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Wirtschaftsprüfer im Interessenskonflikt. Vereinbarkeit von Abschlussprüfung und Beratungstätigkeit vor dem Hintergrund des Unabhängigkeitsgrundsatzes

AutorMichael Fisch
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl66 Seiten
ISBN9783656628903
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich BWL - Rechnungswesen, Bilanzierung, Steuern, Note: 1,3, Fachhochschule Trier - Hochschule für Wirtschaft, Technik und Gestaltung, Sprache: Deutsch, Abstract: Jährliche Umsatzwachstumsraten von ca. 52 % (1999 bis 2001), Steigerung des Börsenwertes von 50 Mrd. (1996) auf 80 Mrd. US-Dollar (2001), Auszeichnung zum innovativsten Unternehmen der USA durch das renommierte Wirtschaftsmagazin 'Fortune' - lange Zeit galt der Energiekonzern Enron als eines der lukrativsten Unternehmen der Welt. Nur wenige Monate später löste der rapide Zusammenbruch Enrons einen der größten Bilanzskandale der Geschichte aus, der sich bis heute nachhaltig negativ auf das Berufsbild des Wirtschaftsprüfers in der öffentlichen Wahrnehmung auswirkt. Dies ist vor allem auf das Fehlverhalten des bei Enron bestellten Wirtschaftsprüfers zurückzuführen. Arthur Andersen übersah nicht nur Unzulänglichkeiten in der Berichterstattung, sondern regte auch aktiv zur Bilanzmanipulation an. Die Tatsache, dass Arthur Andersen im Jahre 2000 bei Enron über die Prüfungsleistungen in Höhe von 25 Mio. US-Dollar hinaus auch sonstige Dienstleistungen in erheblichem Umfang (27 Mio. US-Dollar) erbrachte, führte die Notwendigkeit einer Stärkung der Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit. [...] Dabei repräsentiert der Fall Enron/Arthur Andersen keinen Einzelfall, sondern eher den öffentlichkeitswirksamen Höhepunkt zahlreicher Unternehmenszusammenbrüche sowohl auf nationaler (Philipp Holzmann, Flow Tex) als auch auf internationaler (Worldcom, Parmalat) Ebene um die Jahrtausendwende. Dementsprechend sahen sich Gesetzgeber und Standsetter weltweit gezwungen, restriktive Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers zu erlassen. [...] Trotz der Vielzahl an Maßnahmen trat die Diskussion um die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise wieder verstärkt in den Vordergrund. Nachdem anfänglich primär Kreditinstitute, Aufsichtsbehörden und Ratingagenturen in der Kritik standen, rückten in der Folgezeit auch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in den Fokus der Regulierungsabsichten. Mit der Veröffentlichung eines Grünbuches zur Reformierung der Abschlussprüfung hat die Europäische Kommission einen neuen Vorstoß unternommen, die Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers durch verschiedene Maßnahmen zu stärken. Vor dem Hintergrund steigender Beratungsumsätze zielen die Regulierungsabsichten besonders auf eine strikte Behandlung von Nichtprüfungsleistungen ab. [...]

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Leseprobe

3. Grundsatz der Unabhängigkeit


 

Ein verlässliches Urteil über die Normkonformität des Jahresabschlusses erfordert sowohl die Urteilsfähigkeit (fachliche Qualifikation) als auch die Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers.[29] Für die Prüfung des Jahresabschlusses bedeutet dies, dass die Urteilsbildung des Abschlussprüfers frei von eigenen Interessen und Einflüssen Dritter zu erfolgen hat. Neben der tatsächlichen Unabhängigkeit, der inneren Haltung des Wirtschaftsprüfers (independence in fact), muss auch die in der Öffentlichkeit wahrgenommene Unabhängigkeit (independence in appearance) gewährleistet sein.[30] Demnach gehört der Grundsatz der Unabhängigkeit zu den zentralen Berufspflichten des Wirtschaftsprüfers.[31] KROMMES bezeichnet den Unabhängigkeitsgrundsatz gar als „Kardinaltugend“[32] des Wirtschaftsprüfers.

 

Vor diesem Hintergrund ist der Grundsatz der Unabhängigkeit von zentraler Bedeutung für den weiteren Gang der Arbeit und soll daher im Folgenden ausführlich dargestellt werden. Anreize zur Aufgabe der Unabhängigkeit können anhand verschiedener Erklärungsansätze (3.1) veranschaulicht werden. Sowohl theoretische Modelle (3.1.1) als auch in der Praxis typische Sachverhalte für die Gefährdung der Urteilsfreiheit (3.1.2) können dabei als Erklärungsansatz für die Aufgabe der Unabhängigkeit angeführt werden. Um die Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers daher zu stärken, wird regelmäßig über die Einführung verschiedener Maßnahmen (3.2), wie bspw. die Trennung von Beratung und Prüfung, diskutiert. Nichtsdestotrotz zeigt sich, dass die Verbindung von Beratungstätigkeit und Abschlussprüfung nicht nur Risiken birgt, sondern gleichzeitig auch Vorteile für den Wirtschaftsprüfer bieten kann (3.3).

 

3.1 Erklärungsansätze für Anreize zur Unabhängigkeitsaufgabe


 

Neben fachlichen Kriterien determiniert die Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers maßgeblich die Qualität der Abschlussprüfung. Daher stellt dieser Grundsatz eine der wichtigsten Berufspflichten dar. Dennoch zeigt sich, dass für den Wirtschaftsprüfer Anreize bestehen, seine Unabhängigkeit aufzugeben und opportunistische Ziele zu verfolgen. Diese Verhaltensweise soll nun erst auf theoretischer Modellebene und anschließend anhand praxisrelevanter Beispiele erklärt werden.

 

3.1.1 Theoretische Modelle


 

Erklärungsansätze für die Aufgabe der Unabhängigkeit bieten verschiedene Modelle. Aufgrund ihrer hohen Bedeutung in der Literatur sollen im Folgenden der Quasi-Rentenansatz von LINDA ELIZABETH DEANGELO und der agency-theoretische Ansatz von RICK ANTLE skizziert werden.

 

Der Quasi-Rentenansatz von DEANGELO basiert auf einer mehrperiodigen Betrachtungsweise. Während im ersten Prüfungsjahr höhere Aufwendungen für den Prüfer anfallen,[33] profitiert dieser in den Folgeperioden von seinem Kenntnisstand aus der Erstprüfung, sodass die vereinnahmten Honorare die anfallenden Prüfungskosten übersteigen. Abbildung 1 veranschaulicht diese Ausführungen.

 

 

Abbildung 1:Prüfungskosten im Zeitablauf nach DEANGELO[34]

 

Um von den künftigen Renten auch weiterhin zu profitieren, ist der Abschlussprüfer bestrebt, die bestehende Geschäftsbeziehung aufrechtzuerhalten. Gleiches gilt für den Mandanten, der die aus einem Prüferwechsel resultierenden Transaktionskosten vermeiden möchte. DEANGELO bezeichnet dieses Verhältnis zwischen Mandant und Prüfer als „bilateral monopoly“.[35] Beide Parteien können diese gegenseitige Abhängigkeit allerdings auch nutzen, um Druck auf die Gegenpartei auszuüben. So kann der Prüfer mit Beendigung der Geschäftsbeziehung drohen, um ein höheres Honorar durchzusetzen. Der Mandant hingegen kann mit einer solchen Maßnahme versuchen, Einfluss auf das Prüfungsurteil zu nehmen. Daraus resultiert eine Gefährdung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers.[36]

 

Die Terminologie der Quasi-Renten ist auf den Effekt des low ballings zurückzuführen. Bedingt durch den Wettbewerb um künftige Prüfungsaufträge und die Erwartung künftiger Renten akzeptiert der Wirtschaftsprüfer im ersten Prüfungsjahr ein Honorar, das unterhalb seiner Prüfungskosten liegt (low balling).[37] Bei vollkommenem Wettbewerb beträgt der Kapitalwert aller Zahlungsströme null und die Anfangsverluste können durch die Renten der Folgeperioden lediglich kompensiert werden. Demnach handelt es sich nicht um tatsächliche, sondern um Quasi-Renten für den Wirtschaftsprüfer.[38] Dies könnte das Interesse des Prüfers an einer Fortführung des Auftrages erhöhen und dementsprechend die Gefährdung seiner Unabhängigkeit weiter verstärken.

 

DEANGELO leitet aus ihrem aufgestellten Modell allerdings nicht per se eine Aufgabe der Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers ab. Durch die Vielzahl der Aufträge beschränkt sich die Erwartung künftiger Quasi-Renten nicht auf einen einzelnen Mandanten. Im Falle einer wahrgenommenen Unabhängigkeitsbeeinträchtigung droht der Verlust anderer Prüfungsaufträge und der damit verbundenen Quasi-Renten. Daher lässt sich bei großen Prüfungsgesellschaften tendenziell eine eher geringe Beeinträchtigung der Unabhängigkeit vermuten.[39]

 

Ein weiteres Modell zur Erklärung der Unabhängigkeitsaufgabe bietet RICK ANTLE mit der Erweiterung der Prinzipal-Agenten-Theorie. Demnach agiert nicht nur das Management als Agent der Anteilseigner, sondern auch der von der Hauptversammlung gewählte Abschlussprüfer.[40] Da dieser die bestehenden Informationsasymmetrien zwischen Unternehmensführung und Eigentümern kompensieren soll, liegt es in der Natur der Aufgabe, dass auch der Wirtschaftsprüfer über einen Informationsvorsprung gegenüber seinem Prinzipal, den Anteilseigern, verfügt. Dies ermöglicht dem Prüfer, ähnlich wie dem Management, opportunistische Ziele durchsetzen (moral hazard).[41] Unter Wirtschaftlichkeitsaspekten könnte er dazu tendieren, den Umfang der Prüfungshandlungen zu reduzieren, um so höhere Gewinnmargen zu erzielen.

 

Eine weitere für den Wirtschaftsprüfer nutzenmaximierende Möglichkeit ist die Ausdehnung der Geschäftsbeziehung mit dem Mandanten. So könnte er neben der Prüfungstätigkeit (Agent der Anteilseigner) auch in beratender Funktion (Agent des Managements) für das Unternehmen tätig werden. ANTLE sieht ferner in diesem Beratungsvertrag ein „vehicle for side-payments[42] durch das Management an den Abschlussprüfer. Abbildung 2 veranschaulicht die Erweiterung des Beziehungskonstrukts im Rahmen der Prinzipal-Agenten-Theorie.

 

 

Abbildung 2: Prinzipal-Agenten-Beziehungen bei gleichzeitiger Beratung und Prüfung[43]

 

Aus der Funktion des Wirtschaftsprüfers als Doppel-Agent von Management und Anteilseignern resultiert unvermeidlich ein Interessenskonflikt, der letztendlich zu einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers führen kann.[44]

 

3.1.2 Unabhängigkeitsgefährdende Sachverhalte


 

Nachdem im vorangegangen Kapitel die Ursachen für die Aufgabe der Unabhängigkeit modelltheoretisch erläutert wurden, sollen im Folgenden unabhängigkeitsgefährdende Sachverhalte aus der Prüfungspraxis dargestellt werden. Eine Möglichkeit der Kategorisierung dieser Tatbestände ist die Einteilung in personelle Verflechtungen, finanzielle Interessen, persönliche Beziehungen und die Verbindung von Beratung und Prüfung.[45]

 

Personelle Verflechtungen liegen vor, wenn der Abschlussprüfer als Funktionsträger bei dem zu prüfenden Unternehmen agiert.[46] Dabei kann er als gesetzlicher Vertreter (in der Geschäftsführung oder im Vorstand), Mitglied des Aufsichtsrats oder Angestellter des Unternehmens tätig sein. Eine Gefährdung der Unabhängigkeit liegt in diesem Kontext insbesondere vor, wenn der Abschlussprüfer direkt (Tätigkeit im Rechnungswesen) oder indirekt (Führungsposition mit Weisungsbefugnis gegenüber dem Rechnungswesen) an der Erstellung des Jahresabschlusses beteiligt ist.

 

Finanzielle Interessen könnte der Abschlussprüfer bei einer Kapitalbeteiligung an dem zu prüfenden Unternehmen verfolgen. Bei finanziellen Schwierigkeiten des zu prüfenden Unternehmens könnte er z.B. als gleichzeitiger Eigenkapitalgeber versuchen, die im Jahresabschluss dargestellte Geschäftslage zu seinen Gunsten zu fingieren und damit den Gläubigern Schaden zufügen.[47] Ferner können finanzielle Interessen auch auf der Prüfungstätigkeit beruhen, wenn der Abschlussprüfer bei hoher Umsatzabhängigkeit darauf angewiesen ist, die bestehende Geschäftsbeziehung auch in Zukunft fortzuführen. In beiden Fällen, Kapitalbeteiligung und Umsatzabhängigkeit, könnte folglich die Unabhängigkeit des Prüfers beeinträchtigt sein.

 

Eine Unabhängigkeitsgefährdung kann auch aus der persönlichen Beziehung zwischen...

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