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Ingenieurgeochemie

Technische Geochemie - Konzepte und Praxis

AutorPeter Grathwohl, Ulrich Forstner
VerlagSpringer-Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl472 Seiten
ISBN9783540395126
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis109,99 EUR

Anwendungs- und praxisorientiert: Ingenieurgeochemie nutzt die Kenntnis natürlicher Prozesse der Schadstoffverteilung aus umweltgeochemischen Untersuchungen für die Entwicklung und Erfolgskontrolle auf natürlichen Ressourcen basierender Entsorgungstechnologien. Hier finden Sie u.a.: Wirkungsweise äußerer/innerer Barrierensysteme zur physikalischen Stabilisierung und chemischen Immobilisierung von Schadstoffen, neue Beiträge zu Sickerwasserprognosen.



Peter Grathwohl ist Professor für Hydrogeochemie/Angewandte Geologie am Institut für Geowissenschaften der Universität Tübingen. Hauptarbeitsgebiete sind Labor- und Felduntersuchungen zum Verhalten organischer Schadstoffe in Boden, Wasser und Luft. Nach der Promotion 1988 in Tübingen war er bis 1990 im Rahmen eines DFG-Forschungsstipendium an der Stanford University, Department of Civil Engineering. 2004 wurde ihm der Heitfeld-Preis der Alfred-Wegener-Stiftung für Angewandte Geowissenschaften verliehen. 1998 - 2003 war er Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat Bodenschutz der Bundesregierung und wurde anschließend in die Kommission Bodenschutz des Umweltbundesamtes berufen. Seit 1998 ist er Editor-in-Chief des J. of Contaminant Hydrology sowie Obmann und Mitglied mehrerer Normungsausschüsse (DIN, ISO, KRdL). Er koordiniert mehrere Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der Gefahrenbeurteilung und Sanierung kontaminierter Standorte.

Prof. Dr.rer.nat. Ulrich Förstner studierte Geologie und Mineralogie in Tübingen und arbeitete seit 1968 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und seit 1972 als Dozent und außerplanmäßiger Professsor an der Fakultät für Geowissenschaften der Universität Heidelberg; 1982 wurde er als Leiter des Arbeitsbereichs Umweltschutztechnik an die Technische Universität Hamburg-Harburg berufen. Mit über siebzig Forschungsprojekten, zahlreichen Mitgliedschaften in nationalen und internationalen Fachgremien und mit 16 Büchern ist er an den wesentlichen Entwicklungen auf dem Gebiet des Gewässer- und Bodenschutzes seit Ende der sechziger Jahre beteiligt. Das Buch 'Umweltschutztechnik' liegt bereits in der sechsten Auflage vor und bietet als 'Klassiker' einen vollständigen Überblick über Grundlagen, Techniken und Vorschriften im Umweltbereich.

 

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Leseprobe

1 Technische Geochemie – Konzepte und Praxis (S. 1)

Zwei allgemein bekannte Leitperspektiven des technischen Umweltschutzes sind die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien und eine weitestgehende Vermeidung von Abfall. In einem dritten Sektor entwickelt sich ohne besondere öffentliche Aufmerksamkeit ein neues Langzeitdenken, das in jeder Hinsicht dem Leitbild einer nachhaltigen zukunftsfähigen Entwicklung entspricht. Es handelt sich um die nachsorgefreie Ablagerung der letztlich unvermeidbaren Restabfälle, die Optimierung des Einsatzes von Primär- und Sekundärrohstoffen und um die naturnahe Behandlung von kontaminierten Grundwässern.

Diese Praxisanwendungen von geochemischen Grundlagen werden in dem vorliegenden Buch dargestellt. Die Bedeutung des geochemisch-technischen Ansatzes lässt sich anhand der strategischen Neuausrichtung bei der Abfallentsorgung zeigen: In der Tabelle 1.1 sind noch alle Sicherungselemente des früheren „Multibarrierenkonzeptes" (Stief 1986) von der Geologie des Deponieuntergrundes bis zur Nachsorge aufgeführt.

Auch nach der TA Siedlungsabfall (TASi) von 1993 sind „Deponien so zu planen, zu errichten und zu betreiben, dass mehrere weitgehend unabhängig wirksame Barrieren geschaffen und die Freisetzung und Ausbreitung von Schadstoffen nach dem Stand der Technik verhindert werden".

Betrachtet man jedoch das auf die praktische Umsetzung gerichtete Ziel der TASi, die Ablagerung thermisch behandelter Abfälle zum Regelverfahren werden zu lassen, dann erhält die primäre Schadstoffeinbindung in der Abfallmatrix („Innere Barriere") eine hohe Priorität gegenüber den nachgeschalteten „Barrieren". Bei einem überschaubaren Spektrum an Stoffen und Reaktionen wäre es künftig möglich, mit verbesserten Prüfverfahren allein über die Zuordnungskriterien eine langfristige und weiträumige Sicherheit zu gewährleisten.

Es ist das Ziel der geochemischen Verfahrensansätze in der Entsorgungstechnik, nicht nur naturnahe, sondern auch möglichst übersichtliche Ablagerungsbedingungen zu schaffen, die eine langfristige Prognose erlauben. Diese Voraussetzungen sind bei der Hausmüllverbrennung durch die Zerstörung reaktiver organischer Substanzen und eine nachfolgende Nassbehandlung nahezu perfekt gegeben1). Bei anderen Massenabfällen wie Bergbauresten oder Baggergut muss eine dauerhafte Sicherung über die Auswahl eines geeigneten Ablagerungsmilieus erfolgen. Langzeitprognosen sind auch hier integraler Bestandteil der technischen Maßnahmen, erfordern jedoch weitergehende Informationen über die mögliche Freisetzung von Schadstoffen.

Bei der geochemischen Immobilisierung von Schadstoffen über geologische Zeiträume empfiehlt es sich, die in der Natur vorkommenden Mineralassoziatio- nen, die sich als stabil während der „sedimentären Diagenese" erwiesen haben, zum Vorbild zu nehmen. Je besser die Übereinstimmung zwischen dem anthropogenen „Sediment" und dem entsprechenden geogenen Modell, desto realistischer wird die langfristige Prognose über die Stabilität der Abfälle.

Ein klassisches Beispiel, bei dem von Seiten der Technischen Mineralogie erstmals eine solche umweltrelevante Problemstellung gelöst wurde, ist die Mineralisierung von hochradioaktiven Abfalllösungen in der nuklearen Entsorgungstechnik (Ringwood u. Kesson 1988). Jedoch müssen nicht nur radioaktive Abfälle, sondern auch nichtradioaktive Sonderabfälle oftmals mit der gleichen Sorgfalt von der Biosphäre isoliert werden.

Geowissenschaftliche Erkenntnisse und Informationen gehören heute zu den unverzichtbaren Grundlagen langfristig umweltverträglicher und damit zukunftsträchtiger Technologien zum Schutze unserer Umwelt. Die Anwendung geochemischer Kenntnisse bei der Erschließung und Nutzung von Ressourcen lässt sich zwar bis in die Antike zurückverfolgen, jedoch erfolgte bezüglich des Umweltschutzes der eigentliche Durchbruch erst in jüngster Zeit – nicht zuletzt dank der Entwicklung des erforderlichen analytischen Instrumentariums.

Da sich auf lange Sicht jede Entsorgung innerhalb der Anthroposphäre auf die natürlichen biogeochemischen Kreisläufe auswirken wird, ist für neue entsorgungstechnische Konzepte ohne Einbeziehung der natürlichen Mechanismen zur Verringerung von negativen Umweltauswirkungen durch Schadstoffe bei steigendem Umweltbewusstsein keine breite Akzeptanz zu erwarten.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort6
Inhaltsverzeichnis8
1 Technische Geochemie – Konzepte und Praxis14
1.1 Ingenieurgeochemie – Einführung18
1.1.1 Fachliche Grundlagen der Ingenieurgeochemie20
1.1.2 Definitionen und Fallbeispiele21
1.2 Geochemie im Leitbild „Nachhaltigkeit“24
1.2.1 Kapazitätsgrenzen für Stoffflüsse24
1.2.2 Gekoppelte geochemische Systemfaktoren28
1.2.3 Geochemische Barrieren-Konzepte38
1.2.4 Leitbild „Endlagerqualität“48
1.2.5 Geowissenschaften und nachhaltige Abfallwirtschaft52
1.3 Umweltchemie – Technologische Aspekte56
1.3.1 Umweltchemische Konzepte57
1.3.2 Umweltchemikalien und Stoffdynamik68
1.3.3 Schadstoffquellen und Belastungspfade74
1.3.4 Medienübergreifende Schadstoffflüsse79
1.4 Umweltgeochemie – Grundlagen und Anwendungen82
1.4.1 Globale und regionale Stoffflüsse82
1.4.2 Untersuchung mobilisierender Einflussfaktoren93
1.4.3 Natürliche Demobilisierung von Schadstoffen103
1.4.4 Chemische Bewertung kontaminierter Feststoffe108
1.5 Ingenieurgeochemie und Abfallwirtschaft112
1.5.1 Abfallvermeidung bei der Rohstoffgewinnung112
1.5.2 Langzeitstabilisierung von Abfall122
1.5.3 Ingenieurgeochemisches Handlungskonzept137
Literatur146
2 Natürlicher Abbau und Rückhalt von Schadstoffen164
2.1 Rückhalt/Sorption organischer Schadstoffe im Untergrund (Grundlagen)164
2.1.1 Sorptionsmechanismen und -isothermen164
2.1.2 Einfluss des natürlichen organischen Materials auf die Sorption172
2.1.3 „Partitioning“ in natürlichem organischem Material176
2.1.4 Sorption in heterogenen Materialien180
2.1.5 Adsorption organischer Verbindungen durch Aktivkohlen183
2.1.6 Sorptionskinetik184
2.2 Stofftransport im Grundwasser Advektion/Retardation, Dispersion, Abbau191
2.2.1 Advektion und Retardation191
2.2.2 Dispersion und Verdünnung192
2.2.3 Schadstoffabbau: Stationäre Fahnen200
2.2.4 Transportvermittlung: Kosolventen/DOC/Kolloide/Partikel204
2.3 Schadstoff-Freisetzung (Desorptionskinetik, Lösungskinetik)205
2.3.1 Stoffübergang zwischen mobiler und immobiler Phase206
2.3.2 Lösungskinetik feinverteilter residualer Phasen210
2.3.3 Löslichkeit und Lösungskinetik214
2.3.4 Schadstofflösung aus „Pools“223
2.3.5 Schadstoff-Freisetzung durch diffusionslimitierte Desorption227
2.3.6 Rückdiffusion aus Geringleitern (Ton- und Kohlelagen)231
2.4 Zeitskalen im Schadensherd und Natural Attenuation234
2.4.1 Zeitskalen der Lösung residualer Flüssigphasen234
2.4.2 Diffusionslimitierte Desorption237
2.4.3 Wirkung von Lösungsvermittlern zur beschleunigten Sanierung von Schadensherden241
2.4.4 Fazit: „Natural Attenuation“ im Schadensherd244
Literatur247
3 Ingenieurgeochemie im Boden- und Gewässerschutz– Praxisbeispiele und rechtlicher Rahmen256
3.1 Sickerwasserprognose für anorganische Schadstoffe268
3.1.1 Anforderungen nach Bundes-Bodenschutzverordnung268
3.1.2 Materialuntersuchung271
3.1.3 Ergänzende Verfahren283
3.2 Langzeitverhalten von Deponien286
3.2.1 Regelungen und Maßnahmen zur Emissionsminderung287
3.2.2 Langzeitverhalten von organischen Deponien292
3.2.3 Ablagerung von thermisch behandelten Abfällen296
3.3 Geochemische In-situ-Stabilisierung von Bergbaualtlasten311
3.3.1 Grundlagen der Sauerwasserbildung311
3.3.2 Prognose der Sickerwasserqualität315
3.3.3 Technologien und Behandlungsmethoden für Sauerwässer bei der Ablagerung von Bergematerialien und Tailings318
3.3.4 Verwahrung von Untertagebergwerken und Tagebauen326
3.3.5 Entwicklung umfassender Sanierungsstrategien –Das Fallbeispiel WISMUT329
3.4 Gewässersedimente und Baggergut343
3.4.1 Integrierte Prozessstudien344
3.4.2 Problemlösungen für Überflutungssedimente351
3.4.3 Subaquatische Lagerung356
3.4.4 Capping – Aktive Barriere-Systeme360
3.4.5 Strategien für ein integriertes Sedimentmanagement370
3.5 Sedimente und WRRL – Fallstudien Rhein und Elbe374
3.5.1 Forschungsinitiativen zum integrierten Sedimentmanagement374
3.5.2 Erfassung von partikelgebundenen Schadstoffbelastungen376
3.5.3 Qualitätssicherung bei der Untersuchung von Sedimentproben380
3.5.4 Konzept der Sedimentstudien von Rhein und Elbe393
2.5.5 Ausgewählte Ergebnisse der Rheinstudie – POR III397
3.5.6 Ausgewählte Ergebnisse der Elbestudie – HPA401
3.6 Integrierte Untersuchungen in Böden, Grundwässern, Sedimenten und Flüssen: Anwendungen vom EU ProjektAquaTerra406
3.6.1 Einleitung406
3.6.2 Zeitlich integrierende Messmethoden aus den Unterprojekten FLUX und BIOGEOCHEM408
3.6.3 Konzeptionelles Modell der Schadstofffrachten416
3.6.4 Modellierungen des Systems417
3.6.5 Verbindungen von AquaTerra zu anderen Initiativen418
Literatur420
4 Materialien450
4.1 Ausgewählte Ergebnisse aus dem BMBF-Verbundprojekt SiWaP450
4.1.1 Einleitung450
4.1.2 „Quellterm“ – experimentelle Befunde451
4.1.3 „Transportterm“ – experimentelle Befunde459
4.1.4 Aktuelle Aktivitäten zur Gefährdungsabschätzung und Verwertung461
4.1.5 Zitierte Literatur462
4.2 Durchströmte Reinigungswände – Verbund „RUBIN“464
4.2.1 Übersicht zum Stand des BMBF-Förderschwerpunktes RUBIN464
4.2.2 Wissenschaftlich-technische Fragestellungen466
4.2.3 Durchströmte Reinigungswände in Deutschland und Österreich469
4.2.4 Zitierte Literatur470
Sachverzeichnis472
Verzeichnis der Dateien auf der beigefügten CD484

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