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E-Book

Stille Winkel auf Sylt

Insel der Reichen und der Schönen? Eine Korrektur

AutorHermann Schreiber
VerlagEllert & Richter Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl120 Seiten
ISBN9783831910113
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,49 EUR
Stille Winkel auf Sylt? Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Wer sollte auf 'Deutschlands beliebtester Ferieninsel' oder gar auf der 'Insel der Reichen und Schönen' ausgerechnet stille Winkel vermuten? Jubel, Trubel, Heiterkeit sollen hier doch herrschen, an diesem Urlaubsort der 'Spaßgesellschaft'. Hermann Schreiber aber weiß: Es gibt sie! Es gibt die stillen Winkel - auch neben touristischen Großprojekten, Partys und 'Szene'-Treffs. Und sie sind das ursprüngliche, das wahre Sylt. Hier wird die Stille hörbar: im Wellenschlag des Meeres, an den endlosen Stränden, im tosenden Wind. 'Stille Winkel auf Sylt' lädt ein zur Begegnung mit den elementaren Kräften der Natur - im Listland und auf der Hörnum-Odde, am Morsum-Kliff und im Watt bei Munkmarsch. Und es führt zu Orten und Landmarken weit abseits vom Massentourismus: zu den Inselkirchen, auf den Friedhof für ertrunkene Seeleute in Westerland, zum Dammwärterhaus in Morsum, zur anderen Seite von Sansibar. Hermann Schreiber bringt in seinem Buch, einer kleinen Liebeserklärung an eine große Insel, Geschichte und Geschichten Sylts zum Sprechen.

Hermann Schreiber, Jahrgang 1929, war 15 Jahre Kolumnist beim SPIEGEL, dann Chefreporter und schließlich Chefredakteur von GEO, nebenbei auch Moderator der NDR-Talkshow. Er lebt in Hamburg und auf Sylt.

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Leseprobe

Insel der Reichen und der Schönen?

Eine Korrektur

Stille Winkel auf Sylt? Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Wer sollte auf „Deutschlands beliebtester Ferieninsel“ oder gar auf der „Insel der Reichen und der Schönen“ ausgerechnet stille Winkel vermuten?

Das Gegenteil gilt doch als angesagt: Jubel, Trubel, Heiterkeit, ein Dorado der Spaßgesellschaft, in der Saison jagt ein „Event“ das nächste, und wer dazu nicht eingeladen ist, der kann immerhin an den gut sichtbar geparkten „Traumautos“, den gestylten Ladies aller Altersklassen und den weltstädtischen Boutiquen nächst dem Kampener Strönwai, der sogenannten Whiskystraße, mal vorbeiflanieren. Aber kein stiller Winkel, nirgends.

So sieht es aus, zugegeben, und das schon seit Jahrzehnten, mindestens seit den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Da kamen die Baugesellschaften vom Festland und bauten Häuser und Apartments für Leute vom Festland. Da kamen auch die Reichen und die Schönen und machten Sylt zu einer Marke: Erlaubt ist, was gefällt, und Geld spielt keine Rolle. Das funktioniert im Prinzip noch immer, nur sind es nicht mehr so sehr die Reichen und die Schönen, die heute das Erscheinungsbild der Insel bestimmen, sondern es droht „in den Sommermonaten ein Massen- und Vergnügungstourismus à la Mallorca“, schreibt der Sylter Unternehmer Dirk Ipsen in seinem Schwarzbuch „Sylt. Verraten und verkauft“.

Es ist in der Tat die Frage: Wer oder was wird Sylt eher ruinieren – die Sturmfluten und der infolge des Klimawandels stetig ansteigende Meeresspiegel oder der Verbrauch der Insel „von innen heraus“, eben durch jenen massenhaften Vergnügungstourismus, dem diese dem Festland vorgelagerte schmale Sandbarriere in Wahrheit nicht gewachsen ist und der am Ende auch jene Attraktivität schwinden lassen wird, die ihn ausgelöst hat? Oder mit den Worten der Insulanerin Meta Ingwers aus dem Listland: Viele Fremde bringen viel Geld, noch mehr Fremde bringen noch mehr Geld; „aber wenn vor lauter Fremden von Sylt nichts mehr zu sehen ist, dann ist es vorbei mit Sylt“.

Solche Befürchtungen sind mitnichten neu. Der Lyriker und Erzähler Julius Rodenberg hat 1859, als Westerland schon zum „Seebad“ gekürt worden war, dies aufgeschrieben: „Viele von den Einsichtigen fürchten den demoralisierenden Einfluss, den die Leichtigkeit des neuen Gelderwerbs und der Besuch der verderbteren Städtebewohner ausüben könnte.“ Rodenberg, der auf der Insel noch die Einsamkeit gesucht (und gefunden) hat, war sich sicher: „Sylt würde den besten Teil seines Reizes verlieren, sobald das Leben daselbst anfinge, weniger einfach, weniger schlicht und natürlich zu sein. Wer den Luxus nicht entbehren kann, der hat die Modebäder; wer aber nach Sylt kommt, der will Ruhe haben, der will allein sein mit dem Meer und der Heide … Es werden Leute hierher kommen, die wie wir Sehnsucht haben nach der Stille, in der die erschütterten Saiten ihres Innern endlich einmal austönen können; Leute, die dem bunten, flüchtigen Tand entfliehen wollen, anstatt ihn aufzusuchen.“

Diese Leute kommen noch immer. Aber sie tun sich schwer, zu finden, was sie suchen. Heute stürmen den beliebtesten Strandabschnitt zwischen den Restaurationen „Sturmhaube“ und „La Grande Plage“ nach neuen Erkenntnissen der Kampener Tourismus-Direktion 200 000 Menschen pro Jahr, Tendenz steigend. Einen solchen Ansturm aber können auf die Dauer weder die natürlichen Grundlagen des Lebens und der Erholung auf der Insel noch deren naturgemäß begrenzte Infrastrukturen (der Straßenverkehr und die Trinkwasserversorgung zum Beispiel) aushalten. Fast sieben Millionen Übernachtungen wurden 2009 auf Sylt gezählt. Die Zahl der Menschen, die sich gleichzeitig auf der Insel aufhalten können, ohne ihr zu schaden, hat ein Gutachten für die Kieler Landesregierung im Jahr 1974 mit 100 000 angegeben. Heute sind, nach Schätzungen des örtlichen Energie- und Wasserversorgers EVS, etwa doppelt so viele Menschen zur gleichen Zeit auf der Insel. Wenn die Verantwortlichen auf Sylt und dem nordfriesischen Festland diesen „Verbrauch von innen heraus“ nicht beenden, sägen sie den Ast ab, auf dem sie sitzen. Wissen sie denn nicht, was sie tun?

Jedenfalls nicht gut genug. „Wir wissen zu wenig über unsere Insel“, sagt Unternehmer Dirk Ipsen. „Wie viele Vermietbetten gibt es tatsächlich? Wie viele Menschen befinden sich in der Spitzenzeit auf Sylt? Wie viele Sylter wohnen noch im Dorf und halten noch Grundstücke in Sylter Hand?“ Die Insel brauche endlich ein Entwicklungskonzept, einen „zukunftssicheren Masterplan“, und der setze eine möglichst genaue Analyse voraus.

Die soll es in Zukunft geben. Im März 2009 haben Westerland, Rantum und die Gemeinden in Sylt-Ost die Fusion zur Gemeinde Sylt zustande gebracht, ein neues kommunales Parlament gewählt und Dirk Ipsen zu dessen Vorsitzendem bestimmt. In seiner Neujahrsansprache 2010 hat der Bürgervorsteher gesagt: „Die Begehrlichkeiten greifen unsere Insel mit ungebrochener Gier an.“ Aber: „Wir lassen uns nichts mehr abhandeln und sagen Nein zu Begehrlichkeiten.“ Und das werde auch gelingen, „weil wir uns einig sind“.

Ob dieses Nein stark genug ist, den Begehrlichkeiten derer Paroli zu bieten, die durch den Verkauf von Bauland oder ihres Hauses über Nacht zu Millionären werden können, und auch der Siegesgewissheit der Investoren, die diese Millionen ausgeben wollen – das wird sich zeigen. Und was die Einigkeit angeht, so war sie bisher wohl eher die Ausnahme. Es gelang auswärtigen Investoren immer wieder, einzelne Sylter Kommunalpolitiker davon zu überzeugen (wie, das weiß man nicht), dass ihre Gemeinde genau so und nicht anders ertragssicher – für den Investor – Großprojekte planen und umsetzen sollte. Man berief sich dabei gern auf die wachsende Nachfrage nach Kurzreisen und „Wellness“-Urlaub, auf die Sylt sich einzustellen habe.

Auch die Regierung des schönen, aber keineswegs reichen Landes Schleswig-Holstein fällt den Investoren nicht in den Arm, im Gegenteil. Sylt ist das attraktivste Gelände der Kieler Regierung, der beste Platz für die politisch geförderten „Leuchtturmprojekte“, zum Beispiel in Gestalt neuer, ziemlich großer (und ziemlich teurer) Hotels. Noch immer kennen auch die Immobilienpreise hier offenbar nur eine Grenze: den Himmel, in den die Baukräne ragen. Ein Reihenhaus gibt es für 2,5 Millionen, und ein frei stehendes Haus mit Blick aufs Watt darf mehrere Millionen Euro (oder schlicht das Doppelte) kosten – in Kampen gelten sowieso Liebhaberpreise.

„Wo Geld ist, ist der Teufel“, sagt ein altes friesisches Sprichwort, „aber wo nichts ist, ist er zweimal.“ Das ist das Dilemma, mit dem die Sylter schon lange und immer noch leben.

Aber stille Winkel? Wo in diesem Szenario ist denn Platz für stille Winkel? Doch, es gibt sie. Es gibt die Großprojekte, und es gibt auch die stillen Winkel. Es gibt sie nicht nur, sondern sie sind das, was diese Insel einmalig macht. Sie sind das ursprüngliche, das wahre Sylt. Ich will versuchen, dies in den folgenden Kapiteln anschaulich zu machen.

Diese Insel hat mich zurückgeworfen in die Natur. Von allen Wohltaten, die ich Sylt verdanke, ist diese mir am wichtigsten: dass die Insel mich dazu gezwungen hat, Natur wieder wahrzunehmen. Ja, gezwungen. Sie hat mich auch daran erinnert, dass Natur und Gewalt elementar miteinander verbunden sind. Natur kann gewalttätig sein. Hier war sie es immer, sonst gäbe es die Insel in ihrer heutigen Gestalt gar nicht.

Früher habe ich, Stadtmensch auf Urlaub, noch geglaubt, man könne einem ausgewachsenen Regentief in einem handelsüblichen Mantel und mit einem ebensolchen Regenschirm begegnen. Aber spätestens seit ich zum zweiten Mal durchnässt bis auf die Haut und mit einem zerfledderten Drahtgestell zurück ins rettende Haus gekommen bin, weiß ich, dass Wetter auf dieser Insel keine Begleiterscheinung ist, auf die man sich nebenbei einstellen kann – Wetter ist auf Sylt immer ein Ereignis, ein Naturereignis, das die volle Aufmerksamkeit beansprucht.

Sylt – das war für mich vor allem jenes Faszinosum, dem im 20. Jahrhundert auch viele berühmte (und meistens begüterte) Menschen erlegen sind, weil sie dort auf eine gar nicht leicht zu erklärende, fast immer euphorische Weise außer sich gerieten. Stille aber ist kein objektiv zu beschreibender Zustand, Stille ist – wie der Lärm – eine Frage des Bewusstseins, der subjektiven Wahrnehmung. „Nichts kommt dem Rauschen des mäßig bewegten Meeres gleich, dem desinteressierten Wellenschlag einer hörbar gewordenen Stille“, so der Schriftsteller Matthias Politycki in seinen „Drei Lektionen der Stille“, die er am Meer gelernt hat. Das Individuum, nicht sein Umfeld entscheidet, was Stille ist. Wer nicht darauf verzichten kann, allzeit erreichbar zu sein und möglichst schnell möglichst viele Datenströme zu verwalten, wird den Wellenschlag des Meeres wohl kaum als hörbar gewordene Stille wahrnehmen. Der wird auch die stillen Winkel auf Sylt nicht aufsuchen wollen, weil er dort ja mit sich allein wäre. Stille kann wie eine Provokation wirken und viel verstörender sein als der Lärm, den Menschen gern machen, wenn es ihnen gut geht; denn über die Stille sind sie nicht Herr.

Allerdings ist Stille auf Sylt auch eine Frage der Jahreszeit. Wer in der – immer mehr in die Länge gezogenen – Saison hierherkommt, besonders im Hochsommer, kann dem Gewimmel und den Stauungen der überlasteten Infrastruktur zumindest in Westerland nicht entgehen, will es vermutlich auch gar nicht. Wer aber um der Insel selbst willen herkommt, sollte es tun, wenn die Überzahl der Fremden sie...

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