Was uns heute krank macht
Um besser und gesünder zu leben, sollten Sie wissen, was Sie krank machen kann. Nur: Manche Krankmacher sind gut versteckt und wirken aus dem Hintergrund, oder sie werden sehr unterschätzt, obwohl ihr Risikopotenzial hoch ist.
Lebensmittelpunkt Körper
GESUNDHEIT IST EINER der selbstverständlichsten Zustände der Welt – zumindest solange es uns gut geht. Ein gesunder Mensch ist in der beneidenswerten Lage, sich in seiner Haut rundum wohlzufühlen. Ein Gesunder hat keinen Körper, er ist einfach sein Körper. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat das so definiert: »Gesundheit ist der Zustand des vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.« Das heißt im medizinischen Sinn, dass in jedem Moment Milliarden von Körperzellen und Organsystemen funktionieren, miteinander agieren und reagieren. So natürlich dies zu sein scheint, ist es doch ein Wunder und keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Denn der Körper ist keine Maschine, die man nur entsprechend der Gebrauchsanleitung warten muss, damit alles weiterhin glattläuft.
Nein, der Körper macht manchmal auch Sachen, die nicht so einfach nachvollziehbar sind. Er zeigt Schmerzen, bestimmte Symptome, verändert sich. Gesundheit ist deshalb kein Absolutum: Jeder Mensch, jeder Körper ist zeit seines Lebens Wandlungen unterworfen. Gesundheit bis ins hohe Alter lässt sich deshalb auch nicht voraussagen, geschweige denn garantieren, denn das Leben steckt voller überraschender Wendungen.
Sind wir heute gesünder oder kränker als früher?
Grundsätzlich heißt es ja, dass der Mensch heute gesünder ist als vor hundert Jahren. Das stimmt, wenn man Gesundheit und Lebenserwartung zueinander in Beziehung setzt. Die Säuglingssterblichkeit ist stark zurückgegangen, und auch Infektionskrankheiten, die in früheren Zeiten vor allem Kinder und Jugendliche dahinrafften, sind zum Großteil überwunden. Lag die durchschnittliche Lebenserwartung vor mehr als 130 Jahren, als im Deutschen Reich für den Zeitraum von 1871 bis 1881 die erste Sterbetafel berechnet wurde, bei knapp 40 Jahren, beträgt sie heute laut Angaben des Statistischen Bundesamts in Deutschland nach der Sterbetafel von 2008/10 für neugeborene Jungen 77,51 Jahre und 82,59 Jahre für neugeborene Mädchen. Gute Nachrichten, möchte man meinen, und allenfalls ein Thema für eine gut geplante Altersvorsorge.
Fakt ist allerdings auch, dass Ärzte heute eine außergewöhnliche Zunahme sogenannter degenerativer Erkrankungen, also Herz-Kreislauf-Beschwerden und Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes beklagen. Die Ursachen sind schnell benannt: Dem renommierten Arzt, Wissenschaftler und Lehrer Prof. Dr. mult. Wildor Hollmann zufolge haben wir es mit drei Gruppen von Menschen zu tun. Gruppe eins ist genetisch begünstigt, und zwar in Hinblick auf Gesundheit, Immunsystem und Lebenserwartung. Bei einem gesunden Lebensstil fühlen sich diese Menschen mit 82 Jahren oft noch wie 40-Jährige. Wer also das Glück hat, von seinen Vorfahren reich beschenkt worden zu sein in Form »guter« Gene, dem sind bis ins hohe Alter ein wacher Geist und bewegliche Glieder beschert, und er darf, wenn er mag, getrost das eine oder andere Laster pflegen – man denke an Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, den niemand sich ohne Zigarette denken kann. Die andere Gruppe umfasst laut Hollmann diejenigen, die genetisch weniger günstig gestellt sind, die dritte Gruppe schließlich ist genetisch weniger begünstigt und zusätzlich benachteiligt durch eine ungesunde Lebensführung.
Heißt das, jeder, der superdiszipliniert lebt, ist und bleibt gesund? Oder im Umkehrschluss, dass, wer im Laufe seines Lebens krank wird, selbst daran schuld ist? Ganz so einfach ist es wohl nicht, betrachtet man betagte Raucher, zufriedene Übergewichtige und Menschen, die sich auch ohne Laufschuhe im Schrank ihrer Beweglichkeit erfreuen. Wie gesagt: Unser Körper ist keine Maschine, und er ist auch nicht so beherrschbar. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass sich im Laufe eines langen Lebens Beschwerden einstellen. Oft stellt sich erst auf diese Weise – durch Schmerz oder weil die Nase läuft – das Bewusstsein dafür ein, dass man einen Körper hat. Er meldet sich gewissermaßen zu Wort, indem er sagt: »Ich will Wärme, meine Ruhe, eine Tasse Tee oder frische Luft.« Jetzt hat man die Chance, in Dialog mit seinem Körper zu treten und sich um sich zu kümmern.
TIPP
HÖREN SIE IN SICH HINEIN
Versuchen Sie wieder, mit Ihrem Körper ins Gespräch zu kommen. Warten Sie nicht erst auf das nächste Wochenende oder die nächsten Ferien, um aufzutanken und zu Kräften zu kommen. Tun Sie jeden Tag etwas für Ihre Balance zwischen Auspowern und Erholen, Anspannen und Entspannen. Hören Sie auf Ihren Körper: Brauchen Sie mehr Schlaf, mehr Sonne, eine frisch zubereitete Mahlzeit aus hochwertigen Zutaten, mehr Bewegung, mehr Lockerung?
Geben Sie Ihrem Körper, was er braucht, und loten Sie immer wieder Ihren Alltag aus.
Von alltäglichen Erkrankungen ...
Vieles um uns herum kann uns kränken, schwächen oder krank machen, und man kann an vielerlei erkranken – von klassischen Kinderkrankheiten über unzählige Erkältungsinfekte bis hin zu Magen-Darm-Infektionen. Die meisten dieser Beschwerden gehen schadlos an uns vorüber oder dienen sogar – wie Kinderkrankheiten – der Stärkung des noch nicht ausgereiften Immunsystems. Der Körper heilt sich in diesen Fällen selbst, wenn wir ihn lassen, und er weiß sehr gut, wie das geht. Auch Medikamente bieten bei diesen eher alltäglichen Beschwerden allenfalls eine Unterstützung und können Husten, Schnupfen, Heiserkeit oder Verdauungsprobleme lediglich etwas lindern. Ganz in Ordnung bringen kann sich jeder ursprünglich gesunde Organismus nur selbst. Dieses Programm steckt in unseren Genen. Man nennt es Selbstheilung.
Mit dieser Fähigkeit bringt der Körper Symptome zum Abklingen, so lange er dabei unterstützt wird und auch genügend Zeit hat.
... und Zivilisationskrankheiten
Allerdings bergen manche Krankheiten ein wesentlich höheres Risikopotenzial. Vor allem die sogenannten degenerativen Erkrankungen oder Zivilisationskrankheiten stellen heute das größte Risiko für die Gesundheit dar. Zudem machen sie sich oft erst bemerkbar, wenn das körperliche Gleichgewicht bereits massiv gestört ist. Zu ihnen gehören Herz- und Kreislauferkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Arteriosklerose, Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Übergewicht, Krebs, Erkrankungen des Bewegungsapparates oder Autoimmunerkrankungen. Bei der Entstehung dieser oft chronisch verlaufenden Krankheiten spielen zivilisierte »Errungenschaften« eine entscheidende Rolle. Sie untergraben auf subtile Weise einen positiven Umgang mit dem eigenen Körper. Dabei handelt es sich durchweg um die Früchte unseres hochtechnisierten und hyperbeschleunigten Zeitalters wie das Auto, das uns Bewegung erspart, oder die Tiefkühlpizza, die schnell gemacht, aber vitalstoffarm und kalorienreich ist. Auf den Organismus des Menschen, der evolutionsgeschichtlich gesehen eher ein altmodisches Modell mit ebenso altmodischen Ansprüchen ist, wirkt sich das fatal aus. Er kann sich nicht mehr selbst regulieren. Der Grat zwischen Gesundheit und Zivilisationskrankheiten scheint extrem schmal zu sein.
Ursache Bewegungsmangel
Die Ursachen für die starke Zunahme von Diabetes, Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Beschwerden wirken gar nicht so gefährlich: Da ist zum einen der von Ärzten beklagte Bewegungsmangel. Der Muskelapparat und der Energiestoffwechsel des Menschen sind auf tägliche körperliche Bewegung geeicht. Das liegt daran, dass immerhin vor über zwei Millionen Jahren Generationen unserer Vorfahren als Jäger und Nomaden täglich lange Fußmärsche zurücklegten und sich auf der Suche nach Nahrung oder der Abwehr von Feinden und wilden Tieren körperlich verausgabten. Seit 250 Generationen gingen dann die sesshaft gewordenen Menschen Tag für Tag auf dem Feld stundenlang körperlich anstrengenden Tätigkeiten nach. Vor nur zehn Generationen etwa setzte die industrielle Revolution und damit die Mechanisierung von Arbeitsabläufen ein: Trotzdem waren auch damals die meisten Menschen bei der Arbeit immer noch hohen körperlichen Anforderungen ausgesetzt. Erst das Computerzeitalter beschert seit ein bis zwei Generationen vielen Menschen einen (Berufs-)Alltag ohne nennenswerte körperliche Beanspruchung. So sitzen wir die Arbeitszeit, oft nur unterbrochen durch hochkalorische Kantinenmittagessen, im wahrsten Sinne des Wortes ab.
Ursache Ernährung
Hinzu kommt ein Leben für den Menschen im Westen mit einer so gesicherten Ernährungslage wie nie zuvor. Wir leben im extremen Überfluss.
In den Industrieländern muss sich heute kaum jemand mehr darüber sorgen, ob, wie, wo und wann er satt wird. Ein aggressives Marketing wirbt dabei unentwegt für eine mit Zucker, Eiweiß und Fett angereicherte Ernährungsweise – chronisches Gift für einen Stoffwechsel, der seit Urzeiten auf Speichern programmiert ist. Entsprechend schwellen die Depots an Bauch und Hüften an, der Stoffwechsel ist überlastet und wird irgendwann matt gesetzt. Die stetige Überfrachtung...