„Tiergestütztes Helfen und Heilen bedeutet eine neue und vermutlich die intensivste Stufe tierischer Domestikation: Tiere sollen nicht nur für diese oder jene Funktion im Dienste des Menschen abgerichtet werden, sondern durch ihre bloße Existenz selbst hilfreich sein“ (Greiffenhagen 1993, S. 22).
Die tiergestützte Therapie und Pädagogik setzt auf die Integration von bewussten und unbewussten Prozessen. Doch was bewirkt sie wirklich? Diese Arbeit will überprüfen, ob sich ihre Erfolge belegen lassen und erläutert die Einsatzmöglichkeiten unterschiedlicher Tierarten.
Dazu werde ich im Folgenden zuerst auf die Historie der tiergestützten Arbeit eingehen und danach die Begriffe der tiergestützten Aktivitäten, Pädagogik und Therapie definieren. Des Weiteren werde ich die Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes verschiedener Tierarten erläutern und zuletzt die physiologische, psychologische und soziale Wirkung von Tieren auf den Menschen anhand unterschiedlicher Studien belegen.
Seit Jahrhunderten gibt es Berichte über hilfreiche Kontakte und die Verbundenheit zwischen Mensch und Tier. Die Mitwirkung von Tieren in einfachen Formen der Therapie mit behinderten Menschen werden bereits im 8. Jahrhundert erwähnt. Im 9. Jahrhundert wurde in Gheel (Belgien) eine „therapie naturelle“ durchgeführt, bei der sozio-ökonomisch benachteiligte Menschen durch die Landarbeit mit Tieren eine bessere Lebensbasis und mehr Lebenszufriedenheit erlangen sollten (vgl. Olbrich 2001, S. 26). Zur selben Zeit wurden in belgischen Klöstern geistig behinderte Waisenkinder unter zur Hilfenahme von Hunden erfolgreich therapiert (vgl. Röger-Lakenbring 2006, S. 13).
Auf der Suche nach einem humaneren Umgang mit emotional gestörten und geistig behinderten Menschen kam es im 18. Jahrhundert zur Gründung des York Retreat, einer „Anstalt für Geisteskranke“ in England (1792). In dieser wurden die bisher strafähnlichen Methoden im Umgang mit den Patienten durch die Möglichkeit eines einfachen Zusammenlebens von Menschen und Tieren - ähnlich dem Leben auf einem Bauerhof - verbessert. Dazu wurden die Patienten gezielt in die Betreuung und Versorgung der Tiere mit einbezogen. Oftmals kam es zum Aufbau einer emotionalen Beziehung zwischen Mensch und Tier. Die Tiere gaben den Menschen das Gefühl gebraucht zu werden und vermittelten ihnen gleichzeitig die Bestätigung über Kompetenzen zu verfügen (vgl. Olbrich 2001, S. 26).
Im 19. Jahrhundert wurde der therapeutische Nutzen von Tieren für den Heilungsprozess insbesondere von Florence Nightingale hervorgehoben.
In Deutschland wurde erstmals 1867 in den Krankenanstalten von Bethel mit dem therapeutischen Einsatz von Tieren gearbeitet. Bei den Krankenanstalten handelt es sich um eine „Institution ohne Mauern“ in Bielefeld für Menschen mit neurologischen und psychischen Erkrankung. Es begann mit der unterstützenden Therapie mittels unterschiedlicher Tierarten bei Epileptikern bis hin zum Einsatz einer Reittherapie (vgl. Röger-Lakenbrink 2006, S. 13). Auch heute noch sind die Bielefelder Einrichtungen bekannt für den Einsatz und die Erforschung tiergestützter Arbeit.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden bei den in Folge des ersten Weltkrieges erblindeten Menschen erstmals zu Blindenführhunden ausgebildete Hunde eingesetzt. In den 1980er Jahren folgten dann Ausbildungen von Hunden zu Behindertenhunden für Hörgeschädigte (hearing-dogs) und für körperlich Behinderte (service-dogs) (vgl. Heidenberger 2004, S. 109). Aber erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts kam es zu einer Verbreitung der tiergestützten Arbeit und dem Ansatz einer wissenschaftlichen Begleitung.
In den USA errichtete das Army Air Corps in Pawling ein Convalescent Hospital, in dem sich Soldaten des 2. Weltkrieges von ihren Kriegsverletzungen und Traumata erholen konnten. In einem Teil der Therapien wurde mit dem Einsatz von Nutz- und Wildtieren gearbeitet (vgl. Olbrich 2001, S. 27).
In den 1960er Jahren begann die Dokumentation des gezielten Einsatzes von Hunden als therapeutische Helfer und Begleiter. Vor allem in England, Amerika und Australien kam es zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit dem Thema des Hundes als „Co-Therapeut“ zwischen Psychologen, Ärzten und Therapeuten. Insbesondere der Kinderpsychologe Boris Levinson aus New York gab einen Anstoß zur Systematisierung und Untersuchung der hilfreichen Einflüsse von Tieren auf den Menschen. Er selbst hatte durch einen Zufall festgestellt, welchen Einfluss sein eigener Hund „Jingle“ auf den Behandlungs- und Heilungsprozess seiner kleinen Patienten hatte und begann daraufhin, „Jingle“ gezielt in seiner Praxis einzusetzen. 1969 erschien sein richtungsweisendes Werk „Pet oriented Child-Psychiatry“, in welchem er den therapeutischen Einsatz von Hunden im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Psychotherapie beschrieb. In den 1970er Jahren entstand dann in Amerika eine Vereinigung, in der sich Angehörige unterschiedlicher Professionen aus England und den Vereinigten Staaten mit der wissenschaftlichen Erforschung von positiven Effekten der Mensch-Tier-Beziehung befassten. Von diesem Zeitpunkt an entwickelte sich langsam ein neuer Wissenschaftszweig: die Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung. Damit stieg auch die Anzahl der aus unterschiedlichen Bereichen kommenden angelsächsischen Wissenschaftler, welche sich mit den Einflüssen und Auswirkungen tiergestützter Arbeit beschäftigten. Als Folge der zahlreichen Veröffentlichungen kam es zu den ersten überregionalen Seminaren und Symposien (vgl. Röger-Lakenbrink 2006, S. 92).
In England kam es vor der Einführung eines ähnlichen Systems zu massivem Widerstand, welcher v. a.hygienische Bedenken bei dem Einsatz von Tieren z. B. in Krankenhäusern betraf. Nachdem dieser ausgeräumt war, gründete sich 1983 die Wohlfahrtsorganisation „Pets as Therapy“, welche auch wissenschaftliche Studien zu den positiven Effekten tiergestützter Arbeit durchführte (vgl. Hornsby 2000, S. 79)
Ferner kam es 1989 in Portland/Oregon zur Gründung der Stiftung „Delta Society“, die mit ihrem „Pet-Partner-Program“ die „pet-facilitated-therapy“ flächendeckend in den USA einführte. Seitdem werden Programme der Animal-Assisted-Activities und der Animal-Assisted-Therapy ausgearbeitet und zum Teil auch evaluiert. Heute ist die Organisation im ganzen Land anerkannt, insbesondere durch die fortwährende Arbeit der wissenschaftlichen Forscherteams und die kontinuierlichen Fortbildungen der Mitarbeiter (vgl. Röger-Lakenbrink 2006, S. 14).
Der erste „internationale Dachverband für die Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung“ die IAHAIO (International Association of Human Animal Interaction Organisations) mit Sitz bei der „Delta Society“ wurde im Jahr 1990 gegründet. Seine Aufgaben bestehen in der Förderung des Austausches wissenschaftlicher Erkenntnisse zwischen den Beteiligten sowie der wissenschaftlichen Weiterentwicklung, der regelmäßigen Durchführung interdisziplinärer wissenschaftlicher Kongresse u. a.
Zeitgleich entwickelte sich in der Bundesrepublik Deutschland der Würzburger Verein „Tiere helfen Menschen e. V.“ (1987) und der Berliner Verein „Leben mit Tieren“ (1988) (vgl. Röger-Lakenbrink 2006, S. 14 f.). Im selben Jahr wurde auch der „Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. phil. Bergler gegründet. Er befasst sich vor allem mit der Erforschung der sozialen Beziehungen zwischen Menschen und Heimtieren. In regelmäßigen Vortragsveranstaltungen werden die Ergebnisse vorgestellt (vgl. Röger-Lakenbrink 2006, S. 93).
Vergleichbare Entwicklungen fanden auch in Österreich mit der Entstehung des Vereins „Tiere als Therapie“ (TAT) im Jahre 1991 und 1994 in der Schweiz mit der Gründung des „Verein Therapiehunde Schweiz“ (VTHS) statt.
Seit dem Jahr 2000 sind in Deutschland eine vermehrte Anzahl von Vereinen, Verbänden und Instituten entstanden, die sich bemühen, Standards, Kriterien und Richtlinien für die Ausbildung zu erarbeiten. Leider kam es bisher zu keiner Einigung und damit auch zu keinen einheitlichen Standards (vgl. Röger-Lakenbrink 2006, S. 16).
In der ursprünglichen englischen Definition wurde von „pet-facilitated“ oder „animal-facilitated-therapy“ gesprochen. Also von Aktivitäten und Therapien mit Haus- und anderen Tieren.
Als „tierische“ Co-Therapeuten werden oft Hunde, aber auch Lamas, Alpakas, Schildkröten, Katzen, Kaninchen, Pferde u. a. eingesetzt werden. Aus diesem Grund wird im Allgemeinen von einer tiergestützten Arbeit gesprochen (vgl. Röger-Lakenbring 2006, S. 25).
Auch ich werde im Rahmen meiner Arbeit der...