

wie leiden und nichts so honigsüß

 

wie gelitten haben.“

 

Meister Eckehart

 

(1260-1327)

 

Um das Leiden der jungen Seele, die Krisen junger Menschen, die Gefühle der Ausweglosigkeit bis hin zu den suizidalen Gedanken und Absichten Jugendlicher  und um die Hilfe hinaus aus dem Labyrinth der Verzweiflung, soll es in dieser Diplomarbeit gehen. Ich will den schmalen Grat zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit beschreiben, den jugendliche Suizidanten und mit Ihnen ihre „Retter in der Not“ gehen. Ich will versuchen, ein Licht in das Dunkel der jungen Seele zu bringen, indem ich aufzeige, wie sich schwer wiegende Krisen in der Zeit der Adoleszenz entwickeln können und wie mit ihnen die Gefahr der Suizidalität steigen kann. Der erste Teil meiner Diplomarbeit soll einen theoretischen Überblick über die Entstehung von Krisen im Allgemeinen und anschließend über die Krisen speziell im Jugendalter, also den Adoleszententenkrisen, vermitteln. In einem weiteren Schritt werde ich, mit Hilfe von biologischen, soziologischen und psychologischen Erklärungsmodellen und mit der Beschreibung des „präsuizidalen Syndroms“ des Wiener Suizidforschers Erwin Ringel (1921-1994), die Entwicklung von der Krise bis zur Suizidalität aufzeigen.

 

Ich werde die jungen Menschen selbst, mit ihren eigenen Erlebnissen, Selbstmordabsichten und -versuchen, ihren Ausdrucksmöglichkeiten und ihrem Umgang mit dem Thema Suizid, betrachten und sie in einem gesonderten Kapitel zu Wort kommen lassen.

 

Diese Sammlung von Liedtexten, Erfahrungsberichten, Briefen und Bildern bildet den Impuls für den zweiten und damit den praktischen Teil meiner Arbeit - der Krisenintervention bei Suizidgefahr mit ihren Grundsätzen und Handlungsmodellen und der Krisenintervention bei jugendlichen Suizidanten im Kontext sozialer Arbeit.

 

Ich erinnere mich an zwei kleine fast unscheinbare Artikel, die ich im Dezember 2000 in der Neuen Osnabrücker Zeitung gelesen habe:

 

 

Junge Frau identifiziert

 

Die junge Frau, die am Mittwoch vom oberen Parkdeck eines Kaufhauses gesprungen war, ist identifiziert. Nach intensiven Ermittlungen und einem Hinweis aus der Bevölkerung konnte die Polizei feststellen, dass es sich um eine 24-jährige Osnabrückerin handelt. Sie schwebt weiter in akuter Lebensgefahr.“ (Neue Osnabrücker Zeitung, 08.12.2000)

 

An Verletzungen gestorben

 

Die junge Frau, die sich Mitte vergangener Woche vom Dach eines Parkhauses Öwer de Hase gestürzt hatte, ist trotz intensiver medizinischer Versorgung ihren schweren Verletzungen erlegen. Der Unfall hatte für großes Aufsehen bei den Passanten gesorgt. Zudem stand zunächst die Identität der 24-jährigen nicht fest, da sie keine Papiere bei sich trug.“ (Neue Osnabrücker Zeitung, 15.12.2000)

 

Mir gingen diese beiden Artikel lange nicht aus dem Sinn und ich dachte immerzu darüber nach, was mit der jungen Frau passiert oder wie es ihr ergangen wäre, wenn man ihr „rechtzeitig“ hätte helfen können. Ich meine mit rechtzeitiger Hilfe nicht die medizinische Betreuung, sondern die Hilfe in Form einer Krisenintervention. Schon damals stellten sich mir hierzu die folgenden Fragen:

 

 Hätte man zusammen mit der jungen Frau, im Rahmen einer Krisenintervention, einen „Schutzwall gegen den Tod“ errichten können?

 

 Wenn ja, wie hätte diese Krisenhilfe ausgesehen?

 

 Was wäre im Umgang mit der suizidgefährdeten jungen Frau zu beachten gewesen?

 

 Und vor allem: wo hätte die junge Frau diese Hilfe finden können?

 

Diesen Fragen möchte ich in meiner Arbeit nachgehen. Denn gerade in der sozialen Arbeit trifft man auf Menschen, welche sich in Belastungssituationen, in schweren Krisen (dazu zählen materielle und finanzielle Krisen ebenso, wie psychische und physische Krisen) und in besonderen Lebenslagen befinden. Während einer Krise steigt die Gefahr der Suizidalität um ein Vielfaches. Eine professionelle Krisenintervention ist also nicht nur in speziellen Institutionen der Krisenhilfe zu leisten, sondern auch im gesamten Aufgabenfeld der sozialen Arbeit. Im zweiten Teils dieser Diplomarbeit, möchte ich versuchen genau diesen Zusammenhang deutlich zu machen. Es wird um die verschiedenen Interventionstechniken, um die ambulante und stationäre Krisenintervention und um die Nutzung des Internets in der Beratung junger suizidgefährdeter Menschen gehen.

 

Abschließend werde ich, als Anhang zu dieser Arbeit, die Basisangebote der Krisenintervention in Deutschland, aktuelle Internetangebote zur Online-Beratung bei Krisen und Internetadressen zu den Themen Suizid und Krisen aufführen.

 

1. Aus dem Lot geraten - Krisengebiet Seele


 

Nihil fit sine causa.

 

(Nichts geschieht ohne Ursache.)

 

Altrömischer Lehrsatz

 

1.1 Der Krisenbegriff


 

Wenn Menschen in Krisen geraten, treffen häufig so gravierende Ereignisse, Erlebnisse oder Veränderungen auf sie ein, dass sie nicht mehr in der Lage sind, ihr bisheriges Handeln fortzuführen. Selbstverständliche Handlungsabläufe funktionieren nicht mehr wie gewohnt oder kommen vollständig zum Erliegen. Ein Verlust an Kontrolle, wie z. B. über die körperliche Unversehrtheit oder die soziale Sicherheit sind die Folge. „Und damit sind emotionale Instabilitäten verbunden, die zwischen Totstellreflexen und emotionalen Turbulenzen variieren.“ (Dross 2001, S. 10)

 

Krisen sind Ausnahmezustände im menschlichen Leben und niemand ist vor ihnen gefeit. Jeder Mensch kann in seinem Leben in Situationen kommen, die Krisen auslösen können. Eine menschliche Krise kann entstehen durch: das Erleiden von Verlust, den Tod eines nahestehenden Menschen, die Trennung vom Partner, die Sorge um ökonomische und soziale Absicherung, die Konfrontation mit Belastungen durch Lebensübergänge (Schule-Beruf), das Erleiden von Gewalttätigkeiten (Vergewaltigung, sexueller Missbrauch) oder aufgrund von schweren körperlichen Schädigungen (Erkrankung, Behinderung). Mit diesen Krisen durchlebt der Mensch die damit verbundenen Reaktionen, wie Trauer, Schmerz, körperliches Unwohlsein, innere Spannung, Unruhe und Gereiztheit, Angst, Einsamkeitsgefühle, Verzweiflung, Aggression.

 

Von einer menschlichen Krise ist also dann zu sprechen, „wenn

 

 ein Zustand psychischer Belastung eingetreten ist, der sich deutlich von der Normalbefindlichkeit einschließlich ihrer Schwankungen abhebt, als kaum mehr erträglich empfunden wird und zu einer emotionalen Destabilisierung führt,

 

 die widerfahrenen Ereignisse und Erlebnisse die bisherigen Lebensgewohnheiten und -umstände und die Ziele massiv infrage stellen oder unmöglich machen,

 

 die veränderte Situation nach Lösungen verlangt, die aber mit den bisher verfügbaren oder selbstverständlichen Möglichkeiten der Problemlösung oder Anpassung nicht bewältigt werden können.“ (Dross 2001, S. 10)

 

In einer anderen Definition wird außerdem darauf hingewiesen, dass sich Menschen in Krisen, wie gegenüber einer Naturgewalt, ausgeliefert fühlen und dieser Situation nicht selbstständig entweichen können.

 

Die Empfindungen in einer Krisensituation

 

„ ... sind Reaktionen auf ein als bedrohlich empfundenes Ereignis, auf einen Verlust, eine hohe Anforderung, einen nicht gewollten und gewünschten Wechsel der Lebensbezüge, auf beängstigende Gedanken und Vorstellungen, denen das Individuum nicht ausweichen kann, die es aber auch nicht mit den ihm bekannten Bewältigungsstrategien zu lösen vermag.“ (Bosshard et al. 1999, S. 327)

 

1.2 Krisenkriterien


 

Um eine Krise von einer Nichtkrise unterscheiden zu können, ist es wichtig, die Merkmale einer Krise zu erkennen.

 

„Als Krisenkriterien gelten:

 

 die Wahrnehmung eines kritischen Ereignisses, das signifikante kognitive und affektive Störungen bewirkt;

 

 eine scheinbar unlösbare Problemsituation;

 

 ein signifikantes krisenspezifisches Verhalten und Erleben, wie z. B. Müdigkeit und Erschöpfung, Hilflosigkeit, Verwirrung, Angstgefühle, Desorganisation von Arbeits- und Familienbeziehungen;

 

 ein Gefühl von Bedrohung; das Individuum sieht keine Möglichkeit, die Situation zu bewältigen und kann selbst...

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