3.1 Instrumente
Es gibt eine ganze Reihe verschiedener Instrumente und Mechanismen um an externes Wissen zu gelangen. Neben den bereits bekannten Instrumenten und Mechanismen wie z. B. Allianzen, strategische Netzwerke, Joint Ventures, etc. werden an dieser Stelle vier neuere Instrumente zur Gewinnung externen Wissens im Sinne offener Innovationsprozesse vorgestellt. Die Argumentation ist aus Sicht des Innovation bzw. Wissen suchenden Unternehmens. Die verschiedenen zur Verfügung stehenden Instrumente und Mechanismen sind jedoch nicht grundsätzlich für den Einsatz über alle Phasen des Innovationsprozesses hinweg, sowie für den Austausch unter den diversen Akteuren geeignet. Verschiedene Prozessphasen und verschiedene Akteure benötigen gegebenenfalls unterschiedliche Methoden und Instrumente.
„Toolkits for user innovation are coordinated sets of “user-friendly” design tools that enable users to develop new product innovations for themselves. The toolkits are not general purpose. Rather, they are specific to the design challenges of a specific field or subfield, such as integrated circuit design or software product design. Within their fields of use, they give users real freedom to innovate, allowing them to develop producible custom products via iterative trial and error. That is, users can create a preliminary design, simulate or prototype it, evaluate its functioning in their own use environment, and then iteratively improve it until satisfied.“[100]
Toolkits ermöglichen eine Arbeitsteilung zwischen Unternehmen und Toolkit-Nutzer. Sie sind zumeist internetbasiert und benötigen moderne IuK-Technologien. Ein Unternehmen kann ein Toolkit erstellen, mit dem es seinen Kunden oder auch zukünftigen Kunden ermöglichen kann in bestimmten Bereichen, Aspekte eines Produktes zu verändern oder zu innovieren. Durch die Übertragung dieser Arbeitsschritte auf den Kunden, haben Toolkits for User Innovation vor allem zwei Vorteile. Zum einen kann durch sie der aufwändige und fehleranfällige Verständnisprozess der Nutzerbedürfnisse (Übertragung von sticky information) umgangen werden und zum anderen entfällt der ständige Abgleich zwischen Unternehmen und Nutzer während der trial and error Zyklen, da diese komplett vom Nutzer durchgeführt werden und so zu einem schnelleren und günstigeren Lernprozess führen.[101]
Ein effektives Toolkit basiert auf fünf Anforderungen: Die wichtigste Eigenschaft, die ein Toolkit erfüllen muss, ist es dem Nutzer (1) komplette Designzyklen gefolgt von iterativem Lernen (trial and error/learning-by-doing[102]) zu ermöglichen (Siehe hierzu Abbildung 10). Dies kann besonders gut durch Virtual Prototyping Simulationstechnologien erreicht werden und kann ggf. durch Rapid Prototyping Methoden zur Präzisionserhöhung unterstützt werden. Darüber hinaus müssen Toolkits (2) benutzerfreundlich sein, d. h. sie sollten vom Nutzer in seiner eigenen Designsprache ausführbar sein und von ihm nicht verlangen eine neue Designsprache zu erlernen.[103] Ein Toolkit muss außerdem (3) Informationen über den zulässigen Lösungsraum, die Möglichkeiten und Grenzen des zur Verfügung stehenden Produktionsprozesses, beinhalten. Dies stellt sicher, dass das Nutzerdesign mit den Mitteln des Herstellers produzierbar ist. Des Weiteren muss ein Toolkit eine (4) Bibliothek an standardisierten Modulen beinhalten. Diese bilden den Lösungsraum des Toolkits ab und bestimmen dessen Benutzerfreundlichkeit. Die Bereitstellung solcher standardisierten Module ermöglicht dem Nutzer, den Fokus seiner kreativen Arbeit auf die Aspekte zu lenken die wirklich neuartig sind, so das er das Rad nicht neu erfinden muss. Schließlich muss die, durch das Toolkit entstandene, Nutzerlösung in die (5) „Sprache“ des Produktionssystems übersetzbar sein. Ist dies nicht gegeben, müsste der Hersteller das Design nochmals komplett Nachvollziehen und das Toolkit hätte keinen Sinn.[104]
Abb. 10: Herstellerinnovator vs. Nutzer Co-Creator
Quelle: Thomke, Stefan/von Hippel, Eric (2002), S. 76.
Dennoch sind Toolkits for User Innovation nicht immer einfach abgrenzbar von den auf Mass Customization ausgerichteten Toolkits for User Design. Toolkits können nicht jeden Nutzer zufrieden stellen, da es generell nicht möglich ist jede Art von Design mit ihnen durchzuführen. Darüber hinaus können sie nur Produkte generieren die normalerweise technisch nicht sehr Anspruchsvoll sind, wie jene die von erfahrenen Ingenieuren mittels konventioneller Methoden entwickelt werden.[105] Reichwald/Piller erläutern dies am Beispiel des von von Hippel/Katz beschriebenen Toolkits zum Design eigener Computerchips.[106] Es können zwar neue Funktionen für diese Chips entworfen werden, jedoch kann das grundsätzliche Design (bspw. 65nm oder 45nm Schaltkreise) nicht verändert werden. Das es sich hierbei um ein User Innovation Toolkit handelt, sowie die Abgrenzung von einem User Design Toolkit, also der Mass Customization, wird von Reichwald/Piller anhand des dennoch sehr großen möglichen Lösungsraums begründet, „auch wenn die weitgehende Digitalisierung der Entwicklung und Fertigung Produktionsprozesse der individuellen Chips erlaubt, die sehr stabil sind und eher einer Mass-Customization-Situation entsprechen.“[107]
Nach Meinung des Verfassers ist die Begründung von Reichwald/Piller jedoch nicht hinreichend genug um eine Trennung zwischen Design Toolkit und Innovation Toolkit zu rechtfertigen, da der Lösungsraum trotz der Zahl der möglichen Lösungen eingeschränkt ist. Aber auch die vielen anderen Beispiele zu Toolkits, die in der Literatur zu finden sind, sind als Instrumente der Mass Customization zu sehen. Allerdings bilden die Toolkits an sich eine Innovation, da der Prozess der Mass Customization durch diese verändert wird.
Bei einem Ideenwettbewerb ist das Ziel, eine Idee für eine Innovation zu bekommen, er steht somit ganz am Anfang des Innovationsprozesses. Walcher weist darauf hin, dass die bei einem Ideenwettbewerb eingebrachten Beiträge keinesfalls Innovationen sind, sondern höchstens Inventionen oder eine Vorstufe zu einer Invention.[108] Ein „Ideenwettbewerb [stellt] eine Aufforderung eines privaten oder öffentlichen Veranstalters an die Allgemeinheit oder eine spezielle Zielgruppe dar, themenbezogene Beiträge innerhalb eines bestimmten Zeitraums einzureichen. Die Einsendungen werden dann in der Regel von einer Expertengruppe an Hand von verschiedenen Beurteilungsdimensionen bewertet und leistungsorientiert prämiert.“[109]
Ideenwettbewerbe können grundsätzlich von jedem ausgeschrieben werden, sei es eine Privatperson, ein Unternehmen oder eine öffentliche Einrichtung. Die Ausschreibung erfolgt stets themenbezogen, d. h. ist an eine bestimmte Zielgruppe gerichtet, mit für dieses Thema spezifischen Eigenschaften oder Kompetenzen als Vorraussetzung zur Teilnahme. Bei der Beurteilung der einzelnen Beiträge muss Wert darauf gelegt werden, dass die Jury aus Experten zu diesem Thema besteht und neben der Kreativität auch noch andere Aspekte wie z. B. Neuartigkeit, Angemessenheit und Umsetzung mit in das Endergebnis einfließen. Ein weiteres einen Wettbewerb bestimmendes Merkmal ist die zeitliche Begrenzung, die je nach Art der verlangten Leistung bemessen wird. Schließlich muss für die Teilnahme ein Ansporn in Form einer Prämierung ausgelobt werden. Die Gewinner können mit Hilfe eines Scoringmodells ermittelt und entsprechend ihrer Leistung prämiert werden. Ein großer Vorteil von Ideenwettbewerbern ist neben den hierdurch gewonnen Ideen, die Möglichkeit potentielle Lead User ausfindig zu machen. Alleine durch seinen Aufbau liefert der Ideenwettbewerb einen doppelten Selektionsprozess. Die erste Selektion entspricht einer Selbstselektion der Personen, die sich zur Teilnahme entscheiden. Die zweite Selektion findet mittels der Gewinnerermittlung statt. Es ist zwar nicht garantiert, dass es sich hierbei dann auch tatsächlich um einen Lead User handelt, die Wahrscheinlichkeit ist jedoch sehr hoch. Darüber hinaus bietet diese Art der Lead User Suche erhebliche Vorteile bzgl. Aufwand und Kosten gegenüber anderen Maßnahmen.[110]
Die bisher dargestellten Instrumente berücksichtigen lediglich die Integration einzelner Entitäten in den Innovationsprozess. Jedoch weisen Reichwald/Piller darauf hin, das in der Praxis die meisten Innovationen nicht von einem einzelnen Inventor stammen, sondern auf der Zusammenarbeit vieler Beteiligter beruhen – den Communities.[111] Der Begriff der Community ist jedoch ein in der Literatur höchst umstrittener Begriff, was bereits Hillery 1955 in der Untersuchung von 94 verschiedenen Definitionen zu Community feststellte. In seiner Untersuchung hat er lediglich eine einzige Übereinstimmung ausmachen können, die in allen 94...