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Der Abschied von den Toten

Trauerrituale im Kulturvergleich

VerlagWallstein Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl376 Seiten
ISBN9783835320819
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Der Abschied von den Toten, den die Lebenden (und oft nur die Überlebenden) mit den Mitteln ritueller Trauer in Szene setzen, ist ein universelles (und damit unerschöpfliches) Phänomen. Der vorliegende Band hat seinen Schwerpunkt in den Toten- und Trauerriten des südasiatischen Raumes, dem zwei ganz andere Bereiche gegenüber gestellt werden: die Toten- und Trauerriten im Alten Orient und Alten Ägypten einerseits und die Auseinandersetzung mit Tod und Trauer in der westlichen Moderne - insbesondere mit den Opfern des Holocaust in Deutschland und Israel. Diese breite und dennoch punktuelle Beleuchtung der Phänomene führt nicht nur die kulturelle Differenz und anthropologische Konstanz vor Augen, sie vermittelt zugleich einen Eindruck von der Aufgabe einer transkulturellen Angleichung des Trauerverhaltens in den Zeiten der Globalisierung - eine weltumfassende und medial inszenierte Trauer, wie sie etwa anläßlich der Todesopfer der Tsunami-Katastrophe in Süd- und Ostasien oder des Todes von Papst Johannes Paul II. vor aller Augen stand.

Jan Assmann, geb. 1938, Professor em. für Ägyptologie in Heidelberg, Projektleiter im Sonderforschungsbereich (SFB) 'Ritualdynamik - Soziokulturelle Prozesse in historischer und kulturvergleichender Perspektive'. Publikationen u.a.: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen (1992), Tod und Jenseits im Alten Ägypten (2003). Franz Maciejewski, geb. 1946, Dr. phil., Soziologe, leitet im Heidelberger SFB Ritualdynamik das Projekt 'Erinnerungsrituale des Holocaust'. Zuletzt erschienen u.a. Psychoanalytisches Archiv und jüdisches Gedächtnis. Freud, Beschneidung und Monotheismus (2002), Der Kotau der Mächtigen: Zur Globalisierung des Rituals öffentlicher Entschuldigung (2004). Axel Michaels, geb. 1949, Professor für klassische Indologie am Südasieninstitut in Heidelberg, Projektleiter und Sprecher des SFB 'Ritualdynamik'. Publikationen u.a.: Ritual und Gesellschaft in Indien (1986), Klassiker der Religionswissenschaft (1997), Der Hinduismus. Geschichte und Gegenwart (1998), (mit Ulrich Luz) Jesus oder Buddha. Leben und Lehre im Vergleich (2001).

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Leseprobe
Franz Maciejewski (S. 245-246)

Trauer ohne Riten – Riten ohne Trauer
Deutsche Volkstrauer nach 1945


Das Ende des Zweiten Weltkrieges ist das komprimierte Datum traumatischer Schockerfahrungen von Massentod und Zerstörung. Über Deutschland liegt ein Schatten tiefer Trauer, der sich auf mindestens vier Ereigniskomplexe beziehen läßt: (1) den Bombenkrieg mit seinen unzähligen zivilen Toten und der Trümmerlandschaft zerstörter Städte, (2) die militärische Niederlage mit dem Massentod der Soldaten und dem ungewissen Schicksal der Kriegsgefangenen, (3) die Flucht und Vertreibung aus dem Osten mit der Erfahrung von Tod, Vergewaltigung und Verlust der Heimat, sowie (4) den mit der Befreiung der Konzentrations- und Vernichtungslager sichtbar gewordenen Massenmord an Millionen Unschuldiger, also den Holocaustverbrechen.

Es bleibt ein bis heute irritierender Befund, daß Zeitgenossen angesichts dieser Katastrophen übereinstimmend von einem Ausbleiben der Trauer bzw. einer eigentümlich gehemmten Trauerarbeit berichten. So haben schon Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, die bei der Bergung der Bombenopfer eingesetzt wurden, wiederholt ihre Verwunderung über den Ausfall erwartbaren Trauerverhaltens zum Ausdruck gebracht, etwa darüber, daß die Hinterbliebenen keinerlei Trauerkleidung trugen.

»Am Ärmel ein Flor, der nach acht Tagen entfernt wurde«, war das Äußerste. Hannah Arendt (sicherlich die bekannteste Zeugin) bestätigt bei ihrem Besuch in Deutschland im Jahre 1949, wie der Alptraum von Zerstörung und Schrecken vom Erschrecken über die Apathie der Menschen überlagert wurde: »Überall fällt einem auf, daß es keine Reaktionen auf das Geschehene gibt, aber es ist schwer zu sagen, ob es sich dabei um eine irgendwie absichtliche Weigerung zu trauern oder um den Ausdruck einer echten Gefühlsunfähigkeit handelt. Die Gleichgültigkeit, mit der sich die Deutschen durch die Trümmer bewegen, findet ihre genaue Entsprechung darin, daß niemand um die Toten trauert
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Trauer und rituelle Trauer8
Die Lebenden und die Toten17
TRAUERRITUALE IN SÜDASIEN I: INDIEN UND SRI LANKA38
Das Totenritual der Sikhs38
Zur Rolle des »provisorischen Körpers« für den Verstorbenen in hinduistischen Bestattungen63
Die Reise der Seele Bestattungsrituale und orale Texte in Arunachal Pradesh, Indien83
Der Tod im vedischen Ritual111
Von Göttern, Geistern und Krähen Buddhistische Bestattungsriten in Sri Lanka126
TRAUERRITUALE IN SÜDASIEN II: NEPAL152
Totenrituale in Bhaktapur, Nepal Trauer und Klage als Phasen von Reinigung und Reintegration152
Gieriger Geist oder verehrter Vorfahr? Das »Doppelleben« des Verstorbenen im newarischen Totenritual182
Der nahende Tod Altersrituale bei den Newars200
Ujyå – Ein letzter Ritus der Vajråcåryas von Lalitpur224
TRAUERARBEIT IM KULTURELLEN RAUM DES WESTENS236
Trauer und Trauma in Israel: Die Totenklage der Überlebenden236
Trauer ohne Riten – Riten ohne Trauer. Deutsche Volkstrauer nach 1945246
Stadtzerstörung und Gedenken: Hamburg – Dresden – Berlin – New York268
Good bye Lenin. Das Orpheusmotiv und das Ende der DDR295
TOD UND TRAUER IN ÄGYPTEN UND IM ALTEN ORIENT308
Totenriten als Trauerriten im Alten Ägypten308
Trauerrituale im Grab des Osiris in Karnak327
Tage – Trauerphasen und Trauerriten in Ägypten343
Altorientalische Trauerriten360
Dank374
Die Autorinnen und Autoren375

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