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Reisen im Inneren von Süd-Afrika

Zu den Ruinen von Great Zimbabwe. 1865 - 1872

AutorKarl Mauch
VerlagEdition Erdmann in der marixverlag GmbH
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783843804226
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
'Forschungsdrang kennt keine Schwierigkeiten, keine Schranken.' Petermanns Geografische Mittheilungen Karl Mauch gibt 1864 seine Stellung als Lehrer auf, und begibt sich auf eine siebenjährige Forschungsreise nach Süd-Afrika. In Begleitung des Elefantenjägers Henry Hartley durchquert er das Matabele-Königreich und kartiert, lediglich mit einem Taschenkompass ausgerüstet, das riesige Gebiet nördlich des Limpopo. Damit schafft er die Grundlage für die Kartierung Südostafrikas. 1867 entdeckt er zwei große verlassene Goldfelder im Mashonaland; reist weiter durch die Transvaal-Republik und an die Delagoa-Bucht in Mosambik - diesmal allein. Trockenperioden und das Misstrauen der Einheimischen lassen ihn immer wieder Rückschläge erleiden. Unterstützung erhält er all die Jahre vom großen Geographen August Petermann. Bevor eine Malaria-Erkrankung und die prekäre finanzielle Lage ihn 1872 endgültig zur Rückkehr nach Deutschland zwingen, macht er auf seiner letzten Reise 1871 seine größte Entdeckung: die Ruinen von Great Zimbabwe. Er hält sie für das biblische Goldland Ophir.

Karl Mauch (1837-1875) wurde in Stetten im Remstal geboren und arbeitete als Volksschul- und Hauslehrer. Als Lehrer unzufrieden und erfüllt mit Forscherdrang, beginnt Mauch sich medizinische und sprachliche Kenntnisse anzueignen und legt erste Sammlungen von Pflanzen und Insekten an. 1864 fuhr er auf einem deutschen Schiff von Memel aus nach Afrika. In Durban in Süd-Afrika angekommen, erforschte er die nächsten sieben Jahre (1865-1872) Land und Leute. Er verstarb 1875 in Stuttgart. Die Bedeutung seiner Forschung wurde erst Jahre nach seinem Tod wahrgenommen und gewürdigt. Eva Maria Verst hat in Mannheim, Münster und Prag Germanistik und Geschichte studiert. Sie promoviert derzeit im Fach Neueste Geschichte und ist Stipendiatin der Gerda Henkel Stiftung. Bereits veröffentlicht ist ihre Studie über Karl Mauch als Forschungsreisender. Wissenschaft und Karriere zwischen Deutschland und Südafrika.

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Leseprobe

KAPITEL I


VON PORT NATAL NACH
RUSTENBURG


Gefahrvolle Landung

Nach einer günstig verlaufenen Fahrt von 75 Tagen traf der Dreimastschoner, auf dem ich mich dem Ziel meiner Wünsche entgegentragen ließ, auf der Reede von Natal ein. Bereits befanden sich drei Segelschiffe, welche am gleichen Tag angekommen waren, vor Anker. Ihr heftiges Schwanken zeugte von besonders aufgeregter See, und nicht ohne ernste Bedenken gab der Kapitän meines Schiffs den Befehl, den einen von den beiden Ankern fallen zu lassen; kurze Zeit darauf hatte die Mannschaft die Segel festgemacht und versah jene noch übrigen Arbeiten, die bei bevorstehendem Landen üblich sind. Ich selbst aber überließ mich völlig der Betrachtung des vor mir liegenden Küstenteils. Da befand sich denn links ein ziemlich vorstehender, dicht bewaldeter Hügel, der auf seiner Spitze in einer Lichtung eine Flaggenstange trug, an seinem Fuß zeigten sich große Felsblöcke, gegen welche der Schaum der tobenden Wellen emporschlug, die Trümmer eines Schiffskörpers wurden zeitweise sichtbar und bekundeten, dass man, wenn auch vor Anker, denn doch noch nicht außer Gefahr des Strandens ist. Gerade vor mir brachen sich die mächtigen Wogen über der sehr veränderlichen Sandbarre der inneren Bai, dem eigentlichen Hafen zu. Rechts ist das Ufer flach und sandig, gegen seine aufgeworfenen Dünen branden die rastlos sich überstürzenden Wellen. Der Hintergrund ist abgeschlossen durch einen wenig erhabenen, sehr dicht bewachsenen Hügelrand, an welchem hie und da ein weißer Punkt in einer Lichtung eine Villa bezeichnet. Über dem Niveau der Baumgipfel im Vordergrund wiegt in seltenen Exemplaren eine Palme ihr gefiedertes Haupt. Wie sehr wünschte ich mir den Zeitpunkt herbei, wo ich zum ersten Mal den fremdländischen Boden betreten durfte! Aber wie es stand, dieser Zeitpunkt wurde weiter hinausgerückt; bei dermaliger hoch gehender See und heftigem Seewind wäre es ein tollkühnes Wagnis gewesen, im Boot ans Land zu kommen; ich musste mich ins Unvermeidliche fügen und mir vornehmen, geduldig zu harren. In der Betrachtung der neuen Gegend verweilte ich, bis es bereits zu dunkeln begann. Plötzlich verspüre ich – und mit mir alle im Schiff – einen plötzlichen Ruck, ein leichtes Rasseln der Ankerkette lässt sich zugleich vernehmen und bald gewahren wir mit Schrecken, dass wir treiben, dass wir unseren Anker durch den Bruch der Kette verloren hatten. Die Richtung, in welcher wir trieben, war die nach dem Wrack zu und dabei bedrohten wir eines der vor Anker liegenden Schiffe mit einem derben Zusammenstoß. In größter Eile gelingt es noch, das große Segel und das Focksegel zu entfalten, der starke Wind erfasst sie noch im rechten Moment, um uns vom bedrohten Schiff abzulenken. Nach mehrmaligem Wenden konnte das offene Meer wieder gewonnen werden, und erst vier Tage später, bei leichter Brise und wenig bewegter See, durften wir uns wieder nähern, um endlich vom kleinen Schleppdampfer ins Tau genommen und über die Barre weg in den Hafen bugsiert zu werden. Das war am 15. Januar 1865.

Auf diese Weise am Ziel meiner sehnlichsten Wünsche, einem Schiffbruch entgangen zu sein, durfte ich als ein gutes Omen betrachten, und daher führte ich gleich am ersten Tag eine kleine Rundreise um die Bai von Natal aus, um mir vorläufig einen oberflächlichen Blick über die neuen Formen der Natur zu verschaffen.

Erster Eindruck der fremden Natur – Der
Hafenort Durban – Komische Begegnung
– Urwald und tropisches Gewitter

Vom Landungsplatz aus, wo es bereits rüstig und lärmend herging mit dem Ausladen zweier Schiffe und wo mir zumal ein zwar bekanntes, aber noch ungewohntes Idiom, das Englische, und zwei ganz fremde Sprachen, nämlich der von Indien eingeführten Kulis und der in Natal einheimischen Kaffern, ans Ohr tönten, begab ich mich an den wenigen, zu Hafenzwecken aufgeführten Gebäuden vorüber auf die Straße, wenn ich die von Baum und Busch entblößten Durchhaue mit diesem Namen bezeichnen darf. Bis zu den Knöcheln im feinen losen Meeressand mühsam watend folgte ich diesem Waldweg, begab mich bald von der einen auf die andere Seite, teils um mir gänzlich fremde Pflanzenformen zu besehen, teils um zu versuchen, das Genus dieser oder jener mir bekannt vorkommenden Blüte zu erraten. Einzudringen in das Dickicht selbst, war eine Unmöglichkeit, und enge Schlüpfe führten meist bald zu einem Kafferndörfchen oder einer Bananenpflanzung. Solche Eingänge waren gewöhnlich durch auffallend große Exemplare baumartiger Euphorbien bezeichnet. Das Auge weidete sich an der Pracht der Blüten und den fremdartigen Gestalten, und zwar um so mehr, weil ja die lange eintönige Seefahrt zwischen dem Bild der bereits in Schnee gehüllten Landschaft, von der ausgesegelt worden war, und dem jetzigen Anblick einer subtropischen Gegend keine Vermittlung hergestellt hatte. Wenn nun aber auch dem Auge voller Genuss zuteilwurde, dem Ohr ward durchaus kein Schmaus bereitet in dem durchdringenden, das Trommelfell erschütternden Zirpen der großen dunkelgefärbten Zikaden oder in dem lästigen monotonen Geschrei der kleinen grünen Papageien, welche pärchenweise oder in Familien die höheren Bäume in großen Kreisen umflogen.

Nach etwa einer Stunde erreichte ich einen Eisenbahnübergang, ein Zeichen weit vorgeschrittener Zivilisation; noch eine kurze Strecke und ich befand mich in der Hauptstraße des Hafenorts Durban, nicht wenig überrascht, solch stattliche Gebäude zu sehen. Bevor ich mich jedoch der Stadt vollends näherte, hatte ich noch eine höchst komische Begegnung. An einem Gartenzaun vorübergehend wurde meine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen durch ein Chamäleon, jenes bekannte rätselhafte Tierchen, das in seinem ganzen Wesen etwas Absonderliches hat: sein behelmter Kopf mit den eigentümlich geformten, nach allen Richtungen und unabhängig voneinander drehbaren Augen, sein auffallender Gang, als ob es bei jedem Schritt zwei Tempi zu machen hätte, seine sonderbare Farbenänderung, wenn es auf verschieden gefärbte Gegenstände übergeht, die unbeholfene Eilfertigkeit, wenn es bei Berührung flüchten will oder zur Verteidigung das weite Maul aufreißt, die Schnelligkeit und nie fehlende Sicherheit, mit der es seine gelbe verdickte Zunge hervorstößt, um eine Fliege zu haschen. Doch ist es nicht dieses Chamäleon, das ich eine komische Begegnung nennen möchte, vielmehr die Störung, welche in der näheren Betrachtung eintrat.

Es rannte nämlich fast atemlos eine Person von schwarzer Hautfarbe auf mich zu, überreichte mir ein Stöckchen, in dessen oberem geschlitztem Ende ein Brief steckte; seine Sprache war weder Englisch noch »Kafferisch«, sondern wohl eine Mischung beider, jedenfalls aber für mich unverständlich. Ich merkte, dass er gern die Wohnung des Adressaten bedeutet haben möchte, ein Ding der Unmöglichkeit für mich; ich suchte ihm durch Zeichen begreiflich zu machen, dass er mich vergeblich frage. Vor sich hin singend oder murmelnd setzte er seinen Weg fort und gab mir dadurch Gelegenheit, seine einfache, aber höchst gewählte Kleidung anzustaunen. Außer den gewöhnlichen Streifen aus den Fellen einer Zibetkatzenart, wie sie die Zulu-Kaffern um die Lenden tragen, hatte er seine wolligen Haare mit einem hohen, seidenhaarigen, weißen Zylinderhut bedeckt, seinen Hals aber mit einem papiernen Kragen umgeben. Ihm entgegen kommt ein anderes merkwürdiges Subjekt, angetan mit einem krebsroten englischen Waffenrock mit großen Messingknöpfen. Beide müssen intime Bekannte gewesen sein, denn schon aus einiger Entfernung riefen sie sich einander freudig zu, hielten mit ihrer Eile inne, setzten sich nebeneinander auf den Boden nieder und begannen zu schnupfen, bis ihnen entweder ihr schallendes Gelächter oder aber der starke Tabak die Tränen in die Augen trieb. Damals dachte ich mir, dass sie höchst wichtige Begebenheiten einander zu erzählen wüssten, spätere Beobachtungen ähnlicher Fälle belehrten mich vom Gegenteil.

Mein Chamäleon war inzwischen unsichtbar geworden, es hatte sich ins dichte Gebüsch gerettet; ich verfolgte meinen Weg weiter durch das Städtchen, zunächst am gut instand gehaltenen Stadtpark vorüber, an dessen Ecke ein Gedenkstein, eine Fontaine mit Bassin darstellend, angebracht ist, mit der Aufschrift: »Wasser ist das Beste«, womit man sich auch ganz einverstanden erklären könnte, wenn gutes Wasser oder überhaupt Wasser daraus flösse. Bei der ersten Häuserreihe fiel mir zunächst eins auf, das mit der Aufschrift: Aude, vide, tace in großen Buchstaben versehen war. Diese Regel, die mir schon beim erstmaligen Betreten afrikanischen Bodens so dringend anempfohlen wird, muss ich beherzigen, dachte ich bei mir selbst und schritt weiter. Ich begnügte mich für diesmal mit dem nur flüchtigen Beschauen des Städtchens und seiner geschäftigen Bewohner und gelangte bald wieder ins Freie. Mich unmittelbar am Rande der Bai zu halten, wo bald die Flut den Boden bedeckt, bald die Ebbe ihn bloßlegt, wo dichte Mangrovebüsche eine anwidernde Malaria...

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