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Mehrgenerationenfamilie und neuropsychische Schemata (Praxis der Paar- und Familientherapie, Bd. 6)

AutorPeter Kaiser
VerlagHogrefe Verlag Göttingen
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl237 Seiten
ISBN9783840921315
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR

Die Entwicklung und Lebensqualität des Individuums können nicht unabhängig von seiner Familie gesehen werden.
Der Autor unternimmt den Versuch, wichtige Perspektiven und Befunde aus Familien- und Neuropsychologie sowie aus der Therapieforschung überschaubar darzustellen, miteinander in Verbindung zu bringen und für die psychotherapeutische Praxis systematisch aufzubereiten.

Einleitend umreißt der Autor neuropsychologische Grundlagen unseres Erlebens und Verhaltens im Kontext Familie.

Im anschließenden zweiten Teil des Bandes stellt er unterschiedliche Familienformen vor und beleuchtet sie hinsichtlich ihrer Lebensqualität. Er behandelt die Themen transgenerationale Entwicklung und Interaktion sowie familiale Funktionsfähigkeit. Weiterhin geht er auf die unterschiedlichen Umweltbedingungen einzelner Generationen ein sowie auf die Auswirkungen von Trennung und Verlust von Angehörigen.

Teil III des Bandes zeigt auf, wie man ein komplexes Familiensystem analysiert und wo eine Verbesserung familialer Interaktion ansetzen kann.

Zentrales Thema der abschließenden Kapitel ist die Umsetzung in die psychotherapeutische Praxis: Unterschiedliche psychologische Methoden und Strategien, wie klärungsorientierte Gesprächsführung, die Aufstellung von Familienskulpturen und der Umgang mit schwierigen Situationen werden erläutert. Schließlich behandelt der Autor praktische Fragen, wie z. B. ethische und rechtliche Aspekte, Therapiesetting und Formen der Co-Therapie.

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Kapitelübersicht
  1. Inhaltsverzeichnis und Vorwort
  2. Einleitung
  3. Teil I Psychologie neuropsychischer Schemata
  4. Teil II Die Mehrgenerationenfamilie und ihre Subsysteme
  5. Teil III Analyse und Optimierung familialer Interaktionen
  6. Teil IV Praktisches Vorgehen
  7. Epilog
  8. Literatur
  9. Stichwortverzeichnis
Leseprobe

2.2 Einelternfamilien (S. 35)
Stirbt ein Elternteil oder trennen sich Eltern, entstehen (zunächst) Einelternfamilien. Einelternfamilien sind daher meist durch schmerzliche Erfahrungen in oft kritischen Lebenssituationen ihrer Vorgeschichte gekennzeichnet. 5,3 Millionen Frauen (15,4 %) sind getrennt/geschieden und erziehen ihre Kinder alleine. 2,4 Millionen Kinder unter 18 (16,2 %) leben in Einelternfamilien. 10,1 % aller Kinder leben bei getrennten/geschiedenen, 6,1 % bei ledigen Müttern (BIB, 2005). Dabei haben die Kinder meist mehr oder weniger Kontakt zum Vater.

Die Vorgeschichte überfordert viele Betroffenen v. a. dann, wenn Bewältigungskompetenzen und sonstige Ressourcen fehlen (z. B. Belschner & Kaiser, 1981, Schmidt-Denter, 2000, Amato, 2000). Im Laufe der Zeit können diese Situationen bewältigt werden, wenn den Betroffenen eine Neuorientierung gelingt und die neuen Herausforderungen gemeistert werden.

Dennoch bleiben aufgrund der stressbedingten neuronalen Bahnungen meist lebenslange Spuren: Kritische Lebenssituationen erhöhen die statistische Risikobelastung für Entwicklung, Gesundheit und Lebenserwartung, je früher und je häufiger sie im Lebensverlauf vorkommen und je heftiger sie ausfallen. Man spricht hier von einem kumulativen Effekt auf Morbidität und Mortalität (Schepank, 1987, Schmidt-Denter, 1996, Amato, 2001, Kaiser, 1989, 2006a, Bauer, 2002, Gerhardt, 2004).

Trennen sich Partner mit Kindern, bleiben sie dennoch beide Eltern, werden Geschwister auseinander gerissen, bleiben sie gleichwohl Geschwister. So entstehen Loyalitätskonflikte, wenn ein Elternteil den Kontakt eines Kindes zum anderen Elternteil oder außerhalb lebenden (Halb-) Geschwistern nicht wünscht. Eine allein erziehende Mutter kann ihrem Kind die Beziehung zum Vater übel nehmen oder gar unterbinden, weil dieses sie an seinen Vater erinnert. Dies kann das Selbstwertgefühl und die Geschlechtsrollenidentität des Kindes bedrohen (vgl. Kasten, 1998). Haben Kinder getrennter Eltern zu unterschiedlichen Elternteilen bevorzugte Beziehungen oder leben sie bei diesen, kann dies auch ihre Ge- schwisterbeziehung bis hin zum Kontaktabbruch beeinträchtigen. Die Gründe sind v. a. in Loyalitätsproblemen aber auch räumlich-zeitlicher Distanz zu sehen. Manche getrennt lebenden Eltern ziehen mit voller Absicht weit vom Wohnort ihres Expartners weg, um diesem „zur Strafe" den Kontakt mit seinen Kindern abzuschneiden (Textor & Warndorf, 1995, Kaiser, 1995b, Bradbury & Karney, 1998, Amato, 2001, Beelmann & Schmidt-Denter, 2003, Amendt, 2005, Kaiser 2006a).

Hier sind besonders Kinder aus getrennten nichtehelichen Verbindungen gefährdet, da es oft kein gemeinsames Sorge- und Umgangsrecht getrennter nichtehelicher Eltern gibt und viele getrennte Mütter keinen Kontakt zwischen dem „Ex" und ihren Kindern wünschen. Ähnliches gilt dann für die Großeltern und andere Angehörigen väterlicherseits. Es ist daher eine wichtige therapeutische Aufgabe, betroffenen Kindern bei der Erhaltung eines eigenständigen Kontakts zu diesen behilflich zu sein. Diese Hilfe besteht u. a. darin, die mauernde Mutter und gegebenenfalls deren neuen Partner, aber auch den leiblichen Vater und dessen Familie entdecken zu lassen, wie wichtig kontinuierliche Bindungen für das Kindeswohl sind. In manchen Fällen mussten wir unsererseits versuchen, Kontakt zu Vätern und Müttern aufzunehmen, die sehr weit weg oder ins Ausland verzogen waren, um diese mittels mediativer Strategien zu bewegen, den Kontakt zu ihrem Kind nicht abreißen zu lassen (Amendt, 2005).

Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis und Vorwort6
Einleitung11
Teil I Psychologie neuropsychischer Schemata16
1 Neuropsychische Schemata16
1.1 Biopsychosoziale Grundlagen16
1.2 Neuropsychische Schemata als Basis innerer Modelle und Lebenskonzepte29
1.3 Zusammenfassung35
Teil II Die Mehrgenerationenfamilie und ihre Subsysteme36
2 Lebensqualität der Mehrgenerationenfamilie und transgenerationale Interaktionen36
2.1 Kernfamilien42
2.2 Einelternfamilien43
2.3 Stieffamilien45
2.4 Pflege- und Adoptivfamilien46
2.5 Familien mit behinderten oder chronisch kranken Angehörigen47
2.6 Polygame Familien48
2.7 Zusammenfassung49
3 Transgenerationale Entwicklung und Familienzyklus50
3.1 Die Generationenfolge: Genetische und soziale Vererbung50
3.2 Entwicklung im Familienzyklus52
3.3 Zusammenfassung55
4 Transgenerationale Interaktionen und familiale Funktionsfähigkeit56
4.1 Werte, Normen und Regeln57
4.2 Familienwissen59
4.3 Familiale Lebenskonzepte und Modellvorstellungen59
4.4 Kommunikations-, Entscheidungs- und Steuerungsstrukturen66
4.5 Rollen-, Ressort- und Aufgabenverteilung71
4.6 Grenzen74
4.7 Beziehungs- und Bindungsqualität77
4.8 Beitrag der Subsysteme und Angehörigen83
4.9 Zusammenfassung93
5 Umweltbedingungen verschiedener Ebenen94
5.1 Makroebene: Transgenerationale Effekte deutscher Geschichte94
5.2 Mesoebene: Transgenerationale Effekte der Arbeitswelt98
5.3 Zusammenfassung99
6 Zur Prozessqualität transgenerationaler Interaktionen100
6.1 Zufriedenheitsfaktoren des Familienlebens100
6.2 Unzufriedenheitsfaktoren des Familienlebens101
6.3 Zusammenfassung102
7 Ergebnisqualität transgenerationaler Interaktionen103
7.1 Auswirkungen von Abwesenheit und Verlust von Angehörigen105
7.2 Auswirkungen von Trennung und Scheidung106
7.3 Zusammenfassung111
Teil III Analyse und Optimierung familialer Interaktionen112
8 Psychologische Verfahren113
8.1 Historische Entwicklung der Mehrgenerationenfamilientherapie113
8.2 Systemische und genografische Mehrebenenanalyse117
8.3 Zukunftsarbeit127
8.4 Analyse und Optimierung neuropsychischer Schemata129
8.5 Zusammenfassung133
9 Qualitätsaspekte im therapeutischen Prozess134
9.1 Methodenprobleme in der Psychotherapieforschung134
9.2 Hauptergebnisse der Therapieforschung137
9.3 Wirkfaktoren140
9.4 Wirkdimensionen155
9.5 Zusammenfassung168
Teil IV Praktisches Vorgehen170
10 Psychologische Strategien und Methoden170
10.1 Klärungsorientierte Gesprächsführung170
10.2 Aufstellen von Familienskulpturen174
10.3 Kompetenztraining178
10.4 Konfliktmanagement und Mediation zwischen den Generationen180
10.5 Umgang mit schwierigen Situationen183
10.6 Medikamente185
10.7 Zusammenfassung186
11 Praktische Fragen187
11.1 Ethische und rechtliche Perspektiven187
11.2 Auswahl der professionellen Settings188
11.3 Zusammenfassung193
12 Rahmenbedingungen194
12.1 Zeitlicher Rahmen194
12.2 Formen von Co-Therapie195
12.3 Therapeutischer Systemkontext196
12.4 Fort- und Weiterbildung, Supervision196
12.5 Zusammenfassung199
Epilog200
Literatur202
Stichwortverzeichnis232
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