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Voll Sinn-voll. Klientenzentrierte Gesprächsführung im Rahmen des § 16a SGB II mit hochsensiblen Persönlichkeiten

AutorJulie Bergé
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl151 Seiten
ISBN9783656685531
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,1, Duale Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart, früher: Berufsakademie Stuttgart (Landratsamt Böblingen), Sprache: Deutsch, Abstract: 'Although this trait is found in 20% of the population, the actual occurance is probably closer to 50% of patients in most practices.' Dieses Zitat stammt von Elaine Aron (2010), einer amerikanischen Psychotherapeutin, die 1997 den Begriff der 'highly sensitive person' prägte. 'The trait'- das Merkmal von dem sie also spricht ist- zu Deutsch- die Hochsensibilität. Dem Zitat sind gleich zwei Kernaspekte der Hochsensibilität(HS) zu entnehmen: Zum Einen wird deutlich, wie gering der Anteil der hochsensiblen Menschen(HSM) in der Bevölkerung mit 20% ist, zum Anderen jedoch verrät das Zitat auch die hohe Relevanz für alle beraterischen Kontexte, wenn die Mehrheit der Klienten hochsensibel ist. Sowohl dieses Thema, als auch diese Erkenntnis, waren mir bis vor einigen Monaten noch völlig unbekannt, bis ich mich zufällig in ein Werk von E. Aron über Hochsensible einlas und sowohl Parallelen zu mir selbst, als auch zu einer Klientin feststellte, die ich während meiner Praxisphase im Landratsamt Böblingen im Rahmen der psychosozialen Beratung des §16 a SGB II betreute. Fasziniert über das Phänomen der Hochsensibilität und damit einhergehenden speziellen Eigenarten der Klientin, beschloss ich, dies zum Thema meiner Bachelorthesis zu machen. Dabei beschäftigte mich insbesondere die Frage, wie ein Klient, der hochsensibel ist, am besten beraten werden könnte, wie die Beratungsbeziehung gestaltet sein sollte, welche Methoden verwendet werden sollten usw. Auf der Suche nach geeigneten Beratungsmethoden stieß ich auf die klientenzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers. Sie erschien mir auf den ersten Blick als eine geeignete Methode, um hochsensible Klienten beraten zu können. Genau unter diesem Aspekt soll diese Thesis als eine Auseinandersetzung mit der zentralen Fragestellung 'Wie kann die psychosoziale Beratung konzipiert sein und inwieweit ist die klientenzentrierte Beratung ein passender Ansatz, um hochsensible Personen beraten zu können?' fungieren. Die zwei theoretischen Themenschwerpunkte aus 'Hochsensibilität' und 'klientenzentrierter Gesprächsführung' werden zunächst gesondert behandelt, um dann während der Beschreibung des dritten Schwerpunkts, der Praxis der psychosozialen Beratung, zusammenzufließen. Der Titel dieser Thesis 'Voll Sinn-voll' spielt bereits auf ein grundlegendes Merkmal der Hochsensiblen an. [...]

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Leseprobe

3.) Die Klientenzentrierte Gesprächsführung nach C. Rogers


 

3.1) Menschenbild und Persönlichkeitstheorie


 

Zunächst lässt sich erkennen, dass Rogers Arbeiten unter Begriffen wie „non-direktiv“ aufzutreffen sind. In dieser ersten Phase der Werke von Rogers war das zentrale Anliegen, den Klienten nicht mit Ratschlägen oder Erklärungen entgegenzukommen, sondern das dem Klienten innewohnende Potential aufzudecken. Dieser solle über eine vom Berater angebotene Beziehung selbst zu einem tieferen Verständnis seines Selbst kommen und so sein Verhalten ändern. Non-Direktiv wurde jedoch häufig mit Nicht-Aktiv oder passiv assoziiert, daher modifizierte Rogers seinen Ansatz zu „client-centered“. Um sich vom daraufhin entstandenen Eindruck zu distanzieren, der Mensch in seiner Funktion als Klient solle im Mittelpunkt der Beratung stehen, benannte er seinen Ansatz in seiner letzten Phase dann zu „personzentriert“ um. Der klientenzentrierte Ansatz verweist auf eine phänomenologische Sichtweise, was bedeutet, dass alles, was der Klient äußert, aus dem subjektiven Erleben dessen hin betrachtet wird und vorurteilsfrei angenommen wird(vgl. Weinberger 2013: 22f.). Die Phänomenologie geht davon aus, „dass man durch die Erforschung und Beschreibung menschlicher Erfahrung zu wahrem Wissen und einem Verständnis von den Dingen gelangen könnte“(McLeod 2004: 136). Nach Grawe lässt sich die KZG in die Gruppe der „klärungszentrierten Psychotherapien einordnen, also in die Reihe jener Verfahren, bei denen die Einsicht in Sinnzusammenhänge bzw. die Problemklärung im Sinne einer Förderung des Selbstverstehens gegenüber der Problembewältigung eine herausragende Rolle spielt“(Grawe 1994 in Finke 2004: 1).

 

Rogers erste These besagt, dass ein jedes Individuum in einer „ständig sich ändernden Welt der Erfahrung existiert, deren Mittelpunkt es ist“(Rogers 2012: 418). Er bedient sich folgenden Beispiels. „der Druck des Stuhlsitzes gegen mein Gesäß ist etwas, das ich seit mehr als einer Stunde erfahre, aber erst wenn ich daran denke und darüber schreibe, wird die Symbolisierung dieser Erfahrung im Bewusstsein gegenwärtig.[…] Es sollte anerkannt werden, dass in dieser Welt der Erfahrung des Individuums […] vermutlich ein sehr geringer Teil bewusst erfahren wird. Viele unserer organischen und Sinnes-Empfindungen werden nicht symbolisiert. Es trifft jedoch auch zu, dass ein großer Teil dieser Welt der Erfahrung dem Bewusstsein zugänglich ist[…], wenn das Bedürfnis des Individuums bewirkt, dass gewisse Empfindungen in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt werden[…].“(ebd.: 418) Rogers zweiten These ist zu entnehmen, dass alle Empfindungen und Wahrnehmungen für das aufnehmende Individuum die „Realität“ abbilden und jedes Verhalten darauf keine Reaktion auf die objektive Wirklichkeit, sondern auf die subjektive Wahrnehmung ist(vgl. ebd.:425). Diese Wahrnehmungen entwickeln sich nach und nach zum Selbst(vgl. ebd.:429). Ebenso erwähnt er jedoch auch, dass es Aspekte gibt, die eine Symbolisierung oder Bewusstseinserlangung verhindern(vgl. ebd.:419). Dieser Aussage wird während der Auseinandersetzung mit der sogenannten „Aktualisierungs- und Selbstaktualisierungstendenz“ im Folgenden nachgegangen.

 

Carl Rogers kann als Begründer der humanistischen Psychologie verstanden werden. „Diese, neben der Psychoanalyse und dem Behaviorismus als „Dritte Kraft“ bezeichnete Richtung, betont das jedem Menschen innewohnende Bedürfnis nach konstruktiver Veränderung und Selbstverwirklichung“(Weinberger 2013: 24). Neben diesem Bedürfnis strebt nach Rogers ein jeder auch nach seinem zweiten Grundbedürfnis: der Liebe und Wertschätzung durch andere(vgl. McLeod 2004: 137). Zentraler Begriff ist hierbei die sogenannte „Aktualisierungstendenz“:

 

Rogers bezeichnet sie als „eine inhärente Tendenz zur Entfaltung aller Kräfte[…] die der Erhaltung oder dem Wachstum des Organismus dienen“(Rogers 2013: 41). Organismus bezieht sich dabei sowohl auf die psychischen als auch die physischen Prozesse im menschlichen Körper. Der sogenannte organismische Bewertungsprozess unterstreicht die Bedeutung physischer Vorgänge im Menschen. So werden beispielsweise Hungergefühle als negative organismische Erfahrungswerte gespeichert, dementgegen das Aufnehmen von Nahrung als positiver Erfahrungswert(vgl. Weinberger 2004: 25). Diese Tendenz hielt Rogers in seiner vierten These fest; unter Anderem mit den Worten: „Wir sprechen hier über die Tendenz des Organismus, sich selbst zu erhalten – Nahrung aufzunehmen, sich angesichts von Gefahr defensiv zu verhalten und das Ziel der Selbsterhaltung selbst dann zu erreichen, wenn der übliche Weg zu diesem Ziel blockiert ist. Wir sprechen von der Tendenz des Organismus, sich in Richtung auf Reife[…] zu bewegen.[…] Er [der Organismus; J.B.] bewegt sich in Richtung auf größere Unabhängigkeit oder Selbstverantwortlichkeit.“(Rogers 2012: 422) Dennoch können laut Rogers bestimmte Umweltfaktoren den Organismus an seiner Entfaltung hindern(vgl. Rogers 2013: 41) „seine physische und psychologische Umgebung kann sich in der Weise auswirken, dass seine Aktualisierungstendenz gehemmt oder vollkommen blockiert wird; dass sie nur noch auf verzerrte, absonderliche oder „anormale“ Weise geäußert werden kann; dass sie sich in sozial destruktive statt in konstruktive Bahnen ergießt“(Rogers 2013:41). Wie es zu einer solch schädlichen Entwicklung kommt, wird im Folgenden betrachtet.

 

Neben der bereits genannten Aktualisierungstendenz existiert in jedem Menschen in gleicher Weise eine „Selbstaktualisierungstendenz“. Der implizierte Begriff des „Selbst“ wird von Rogers in folgender Weise definiert: „man kann es sich als eine strukturierte, konsistente Vorstellungsgestalt denken, die sich zusammengesetzt aus den Wahrnehmungen vom „Ich“ oder „Mich“ und den Wahrnehmungen von den Beziehungen dieses „Ich“ zur Außenwelt und zu anderen Personen“(Rogers 2013: 42). Durch diese Erfahrungen, die das Ich macht, entwickelt es ein Konzept des Selbst und dazugehörige Wertvorstellungen(vgl. ebd.: 42).

 

Die Selbstaktualisierungstendenz zielt in hohem Maße auf das Grundbedürfnis nach Liebe und Wertschätzung ab. Dabei ist es ausschlaggebend, was für eine Art Selbstkonzept der Mensch hat. Bei der Entwicklung des Konzeptes spielen die zwischenmenschlichen Erfahrungen eine signifikante Rolle. Nun werden Erfahrungen danach bewertet, ob sie, sowohl für den Organismus (Aktualisierungstendenz), als auch für das Selbstkonzept förderlich sind. Dabei wird der Erhaltung des Selbstkonzeptes meist primäre Stellung eingeräumt. Ein Beispiel macht dies deutlich: Durch einen Sturz hat sich ein Kind verletzt und steht den Tränen nahe; als es auf einmal bemerkt, dass sein Vater das Geschehen beobachtet und es weiß, dass er dies missbilligen würde. Also verdrängt es das Bedürfnis zu weinen und demonstriert durch ein Lachen im Gesicht, dass ihm Schmerzen nichts ausmachen(vgl. Weinberger 2013: 26). Was das Kind an Gefühlen erlebt –laut Rogers „Experiencing“ genannt- verdrängt es aus dem Selbstkonzept, damit dieses stimmig bleibt(vgl. Rogers 2013: 43). „Die Selbstaktualisierung, die das Selbstkonzept – ich bin keine Heulsuse- erhält, bewirkt, dass die Erfahrung des Schmerzes verleugnet wird: „es hat gar nicht weh getan“, oder verzerrt symbolisiert wird: „es macht mir gar nichts aus“(Weinberger 2013: 26). Ergebnisse in der Bindungsforschung untermauern die Erkenntnis, dass bereits Kinder von einem Jahr ihre Bedürfnisse den Bewertungen ihrer Bezugspersonen unterstellen und sich mit denen der Bezugspersonen identifizieren(vgl. ebd.: 26). Um Rogers zu zitieren: „Dies ist aus unserer Sicht die grundlegende Entfremdung im Menschen. Er ist nicht er selbst; er ist seinen natürlichen organismischen Bewertungen der Erfahrungen untreu“(Rogers 1991 in Weinberger 2013: 26f.).Mc Leod schreibt zur Entstehung dieser Divergenzen: „Die Liebe oder Anerkennung, die dem Kind von den Eltern gegeben wird, kann an Bedingungen geknüpft oder bedingungslos sein. Wird das Kind bedingungslos geliebt und anerkannt, kann es sein Potential frei ausdrücken und lernen, seine inneren Gefühle zu akzeptieren. Ist die Liebe […] an bestimmte Verhaltensweisen gebunden […], lernt das Kind, sich selbst im Hinblick auf die elterlichen Werte zu definieren“(McLeod 2004: 137).

 

Erfahrungen, die gemacht werden und nicht mit dem eigenen Selbstkonzept übereinstimmen, werden dann wie im Beispiel verzerrt wahrgenommen, verfälscht oder verleugnet. Solche Situationen führen zu „Inkongruenzen“, also „Diskrepanz[en] zwischen der Aktualisierungstendenz (Erleben wird mit dem gesamten Organismus gespürt und bewertet) und der Selbstaktualisierungstendenz (Erleben wird mit den Augen der bedeutsamen Bezugsperson bewertet)“(Weinberger 2004: 28). So wählt Weinberger dabei das Beispiel eines Kindes, dass in der Schule in der Regel gute Noten schreibt (Selbstkonzept „ich bin eine gute Schülerin“), doch nach einer schlecht bewerteten Klassenarbeit die Lautstärke der Banknachbarn oder die unpassende Aufgabenstellung des Lehrers dafür verantwortlich macht. Passt das Erlebte nicht in das Selbstkonzept, wird die Realität subjektiv verzerrt(vgl. ebd.: 28). „Sie [die Inkongruenz] tritt in einer Therapie dann am deutlichsten zutage, wenn sie sich auflöst“(Rogers 2013: 43). Dies geschieht über das Passieren von sieben Stufen, die sich im...

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