Einleitung
Mein erster Zugang zum Stillen
Ich ging relativ unbedarft an das Stillen heran, da ich davon ausging, dass jede Mutter ihre Kinder stillen würde. Meine Mutter erklärte mir einmal in meiner Kindheit, dass wir Frauen größere Brüste haben als Männer um unsere Babys nähren zu können. Das leuchtete mir ein und machte mich vor allem stolz etwas zu haben, dass mich einzigartig macht. Somit konnte ich es kaum erwarten Mutter zu werden und mein eigenes Kind mit meinen Brüsten zu füttern. Ich freute mich fast 25 Jahre auf diesen Moment. Ich sah meiner Mutter auch gerne beim Stillen zu, was ich schon als Vierjährige sehr schön und sehr positiv erlebte. Jedoch verwirrten mich zwei Dinge als Kind: Warum brauchten wir eine Flasche und warum durfte ich bei meiner Mama nicht mehr trinken, wenn ich ein Geschwisterchen bekam.
Diese Fragen trug ich bis zu Geburt meines Kindes mit mir herum:
Wie lange stillen Babys und ab wann und warum brauchen sie eine Flasche?
Das erste Anlegen
Die Geburt meines Kindes war dann doch irgendwann und unaufhaltsam. Es war mein Kind, mein erstes Baby. Ich war immer davon überzeugt, gut gebären zu können und intuitiv richtig für mein Kind sorgen zu können. Oft kommt alles anders und so wurde mein tolles Geburtserlebnis ein Kaiserschnitt. Ich war zwar bei Bewusstsein, aber ich fühlte mich machtlos und nicht ernst genommen. Kurz nach der Geburt bekam ich das kleine Bündel zwischen meine Brüste gelegt und schaute, was passierte: Es schlug die Augen auf und war hundert Prozent präsent. Langsam wälzte es sich in die Richtung einer Brustwarze und dockte ganz zart und behutsam an.
Der erste Kontakt war wunderschön und überwältigend. Jedoch wurden wir getrennt und ich war die ganze Nacht ohne Baby in einem Zimmer mit zwei anderen verzweifelten Müttern, die nicht wussten, wie sie ihre Kinder stillen sollten. Eine hatte eine ausgewachsene Brustentzündung und die andere »keine« Milch. Und ich, ich hatte nicht einmal mein Baby. Nach Dienstwechsel des Pflegepersonals gegen acht Uhr bekam ich nach dreimaligen Nachfragen endlich mein Kind. Ich stillte es sofort und dann wollte es mir das Krankenhauspersonal schon wieder entreißen. Diesmal reichte es mir. Ich bestand darauf, nicht mehr von meinem Kind getrennt zu werden und nur mehr mit ihm, die jeweiligen zu erledigenden Untersuchungen zu machen. Ich stieß auf Unverständnis und wurde sogar vom Krankenhauspersonal gemobbt. Ich machte weiter. Sobald das Baby wach wurde und sich meldete, legte ich es an. Das klappte auch sehr gut bis circa 72 Stunden nach der Geburt. Auf einmal waren meine Brüste so prall, dass das Baby Mühe hatte, die Brustwarze zu umfassen. Ich rief sehr oft die Kinderkrankenschwestern, um mir beim Anlegen zu helfen. Manche halfen gerne, andere eher nicht, vor allem nachts. Ich hatte, was mir damals noch nicht bewusst war, ein Problem mit dem Stillmanagement und fand keine Ansprechperson, die mir zeigen konnte, was ich machen sollte. Das heißt, dass ich nicht wusste, wie lange und wie oft ich das Baby anlegen sollte. Im Nachhinein denke ich, dass dies der erste Wachstumsschub war.
Nach ein paar Tagen drohte mir eine Kinderkrankenschwester mit Zufüttern von Kuhmilchpulver und Fläschchen, sollte ich es mit dem Stillen nicht hinbekommen. Ich war verzweifelt und unterstrich vehement keine Instantmilch meinem Kind geben zu wollen, sondern auf jeden Fall voll zu stillen. Ich war unendlich müde und gleichzeitig total aufgeputscht, alles tat mir weh und vor allem der nächtliche Weg zum Kinderzimmer, um mein Kind dort zu wickeln, fiel mir besonders schwer. Und so, angetrieben von meiner inneren Stimme, machte ich weiter. Am nächsten Morgen wurde mir wieder mit dem Zufüttern von Instantmilch und Flasche angeraten, da mein Baby angeblich zu viel Gewicht verlor. – Am selben Abend kam eine Kinderkrankenschwester in mein Zimmer und fragte mich nach meinem Befinden und dem Stillen. Ich erkannte sofort, dass dies keine Floskel war, und dass sie mir wirklich helfen wollte. Sie setzte sich kurz zu mir, und ich vertraute ihr meine Sorgen an. Sie riet mir vor dem Wickeln zu stillen und das Wickeln ein Mal auszusetzen. Ich wickelte anscheinend zu oft, da mir die erste Kinderkrankenschwester nach der Geburt auftrug, alle vier Stunden zu wickeln und zu stillen. Zum Glück hielt ich mich beim Stillen nicht an die vier Stunden. Gesteuert durch meine Hormone wickelte ich das Baby nach jedem Aufwachen, alle drei bis vier Stunden, wodurch das Stillen zu kurz kam. Das fiel mir jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht auf, weil ich noch nie so viel in so kurzer Zeit in so lädiertem Zustand ohne zu Schlafen gemacht habe. Für dieses Gespräch in jener Nacht bin ich der Kinderkrankenschwester bis heute noch dankbar. Sie hat etwas ganz einfaches und sehr wirkungsvolles mit viel Einfühlungsvermögen weitergegeben und nach einer möglichen Lösung gesucht, ohne gleich die Flasche zu zücken.
Hebammen und Stillberaterinnen sind der Ansicht, dass das Krankenhaus sich negativ auf das Stillen auswirken kann. Ich teile diese Meinung. Schöne wäre es, wenn jede Mutter eine Hausgeburt mit Doula (Geburtsbegleiterin) und persönlicher Stillberaterin oder eine eigene Hebamme, die sich auch mit dem Stillen auskennt, leisten würde. Die Realität unserer westlichen Gesellschaft ist eben eine andere. Meiner Erfahrung nach liegt das Problem eher darin, dass Ärzte und Krankenschwestern aufgrund ihrer medizinischen Ausbildung annehmen, oder sogar überzeugt davon sind, beim Stillen beraten zu können, was bedauerlicherweise bei den wenigsten zutrifft, weil sie es in ihrer Ausbildung zwar anreißen, aber nicht wirklich vertiefen.
Ich wollte nur mehr nach Hause in meine vertraute Umgebung und mein eigenes Bett.
Das Wochenbett
Zu Hause angekommen, sah ich mich vor neue Tatsachen gestellt. Alles war von meinem Mann liebevoll hergerichtet und dekoriert worden. Ich stillte und wickelte mein Kind und kam dabei weder zum Essen noch auf die Toilette. Es schien mir so als wäre das Klosett zu weit weg und die Küche mit dem Essen sowieso. Ich war noch sehr schwach und keiner war da, um mir zu helfen. Mein Mann war gerade auf Geschäftsreise und deswegen holte mich meine Freundin Michaela vom Krankenhaus ab. Sie kaufte vorab Lebensmittel und Windeln für mich ein und lud mich mit den Sachen und dem Neugeborenen bei mir zu Hause ab. Mir war nicht bewusst, dass ich mich zu Hause auf eine neue Situation einstellen musste und dies eine wirkliche Herausforderung war. Also rief ich meine Mutter an und erklärte ihr, dass ich Hilfe bräuchte und dass es dringend sei, denn ich müsste auf die Toilette und Duschen wäre auch nett, was die nächsten Monate, bis mein Kind wirklich sitzen konnte, eine Herausforderung blieb und auch oft noch danach. Als meine Mutter kam, konnte ich einige Dinge erledigen und auch essen, und für die Nacht bestellte ich mir meine Schwiegermutter, da wir dies schon vor der Abreise meines Mannes vereinbart hatten. Diesen Wechsel, Mutter zwischen 15 und 17 Uhr, Schwiegermutter zwischen 20 und 7 Uhr und manchmal in ihrer Mittagspause und Schwester zwischen 11 und 13 Uhr, behielten wir dann drei Tage bei, bis mein Mann von seiner Geschäftsreise zurückkam. Ich plagte mich in diesen ersten drei Tagen sehr, da mein Kind im Krankenhaus noch relativ viel schlief (vier Stunden am Stück) und es jetzt erst richtig losging – ich hatte das Gefühl 24 Stunden zu stillen. Meine Schwiegermutter war beeindruckt, dass mein Kind so viel trinken würde, aber ich überzeugte sie, dass alles in Ordnung sei, denn nach einigen Gesprächen mit meiner stillerfahrenen Freundin wusste ich, dass dies eine Phase (Wachstumsschub) ist, die genauso plötzlich verschwinden würde, wie sie kam. Und so war es dann auch, mehr oder weniger bis zum Alter von einem Jahr.
Die ersten Monate
Mit der Zeit, nach vier bis acht Wochen können Mutter und Kind das Wochenbett verlassen und die Welt außerhalb der Wohnung mit dem Baby entdecken. Neue Situationen – neue Probleme. Am besten fühlte ich mich in den ersten Tagen, wenn mich mein Mann begleitete und ich mir nur ein Ziel pro Tag vornahm und wir dann wieder schnell nach Hause gingen. Mit der Zeit fiel es mir leichter, mit meinem Kind und vor allem mit dem Kinderwagen durch die Stadt zu spazieren. Trotz Kinderwagen trug ich mein Kind fast immer im Tragetuch und verwendete den Wagen als Ablage für Gegenstände, als mobilen Wickeltisch, und wenn das Baby beim Stillen einschlief, konnte ich es behutsam direkt in den Wagen legen. So waren wir dann bald viel unterwegs und relativ unabhängig. Ich traf Freundinnen mit Kindern in Cafés und Lokalen, die für Kinder vorgesehen waren, andere Mütter mit meist größeren Kindern als meines. Wir kamen ins Gespräch und tauschten uns aus, auch über das Stillen. Viele Mütter, die ich kennenlernte, erzählten mir von einem plötzlichen Milchschwund – die Milch sei plötzlich »weg« gewesen und dass dies bei manchen Müttern so circa im Zeitraum zwischen dem dritten und sechsten Monat vorkam.
Dies war ein Schock für mich. Jetzt hatte ich mich »so lange« bemüht und alles lief so gut und jetzt sollte plötzlich aus unerklärlichen Gründen meine Milch ausbleiben. Sogleich rief ich meine stillerfahrene Freundin an und erzählte ihr von diesem Phänomen. Sie lachte und entgegnete mir, dass es dieses Phänomen nicht gebe, denn es ist sehr selten, dass die Milch aus medizinischen Gründen ausbleibt. Nun gut, ich glaubte ihr, machte mir sicherheitshalber einen Stilltee und hoffte das Beste.
Erneut erzählten mir Freunde und Bekannte, dass die Milch nach drei bis vier Monaten sowieso versiegen würde und ich mir keine großen Illusionen machen...