2. Führungsirrtümer – wie diese der Leistung in Ihrem Unternehmen an den Kragen gehen
»Das Wort ›Irrtum‹ bezeichnet im engeren Sinne eine falsche Annahme, Behauptung, Meinung oder einen falschen Glauben, wobei der Behauptende, Meinende oder Glaubende jeweils von der Wahrheit seiner Aussage(n) überzeugt ist. Im Gegensatz zu einer Lüge, bei der die Wahrheit bewusst verfälscht worden ist, entsteht ein Irrtum unabsichtlich aus falschen Informationen oder Schlüssen. Im weiteren Sinne wird der Begriff des Irrtums auch auf nichtsprachliche Handlungen angewandt, insofern sie aus einer als wahr angenommenen falschen Behauptung, Meinung oder einem falschen Glauben resultieren.« (wikipedia.org)
Eins ist in nahezu allen Unternehmen gleich: Mitarbeiter oder Führungskräfte werden als Hoffnungsträger eingestellt. Die Hoffnung ist groß und hoffentlich auch berechtigt, dass sie zu Leistungsträgern werden. Auf diesem Weg spielt die Führungskultur dann zweifelsohne eine sehr bedeutende Rolle. Ob die Führungskräfte eines Unternehmens ihre Teams und Mitarbeiter fördern, fordern, unterstützen, anhören, kritisieren, loben, kontrollieren, korrigieren und was sonst alles noch helfen könnte oder ob sie vor allem eigene Interessen verfolgen, zu wenig Zeit ins Führen investieren, kaum Gespräche führen, wenig delegieren und wenig Vertrauen schenken: Es macht einen Riesenunterschied.
Obwohl es relativ klar zu sein scheint, welche Verhaltensweisen die geeigneteren sind, trifft man in den Unternehmen alle aufgeführten an, und keine von ihnen selten. Warum dies so ist, beschäftigt mich schon lange, und es gibt eine Menge Gründe. Zu viele Führungskräfte haben das Führen nicht gelernt oder sie hatten kaum Gelegenheit, es bei erfahrenen und tollen Vorgesetzten abzuschauen. Zu viele Führungskräfte wollen gar nicht führen, was wiederum dazu führt, dass sie entsprechend wenig Interesse und Engagement dafür einsetzen. In zu vielen Unternehmen zählen unterm Strich nur die Ergebnisse, weniger der Weg, wie diese erzielt wurden. Und in zu vielen Unternehmen wird nicht kontrolliert, wie geführt wird. Doch diese Gründe allein reichen nicht aus. Zusätzlich gibt es eine Reihe von Führungsirrtümern, die sich in den Köpfen vieler Führungskräfte eingenistet haben – anders kann ich mir einen Teil der Führungsrealität nicht erklären. Mittlerweile habe ich gut und gerne 15 solcher Irrtümer oder Fehlannahmen identifiziert. So gut wie alle beeinflussen die Führungskultur, deshalb teile ich sie in diesem Buch mit Ihnen.
Führungsirrtum Nr. 1: »Werte und Leitbild sind doch nur Papiere, und Papier ist geduldig.«
Viele Jahre lang verstaubten Unternehmenswerte oder Leitbilder in den Tresoren, als ob in ihnen etwas Unanständiges oder etwas höchst Geheimes beschrieben wäre. In den 70er- oder 80er-Jahren konnten sich die Patrons und Unternehmenschefs einfach nicht vorstellen, dass Unternehmenswerte überhaupt relevante Erfolgsfaktoren sein könnten. Was sollten Mitarbeiter mit diesen schon anfangen? Nun, die 70er- und 80er-Jahre sind lange vorbei und genauso, wie die damaligen hierarchischen Firmenorganisationen heute sang- und klanglos scheitern würden, genauso veraltet ist die damalige Meinung über Werte und Leitbilder. Heute sind Werte und Leitbilder an vielen Orten der Kitt, der ein Unternehmen zusammenhält. Sie geben Halt, sie geben Orientierung und sie geben Sinn. Sie prägen die Wahrnehmung eines Unternehmens immer stärker, und sie sind alles andere als überflüssig. Sie sind der Startpunkt von Identifikation mit einem Unternehmen, für die eigenen Mitarbeiter und oft genug auch für Kunden. Sie sind in der ganzen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken, denn die führt Wertediskussionen auch deshalb gern und immer mehr, weil wir alle wissen, in welches Chaos Gesellschaften – und mitunter auch Unternehmen – stürzen, in denen wichtige Werte verloren gehen. Der Wandel ist vollständig – Unternehmen bekennen sich heute zu Werten und zeigen diese auf allen Kanälen, vom Geschäftsbericht bis zur Plakatwerbung.
Ich werde in diesem Buch immer wieder konkrete Tipps notieren, wie Sie in gewissen Fällen oder bei gewissen Themen vorgehen können. Diese Tipps sind alle erprobt, sozusagen »approved by NeumannZanetti & Partner«. Viele unserer Kunden zählen zu den Besten ihrer Branche, und der intensive Best-Practice-Austausch mit diesen macht natürlich auch uns immer fitter. Nicht dass ich Ihnen irgendwelche Geheimnisse verrate: nein. Doch wenn konkrete Vorgehensweisen branchenunabhängig funktionieren und gern eingesetzt werden, dann lässt sich der eine oder andere Tipp daraus schon ableiten. Viele Tipps haben wir übrigens selbst als Erste ausprobiert und erst dann unseren Kunden empfohlen. Weil wir davon überzeugt sind, dass modernes Führen sowohl wertschätzend als auch konsequent und innovativ sein muss, ordne ich die Tipps häufig nach diesen Kategorien.
Wertschätzend führen: Definieren Sie, wie und wo Sie Ihre Werte veröffentlichen
Sie können es sich einfach machen und Ihre Werte auf Ihrer Homepage aufführen. Da machen Sie nichts falsch, aber auch nichts besonders gut oder richtig, denn dort erwarten Bewerber oder Kunden diese Informationen heute. Und dort finden sie diese dann ja auch. Sorgen Sie zusätzlich dafür, dass man Ihren Werten auch dort begegnet, wo man sie nicht erwartet, das erhöht die Wirkung. Je nach Branche dürfen Sie mutig und kreativ sein: in Meetingräumen, im Eingangsbereich Ihrer Firma, auf den Spinden und Schränken Ihrer Monteure oder sogar auf den Werkzeugkisten, in der Küche über der Kaffeemaschine, auf den Türen Ihrer Firmenautos oder als großer Aufkleber auf den Notebooks.
Konsequent führen: Fragen Sie Bewerber, wie diese sich zu Ihren Werten informiert haben
Wenn Sie möchten, dass Ihre Unternehmenswerte wahrgenommen werden und dazu beitragen, ein positives Zeichen zu setzen, dann beginnen Sie so früh wie möglich damit, dies zu thematisieren. Sprechen Sie Bewerber stets darauf an, lassen Sie diese erklären, wie sie die Werte gefunden haben und verstehen. Das ist heute immer noch außergewöhnlich, weil die meisten Bewerbungsgespräche sich rund um die Fachkompetenzen der Bewerber drehen. Erklären Sie im Gegenzug, welche Rolle ihre Werte spielen und wie sie gemeinsam mit den anderen »Papieren« im Unternehmen umgesetzt werden.
Innovativ führen: Stellen Sie Ihre Werte oder Ihr Leitbild in PowerPoint-Präsentationen stets als Abschlussfolie vor.
Jedes Jahr führt unser zehnköpfiges Trainerteam eine Menge Präsentationstrainings durch – in mehreren Sprachen. Und obwohl die Unternehmen oft bereits sehr erfolgreich sind, enden viele Präsentationen höchst langweilig. In vielen Firmen sind die Präsentationsvorlagen ja vorgeschrieben und entsprechend bieder – schließlich müssen sie ja auf viele Situationen passen. Mein Tipp lautet anders: Trauen Sie sich, in alle, aber wirklich ALLE Präsentationen Ihre Unternehmenswerte als Schlussfolie einzubauen. Das wäre einerseits konsequent, weil die Werte so im Alltag vorkommen und nicht verstauben. Zudem wäre dies ganz sicher innovativ, weil es aus den Werten richtig was macht. Ich kann mir gar keine Präsentation vorstellen, deren Kernaussagen sich abschließend nicht mit den Werten in Einklang bringen lassen. Wenn Sie so vorgehen, unterscheiden Sie sich eindeutig und positiv von Mitbewerbern und Sie geben Ihren Kunden ein gutes Gefühl. Nämlich das Gefühl, dass in Ihrem Unternehmen Werte wichtig sind, ernst genommen werden und dass sich alle auf diese Werte verlassen können.
Auch der zweite Führungsirrtum ist immens weitverbreitet, obwohl es meiner Meinung nach bereits zum kleinen Einmaleins des Führens zählt: Ich stelle auch dieses bewusst voran, weil er ein richtiger Kulturkiller ist. Denn es führt dazu, dass die Eigenverantwortung nachlässt – eine echte Katastrophe auf dem Weg zu Exzellenz und selbstredend auch für das Ziel, dass Mitarbeiter gern auf Dauer Spitzenleistungen erbringen. Und falls es noch einen Grund bräuchte: Der Führungsirrtum Nr. 2 hat großen Einfluss darauf, ob Leistungsträger bleiben oder gehen.
Führungsirrtum Nr. 2: »Alles zu mir, dann klappt’s!«
Wenn ich außerhalb der Schweiz unterwegs bin, buche ich je nach Stadt oft das gleiche Hotel. Mal wegen des Services, mal wegen der Lage und mal wegen beiden Punkten. In einem dieser Hotels erlebte ich Folgendes: Die ersten beiden Aufenthalte waren einfach toll. Scheinbar genoss ich VIP-Vorzüge, was mir nicht bekannt war, jedenfalls war’s klasse. Beim dritten Aufenthalt, den ich übers Internet gebucht hatte, mangelte es plötzlich an vielem, vor allem an Servicequalität. Und mein letzter Aufenthalt verlief vollkommen enttäuschend, aber so richtig. Ich sprach die Direktion darauf an. Die Reaktion: »Buchen Sie doch das nächste Mal wieder über mich, dann klappt’s.« Was für ein Führungsmissverständnis! Diese Aussage geht gar nicht! Denn mit Nachhaltigkeit hat sie rein gar nichts zu tun. Ja, sie hält mich fast vom Buchen des nächsten Aufenthalts in diesem Hotel ab.
Wenn Sie selbst führen: Machen Sie es bitte genau so nicht. Trauen Sie Ihren Mitarbeitern etwas zu, fordern Sie diese und übertragen Sie Verantwortung. Und bilden Sie sie aus. Aber denken und sagen Sie bitte nie »Alles zu mir, dann klappt’s«. Denn genau das klappt nicht, und so...