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Schule neu gedacht - Schule neu gemacht

Die moderne Schule. Reformpädagogische Unterrichtsentwicklung

AutorChristian Laner, Harald Eichelberger, Karin Dietl
VerlagStudienverlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl198 Seiten
ISBN9783706557337
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Niemand kann heute mehr sagen, was unsere Kinder morgen in ihrem Leben erwarten wird. Welche Kompetenzen sollten sich Kinder in der Schule aneignen, damit sie sich auf die Herausforderung des Lebens einstellen können? Wir brauchen aktive, initiative und kreative Kinder, die die Bedeutung des Lernens für ihr ganzes Leben als wesentlich angenommen haben, die forschen und entdecken können, die fähig sind zur Teamarbeit, die sich etwas zutrauen und die in der Schule ihren ersten Lebensentwurf denken können. Szenen aus dem Schulalltag als Ausgangspunkt für aktives und nachhaltiges Lernen und Kompetenzen sind die Grundlage für dieses Buch. Nicht unterrichten, sondern lernen ist der Mittelpunkt des schulischen Lebens. Reformpädagogische Konzepte leiten uns an. Diese Schule macht Kinder selbstbewusst. Aktives Lernen an Stelle von Unterrichtet-Werden, mitbestimmen statt ausführen, Verantwortung übernehmen, über sich selbst bestimmen und forschen, entdecken und diskutieren, dokumentieren, entwerfen und konstruieren stehen im Zentrum der schulischen Aktivitäten. Das Buch dokumentiert die pädagogischen Grundlagen und Unterrichtsentwicklungsprozesse an reformpädagogischen Schulen.

Der Herausgeber: Christian Laner, Mag., Studium der Erziehungswissenschaften, Grundschullehrer, seit 1996 Mitarbeiter am Deutschen Bildungsressort - Bereich Innovation und Beratung in Bozen-Südtirol, Projektleiter des didaktischen Bildungsservers Südtirols 'blikk'. Verantwortlicher für den Bereich 'Digitale Medien in der Schule'. Dozent an der Bildungsfakultät Brixen der Universität Bozen. Die AutorInnen: Harald Eichelberger, Dr., em. Professor für Erziehungswissenschaften und Unterrichtswissenschaften an der Pädagogischen Hochschule in Wien. Universitätslektor der University of Derby und der Universität Osnabrück, fachliche und organisatorische Mitarbeit an EU-Projekten und Leitung von EU-Projekten zur Curriculumentwicklung und zur Lehrerbildung und Lehrerfortbildung. Karin Dietl, Dott., Lehrtätigkeit in Grundschulen mit reformpädagogischer Ausrichtung, Patin des Bildungsservers 'blikk', Mitglied in der Arbeitsgruppe Reformpädagogik in Südtirol.

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Leseprobe

Aller Anfang macht Freude


Peter, der Lehrer für Biologie, sitzt im Lehrerzimmer, schenkt sich gerade einen Kaffee ein und ist mit seinen Gedanken beschäftigt: Das war es eigentlich nicht, was er sich unter dem Lehrberuf vorgestellt hat, vor der Klasse zu stehen, Inhalte durchzuarbeiten, Tests oder Schularbeiten zu machen und dann Noten zu geben. Er hatte eine andere Vorstellung: mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, ihnen einiges zu vermitteln, aber sie vor allem selbst entdecken zu lassen und es wie eine große Reise zu erleben: spannend, manchmal auch sehr anstrengend, aber immer voller neuer Herausforderungen. Jeder sollte sich dann nach seinen Fähigkeiten einbringen.

Da betritt Petra, die Deutschlehrerin, den Raum. Sie spricht Peter an und er erzählt ihr von den Gedanken, mit denen er schon seit einiger Zeit intensiv beschäftigt ist. Petra wird hellhörig, ihr geht es nämlich ähnlich. Sie erzählt von einer Kollegin einer anderen Schule, an der andere Formen des Unterrichts umgesetzt werden. An dieser Schule sollen sogar die Klassen über die Jahrgänge hinweg gemischt sein und in Gruppen jahrgangsübergreifend organisiert sein. Und das in einer Sekundarschule! Inzwischen haben sich einige andere Kolleginnen und Kollegen dazugesellt und hören sich das an. Aber was Petra da erzählt, können sich die Kolleginnen und Kollegen überhaupt nicht vorstellen: Wie soll das gehen? Wie kann man dann noch Programm machen? Und sind die guten Schülerinnen und Schüler bzw. jene der höheren Klassen nicht völlig unterfordert, wenn sie mit den unteren Stufen arbeiten müssen? Wie lässt sich so was überhaupt organisieren? Und was ist mit der Kontrolle? Und mit der Bewertung?

Die Diskussion ist so anregend, bis plötzlich die Idee auftaucht, so eine Schule doch mal zu besuchen. Eine Kollegin ist bereit, sich gleich zu informieren und tatsächlich: Nach drei Wochen sind die interessierten Lehrpersonen einen ganzen Vormittag an der besagten Schule. Unsicherheit, Fragen, aber auch Faszination machen sich breit. Es wäre doch vielleicht … Die Diskussion läuft und die Gedanken werden immer konkreter. Die Lehrpersonen beginnen zu recherchieren, Ideen zu sammeln und interessieren sich, welche Möglichkeiten bestehen. Und tatsächlich, nach einem Jahr starten sie mit großem Elan. Diese Gruppe arbeitet nun seit fünf Jahren auf diese Weise, hat ihr Konzept mit Begleitung und Unterstützung von außen ständig weiterentwickelt, das nun fester Bestandteil der Schulkultur in der Schule ist. Wichtigste Aussage: Wir können uns nicht mehr vorstellen, anders zu unterrichten. Besucht man heute diese Schule, spürt man den Geist, der damals ausgebrochen ist.

Wie gehen wir vor?


Sehr hilfreich ist es, an einer Schule zu hospitieren, die den Prozess der Unterrichtsentwicklung bereits laufen hat. Wer eine solche Schule erlebt, spürt, wie intensiv Kinder, Lehrpersonen und auch Eltern an dieser Arbeit beteiligt sind und mit welchem Engagement gearbeitet wird.

Den Anfang bilden immer kleine Veränderungen. Die Kinder sollten die Arbeitstechniken lernen, sie sollten vertraut werden mit dem, was sie erwartet. Dies ist für Kinder der 1. Klasse Grundschule weniger notwendig als für Kinder, die bereits in höheren Klassen sind. Schrittweise erwerben die Kinder und Lehrpersonen die notwendigen Sicherheiten, um langsam den Unterricht zu öffnen. Meist ist der Prozess für die Lehrpersonen schwieriger als für die Kinder.

Zu den Strategien, die erworben werden müssen, zählen Umgang mit Material, Gesprächskreise, Einüben demokratischer Regeln, Entwicklung von Verantwortung für das eigene Tun, die Bedeutung der Gruppe und darin die Rolle der Lehrperson, die Gestaltung der Lernlandschaft und vieles mehr, das Sie in diesem Buch finden werden.

Sehr wichtig für den Prozess ist die Klärung von Begrifflichkeiten. Wir verwenden gleiche Begriffe mit unterschiedlicher Bedeutung, wobei selten Diskussionen darüber stattfinden, was eigentlich jede/jeder Einzelne darunter versteht. Versuchen Sie, sich in ihrer Gruppe darüber auszutauschen, was unter freier Arbeit verstanden wird. Sie werden erstaunt sein, wie groß die Bandbreite von Interpretationen dabei ist. Die zentralen Begriffe müssen in einem gemeinsamen Prozess geklärt werden, will man Konflikte vermeiden (vgl. Rolff, 2006). Sie sind grundlegend für die Arbeit selbst, für die Kommunikation nach außen und nach innen.

Sehr bewährt hat sich, wenn man sich eine Begleitung von außen holen kann. Der nicht direkt im Geschehen involvierte Begleiter kann Prozesse leichter lenken und auch bei Unklarheiten helfen, gemeinsame Nenner zu finden. Zusätzlich ist die Rolle des Motivators nicht zu unterschätzen, da doch häufig auch Unsicherheiten auftreten können. Gegenseitiges Hospitieren mit anderen Schulen, die denselben Weg beschreiten, ist sehr sinnvoll; hier kommt das Konzept der kritischen Freunde zu tragen (vgl. Höllrigl, Lanthaler, 1999).

Die Öffnung des Unterrichts kann nicht nur in der Grundschule, sondern auch in der Sekundarstufe I und II umgesetzt werden.

Warum machen wir das?


Was bedeutet Öffnung von Unterricht? Was ist Freiarbeit? Ist es Freiarbeit, wenn Kinder ein Programm bekommen, das sie zwar abarbeiten, aber zeitlich selber strukturieren können? Oder ist es das, wenn Kinder Stationenlernen durchführen? All dies sind Schritte in Richtung freier Arbeit. Wie Sie noch in diesem Buch erfahren werden, umfasst freie Arbeit und Öffnung von Unterricht in unserem Verständnis jedoch erheblich mehr.

Wenn man den Ansprüchen der Lehrpläne oder der Rahmenrichtlinien, aber auch dem Auftrag der Schule selbst gerecht werden will, ist es erforderlich, sich nicht allein auf die inhaltliche Ebene zu konzentrieren. Wir möchten die Kinder auf ihre Zukunft vorbereiten, gleichzeitig stellt sich aber immer häufiger die Frage, welches diese Zukunft sein wird. Die Veränderungen im Leben, in der Gesellschaft, in den Kulturen sind teilweise so rasant, dass es kaum zu leisten ist, darauf schnell zu reagieren. Inhalte veralten immer schneller. Mit den verschiedenen Möglichkeiten, die es heute gibt, um zu Informationen zu gelangen, öffnen sich gleichzeitig neue Möglichkeiten.

Worauf wollen wir also die nächsten Generationen vorbereiten? Kinder und Jugendliche sind heute anders, sie bringen einen anderen Hintergrund, sei es vom sozialen als auch vom Wissen her, mit. Was aber brauchen die Kinder und Jugendlichen in einer Zukunft, die wir nicht mehr vorhersehen können? Es wird immer ein Basiswissen brauchen, das für unsere Kultur kennzeichnend ist. Was wir mitgeben müssen, sind Strategien des Lernens, ein starkes Selbstbewusstsein, ein sicheres Auftreten, Flexibilität, und Freude am Lernen. Es wird immer mehr Menschen treffen, dass sie nicht mehr einen Beruf ausüben werden, sondern in ihrem Berufsleben öfters was anderes machen werden.

Es wird sich auch im Bereich der Interkulturalität einiges verändern. Es wird notwendig werden, andere Kulturen als Gewinn und nicht als Bedrohung zu sehen. Schließlich brauchen wir Menschen, die Verantwortung übernehmen, für sich und für andere.

All dies erfordert einen anderen Unterricht, einen Unterricht, der den Rahmen schafft, dies kontinuierlich zu üben. Demokratisches Verhalten endet nicht dort, wo der Einzelne seine Stimme bei Wahlen abgibt. Den Mut haben, seine Meinung zu äußern, auch mit kritischen Positionen konstruktiv umzugehen, dies soll zum Beispiel im Unterricht geübt werden. Es kann aber nicht gelingen, wenn der Einzelne ein- oder zweimal im Jahr einen Gesprächskreis leitet, ein wichtiges Instrumentarium in unserem Unterricht. Es bedarf des ständigen Übens, des Vorbildes und der Möglichkeit, es immer und immer wieder auszuprobieren. Dies beginnt bereits in der ersten Klasse Grundschule.

Diese neuen Anforderungen stellen eine große Herausforderung dar, sie zwingen uns, nach neuen Wegen zu suchen. Die Erfahrung zeigt, dass nach einem intensiven Start in den ersten Jahren die meisten Lehrpersonen nicht mehr bereit sind, in das klassische System zurückzukehren. Nicht nur die Kinder haben Freiheit gewonnen, sondern auch die Lehrpersonen. Sie spüren, dass sie viel gezielter auf einzelne Kinder eingehen können, dass sie auch gemeinsam mit den Kindern an den Herausforderungen wachsen. Es bedarf keiner großen Schritte, einen offenen Unterricht zu gestalten, es bedarf des Mutes und der kleinen Schritte.

Offener Unterricht bedeutet weniger, viel Material vorzubereiten, denn auf diese Weise reduzieren wir die Möglichkeiten der Lernenden, selbst aktiv zu werden. Es sind auch nicht die räumlichen Strukturen, die ein Hindernis darstellen. Auch bedarf es keiner zusätzlichen personellen Ressourcen. Diese Art des Unterrichts lässt sich in jeder Klasse, in jeder Schule umsetzen. Notwendig ist die Bereitschaft, sich auf Unsicherheiten einzulassen, zu akzeptieren, dass es eine bestimmte Zeit braucht, bis alles rund läuft. Aber wenn es dann läuft, ist es für alle Beteiligten eine große Erleichterung, und wenn man erlebt, wie die Kinder diese Prozesse erleben, findet man...

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