II.
PLAN, VORBEREITUNG UND AUFGABE
DER PLAN
Das Land um den Südpol reizt mich schon seit langer Zeit. Diese Sehnsucht deckt sich mit den Namen von Scott und Peary, die ich in meiner Jugend oft zu hören bekam. Der Wunsch, dorthin zu gehen, nahm mit den Jahren immer festere Gestalt an, zumal seitdem ich mich der Fliegerei widmete. Aber erst am 10. Mai 1926 enthüllte ich meine geheimen Pläne. Dieser Tag wird meinem Gedächtnis nicht so leicht entschwinden, denn die zwei Freunde, die mein Geheimnis teilten, ruhen in kühler Erde. Sie haben das Leben geopfert, als sie Kameraden zu retten versuchten.
Das war der Abend, als ich mit Floyd Bennett auf Spitzbergen beisammensaß. Vor wenigen Stunden hatten wir den Polflug beendet. Matt und froh waren wir ins Standlager zurückgekehrt, wo uns Kapitän Amundsen und Lincoln Ellsworth begrüßten, die demnächst mit der »Norge« nach Alaska fliegen wollten. Nach dem vorzüglichen Abendessen plauderten wir. Amundsen und ich rückten zusammen.
»Nun, Byrd, was kommt jetzt daran?«, fragte er lächelnd. Halb im Ernst, halb im Scherz erwiderte ich: »Der Südpol.« Amundsen wurde gleich sehr ernst.
»Ein gewaltiges Vorhaben; aber ausführbar«, sagte er. »Sie sind auf dem richtigen Weg, denn die Zeiten ändern sich. Die Zukunft gehört dem Luftfahrzeug. Nur mit ihm lässt sich die Antarktis erobern. Also hören Sie zu!« Und damit begann er, mich zu beraten, eingehend und bedachtsam, als ob er noch inmitten seines Zuges zum Südpol steckte. Er schlug verschiedene Norweger vor, bot mir seine Ausrüstung an und empfahl ein gutes Schiff, den »Samson«, der später in »City of New York« umgetauft wurde.
Er warnte mich davor, mich allzu sehr auf meine Leute zu verlassen. »Da unten im Eis gehört der Mensch zu den zweifelhaften Einsätzen. Die beste Vorbereitung kann durch einen Unfähigen oder Minderwertigen zunichtegemacht werden.« Ähnlich, wenn auch mit anderen Worten, sprach ein hervorragender leitender Teilnehmer an Scotts letzter Fahrt: »Der erste Mann, der Ränke spinnt, verdient den schlimmsten Tod, den man sich ausdenken kann.« Ein anderer Forscher meinte: »Wer sich gemein und unkameradschaftlich benimmt, sollte sofort mit Handschellen gefesselt werden, die ihm erst nach der Heimkehr abgenommen werden.« Ein hartes, aber wohl notbefohlenes Gesetz des Eises. Der wackere Mann ist hier unbezahlbar. Der Schweinehund verrät sich bald; und seine Gefährten werden den Tag verfluchen, an dem er geboren wurde.
DIE VORBEREITUNG
Den Aufbau konnte ich erst nach der Beendigung des atlantischen Fluges beginnen. Es dauerte einige Monate, bis wir einen Generalstab einrichten konnten. Die erste Rüstkanzlei bestand aus einem kleinen Zimmer im fünfzehnten Stock des Putnam-Gebäudes zu New York Sie enthielt Schreibtisch, Maschine, Briefablage und ein paar Stühle. Das war mitten im Winter 1927/28. Einige Wochen später mussten wir uns schon in größeren Räumen ausbreiten, die uns John McEntee im Hotel Biltmore zur Verfügung stellte. Ein Stab von Helfern unter meinem Geschäftsführer Brophy fahndete auf der ganzen Welt nach dem hochwertigsten Rüstzeug. Ich befasste mich derweilen mit der so peinlichen Geldbeschaffung, in der ich erst nach meiner Abreise von Kapitän Railey abgelöst wurde, einem ehemaligen Offizier des Landheers. Er war zugleich mein persönlicher Vertreter. Nie fand ich einen gewissenhafteren Mitarbeiter.
Im Frühjahr 1928 waren wir zu einem Großbetrieb ausgewachsen, der wie eine Maschine und mit höchster Geschwindigkeit arbeitete. Das war notwendig, denn die Zeit drängte. Im August sollte die »City of New York« abdampfen, im September die »Bolling«. In der zweiten Oktoberwoche mussten die letzten Einheiten die Heimat verlassen. Mit knapper Not hielten wir die Fristen ein.
Beförderung hieß immer wieder der erste und letzte Schlüssel zum Gelingen. Zweckmäßige Verfrachtung entschied das Schicksal der Reise. Lasten und Menschen mussten über Meer, Eis und durch die Luft verschoben werden.
Ein gutes Schiff verdankten wir schon Amundsens gütiger Vermittlung. Drahtlich kaufte ich den »Samson« in Tromsø und ließ ihn sofort nach New York segeln. Alt an Jahren, war dieses Fangschiff doch noch jung in Mark und Bein. Nach dem Überholen im Jahr 1928 war es ebenso stark wie vor nahezu fünfzig Jahren, als es zum ersten Mal mit Robbenschlägern ins Packeis um Spitzbergen vordrang. Wir verwandelten die ursprüngliche Schonerbark in eine Bark. Mit der Hilfsmaschine ergab sich ein Zwitter von nicht gerade hervorragender Schönheit, aber kerniger Gesundheit. Mit kleiner Gestalt verband das Schiff den gedrungenen und wuchtigen Bau eines Schwergewichtsmeisters. Der Rumpf bestand aus bestem Tannen- und Eichenholz von gewaltiger Dicke. Die Eichenspanten standen mittschiffs so dicht, dass man kaum mit der Hand dazwischenfassen konnte. Schwere Planken bildeten die Innenhaut. Über den Planken der Außenhaut lag noch eine Verkleidung aus Grünholz. So ergab sich eine Gesamtdicke von 86 Zentimetern als Wehr gegen den Eisdruck. Die einen Meter dicken Kielplanken schützten gegen Längsdurchbiegung, wenn das Schiff einmal plötzlich unter Bug und Heck gehoben wurde. Also ein richtiges Eisschiff. Mit der Gedrungenheit hatten die Erbauer gewölbte Gleitlinien verbunden, längs denen der Rumpf den Umarmungen des Eises ausweichen konnte. Wie bei Nansens »Fram« war die Bauform dazu bestimmt, seitlichen Druck in lotrechten Hub zu verwandeln. Auf diese Weise klettert das Schiff sozusagen aufs Eis, anstatt eingeklemmt zu verharren. Solch ein winziges Schiff vermag Angriffen des Eises zu widerstehen, denen das mächtigste Schlachtschiff erliegen würde.
Andererseits verfügte die »City« nur über eine sehr schwache Maschinenkraft und dementsprechend kurze Reichweite. Sie vermochte knapp 200 PS aufzubringen. Immerhin durften wir uns glücklich schätzen, dass ihre Maschine aus dem Jahr 1882 überhaupt noch lief, denn zu einer neuen fehlte das Geld. Mit einem Dieselmotor hätten wir das Vielfache herausholen können.
Auf diesem Windschieber also ruhte die Hauptverantwortung für die Fernfracht. Er musste den riesigen Eisgürtel ums Rossmeer durchbrechen, und zwar so früh, dass uns Zeit zum Ausladen blieb, ehe die Walfischbucht zufror.
Wie klein die »City« war, zeigte sich besonders auffällig bei der Ausfahrt aus New York am 25. August, wo sie im Kielwasser des »Leviathan« rollte. Wie eine weiße Nussschale schaukelte sie neben dem schwarzen Riesen. An Deck fehlte der Platz zum Unterbringen der Tragwerke unserer Flugzeuge. Rund 50 Meter lang und 13 Meter breit, verfügt das Schiffchen über einen Raumgehalt von 515 Tonnen. Infolge seiner stämmigen Bauart erscheint es noch kleiner.
Zudem hatte das Alter die Tragfähigkeit vermindert; denn im Lauf der Jahre steigt das tote Gewicht durch das vom Holz aufgesogene Wasser. Die »Resolution“, eins von Cooks Schiffen im Jahr 1772, war in der Tat geräumiger als unser Hauptschiff.
Ohne Flugzeuge wären wir mit einem einzigen Schiff ausgekommen. Das zweite der Flotte war die »Chelsea«, ein Frachtdampfer von 800 Tonnen, aber trotz größeren Fassungsvermögens kaum länger und breiter als die »City«. Seine Höchstgeschwindigkeit betrug neun Knoten. Ich kaufte diesen Kasten wegen seiner Billigkeit, die ungefähr seinen einzigen Vorzug darstellte. Im Trockendock erhielt der Eisenrumpf einige Verstärkungen gegen den Eisdruck. Das war also die spätere »Eleanor Bolling«, das erste eiserne Forscherschiff, das sich ins Packeis wagte. Obwohl ich deswegen angegriffen wurde, hielt ich den Versuch für erlaubt. Natürlich stützte ich mich auf gründliche Packeisforschungen. Immerhin lastete schwere Verantwortung auf Kapitän Gustav Brown.
Allerdings konnte ich mich auf Vorgänger berufen, nämlich auf die stählernen Walfänger »C. A. Larsen« und »Sir James Clark Ross«, die ungeschoren ins Rossmeer und wieder heraus gelangten. Gewaltige Pferdestärken geben ihnen die Möglichkeit, drohenden Pressungen auszuweichen. Sonst würde sie das Eis wie Blechdosen zerknüllen. Außerdem fahren sie ja nur in der günstigsten Jahreszeit, wo die Schollen treiben und ein Netz von Durchlässen offen lassen. Immerhin blieb es fraglich, ob die »Bolling« mit ihren 200 PS dem Spiel mit den Eistrümmern gewachsen war. Sie musste aber durch, weil sie die Flugzeuge trug. Da saß der Haken.
Einschließlich des Kaufpreises kostete die Indienststellung der zwei Schiffe über 1,1 Millionen Mark. Aus Freundschaft übernahm William Todd die Arbeiten zum Selbstkostenpreis auf seiner Werft, wodurch wir viel sparten. Der bewährte Fachmann Kapitän Gatewood überwachte die Arbeiten. Der Ingenieur Herbert Todd und Bill Smith leisteten dabei unschätzbare Hilfe.
Bei der Ankunft in New York befand sich die »City« in einem bejammernswerten...