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Ich bin der eselhafteste Mensch, den ich je gekannt habe - Gesamtedition

Neue Geheimnisse meiner Autobiographie

AutorMark Twain
VerlagAufbau Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl1040 Seiten
ISBN9783841208668
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Sie denken, Sie kennen Mark Twain? Weit gefehlt! Twain in Höchstform: Amerikas größter Humorist offenbart uns ungekannte Geheimnisse und Abenteuer seiner Autobiographie - noch vertraulicher und persönlicher. Die deutsche Erstübersetzung mit einer Fülle nie publizierter Texte. 'Die Nachricht von meinem Tod ist stark übertrieben.' Mark Twain Nach dem furiosen Auftakt geht es endlich weiter - humorvoll, verspielt und bissig, wie wir Twain lieben, zugleich aber unverstellt, emp?ndsam und privat wie selten zuvor. Als wütender Zeitkritiker und melancholischer Einsiedler, liebender Familienmensch und bedingungsloser Tierfreund, geselliger Entertainer und sportliche Niete spricht er über alles, was ihn und uns bewegt: skrupellose Steuerhinterzieher, geschätzte Schriftstellerkollegen und Champagnertränen lachende Politiker, die Wesensart von Gott und sein Faible für College-Mädchen. Über Einsamkeit und die ganz große Liebe, seine drei Babykatzen und deren Ähnlichkeiten mit den Menschen. Laute Lacher und tiefgründige Gedankengänge sind garantiert. Mark Twain in Höchstform - empfindsam, mitteilsam und persönlich wie nie zuvor. 'Endlich gibt es mehr von Twains weitreichenden, klugen und stets freimütigen Bekenntnissen. Sie erst lassen uns diesem größten Humoristen Amerikas richtig verstehen.' The New Yorker Diese Gesamtedition enthält den kompletten von Mark Twain verfassten Text seiner Autobiographie und einen 270 Seiten starken Materialienband inkl. zahlreicher Anmerkungen zu den Diktaten, der Kurzbiographien von Mark Twain und seiner Familie,Register und Zusätzen. Außerdem erhältlich: Mark Twain: »Ich bin der eselhafteste Mensch, den ich je gekannt habe - Textedition«.

Mark Twain wurde am 30.11.1835 in Florida (Missouri) geboren. Sein eigentlicher Name ist Samuel Langhorne Clemens. Der Vater starb 1847, und Twain musste im Alter von zwölf Jahren die Schule abbrechen und begann eine Lehre als Schriftsetzer. Mit 17 Jahren ging er nach New York, dann nach Philadelphia, wo er die ersten Reiseskizzen schrieb. Von 1857 bis 1860 war er Lotse auf dem Mississippi, nahm am Sezessionskrieg auf der Seite der Konföderierten teil und war 1861 Silbersucher in Nevada. 1864 lebte er in San Francisco, 1866 als Reporter auf Hawaii und 1867 als Reisender in Europa und Palästina. Er gründete einen Verlag, musste aber 1894 Konkurs anmelden und ging auf Weltreise, um mit Vorträgen seine Schulden abzutragen. Mark Twain starb am 21.4.1910 in Redding (Connecticut).

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Leseprobe

Montag, 2. April 1906


Regierung des neuen Territoriums Nevada – Gouverneur Nye und die Witzbolde  Mr. Clemens beginnt Leben als Journalist beim Virginia City Enterprise  Berichtet über Sitzungsperiode der Legislative – Er und Orion leben im Wohlstand – Orion baut Zwölftausend-Dollar-Haus – Gouverneur Nye verwandelt das Territorium Nevada in einen Staat

BEFÖRDERUNG FÜR BARNES,
DER VON TILLMAN SCHELTE EINGESTECKT HATTE

Ließ Frau aus Weißem Haus hinauswerfen; soll Postmeister werden

MERRITT ERHÄLT NEUE POSITION

Jetziger Postmeister von Washington wird Zolleinnehmer in Niagara – Platt nicht zu Rate gezogen

Sonderbericht der NEW YORK TIMES

WASHINGTON, 31. März – Präsident Roosevelt überraschte die Hauptstadt heute Nachmittag mit der Bekanntgabe, er werde Benjamin F. Barnes zum Postmeister von Washington ernennen, in der Nachfolge des New Yorkers John A. Merritt. Mr. Merritt, der hier mehrere Jahre als Postmeister gedient hat, ist als Zolleinnehmer für den Hafen von Niagara vorgesehen, wo er dem verstorbenen Major James Low nachfolgt.

Mr. Barnes ist derzeit stellvertretender Sekretär des Präsidenten. Erst kürzlich hatten die Zeitungen ausführlich über ihn berichtet, weil er die gewaltsame Entfernung von Mrs. Minor Morris aus dem Weißen Haus angeordnet hatte, einer Frau aus Washington, die ihre Aufwartung machte, um den Präsidenten zu sprechen. Was an dem Fall für Aufmerksamkeit sorgte, war nicht so sehr der Hinauswurf an sich als vielmehr die Gewaltsamkeit, mit der er ausgeführt wurde.

Mrs. Morris, die sich, soweit Zeugen beobachten konnten, mit Barnes in gewöhnlichem Plauderton und ohne Anzeichen von Erregung unterhalten hatte, wurde von zwei Polizisten gepackt und an den Armen aus dem Gebäude und über den Asphaltweg vor dem Weißen Haus geschleift, eine Entfernung, die zwei gewöhnlichen Häuserblocks entspricht. Einen Teil der Strecke trug ein Neger sie an den Füßen. Ihr Kleid wurde zerrissen und zertrampelt.

Wegen ordnungswidrigen Verhaltens sperrte man sie ein, und als verlautbarte, dass sie bei solcherart Anschuldigung wieder auf freien Fuß gesetzt würde, wurde ein Polizeibeamter, ein Verwandter von Barnes, ins Untersuchungsgefängnis geschickt, der den Vorwurf geistiger Unzurechnungsfähigkeit gegen sie erhob, damit sie weiter festgehalten werden könne. Folglich wurde sie weiter festgehalten, bis zwei Ärzte sie untersucht und für zurechnungsfähig erklärt hatten. Barnes wurde dafür von Mrs. Morris, von verschiedenen Zeitungen und im Senat von Mr. Tillman angeprangert.

Die Ernennung von Barnes zum Postmeister so bald nach diesem Zwischenfall hat hier für endlosen Geprächsstoff gesorgt. Sie wird dem Präsidenten als Geste ausgelegt, mit der er Barnes sein Vertrauen ausspricht und ihn für die Unbill entschädigt, die er im Zuge der öffentlichen Kritik an seinem Vorgehen zu erdulden hatte.

Wieder Orion Clemens. Um fortzufahren.

Die Regierung des neuen Territoriums Nevada stellte eine interessante Menagerie dar. Gouverneur Nye war ein alter und erfahrener Politiker aus New York – ein Politiker, kein Staatsmann. Er hatte weißes Haar; er war in guter körperlicher Verfassung; er hatte ein einnehmend freundliches Gesicht und tiefglänzende braune Augen, die den Ausdruck jeder Empfindung, jeder Erregung, jeder Gefühlsbewegung wie eine Muttersprache beherrschten. Seine Augen konnten seine Zunge in Grund und Boden reden, und das will was heißen, denn er war ein äußerst bemerkenswerter Redner, sowohl im Privatleben als auch beim öffentlichen Werben um Unterstützer. Er war ein scharfsinniger Mann; für gewöhnlich schaute er hinter die Dinge und nahm wahr, was unter der Oberfläche vor sich ging, ohne sich anmerken zu lassen, dass er diese Vorgänge auch nur ins Auge gefasst hatte.

Wenn Erwachsene Schabernack treiben, sagt dieser Umstand einiges über sie aus. Sie haben ein beschränktes, unbedeutendes und ignorantes Leben geführt, und noch im besten Mannesalter halten sie an einem Restposten übriggebliebener Normen und Ideale fest, die sie, wären sie in die Welt und in ein erfüllteres Leben hinausgezogen, bereits in der Jugend aufgegeben hätten. In dem neuen Territorium gab es viele derartige Witzbolde. Ich finde kein Vergnügen daran, diesen Umstand aufzudecken, denn ich konnte diese Leute gut leiden; aber was ich sage, ist wahr. Ich wünschte, ich könnte stattdessen etwas Freundlicheres über sie sagen – dass sie Einbrecher waren oder Garderobendiebe oder etwas, was nicht völlig unschmeichelhaft wäre. Ich würde es vorziehen, kann diese Dinge aber nicht sagen, sie wären nicht wahr. Diese Leute waren Witzbolde, und ich werde nicht versuchen, das zu maskieren. In anderer Hinsicht waren sie reichlich anständige Leute; ehrliche Leute; achtbar und liebenswert. Erfolgreich spielten sie einander Streiche und zogen die Bewunderung, den Beifall und auch den Neid der übrigen Gemeinschaft auf sich. Natürlich waren sie begierig, ihre Kniffe auch an Großwild auszuprobieren, und genau das war der Gouverneur für sie. Aber sie konnten keinen Erfolg für sich verbuchen. Sie unternahmen wiederholt Anstrengungen, doch der Gouverneur machte diese mühelos zunichte und fuhr fort, sein freundliches Lächeln zu lächeln, so als wäre nichts geschehen. Schließlich taten sich die obersten Witzbolde von Carson City und Virginia City zusammen, um herauszufinden, ob sie nicht mit vereintem Talent einen Sieg erringen könnten, denn allmählich gerieten die Witzbolde in eine höchst unangenehme Lage. Statt über das vorgesehene Opfer zu lachen, lachten die Leute über sie. Zu zehnt rotteten sie sich zusammen und luden den Gouverneur zu etwas ein, was damals einer ganz besonderen Aufmerksamkeit gleichkam – zu Champagner und eingelegten Austern, Luxusartikeln, die man in dieser Gegend nur sehr selten zu Gesicht bekam und die eher als Phantasmen denn als Tatsachen existierten.

Der Gouverneur nahm mich mit. Abschätzig sagte er:

»Das ist ein armseliger Versuch. Ich lasse mich nicht täuschen. Ihre Absicht ist es, mich unter den Tisch zu trinken und dort liegen zu lassen, und von ihrem Standpunkt aus wird es sehr lustig sein. Aber sie haben die Rechnung ohne mich gemacht. Ich bin mit Champagner vertraut und hege gegen ihn keinerlei Vorurteile.«

Das Schicksal des Streichs entschied sich erst um zwei Uhr morgens. Zu dieser Stunde war der Gouverneur gelassen, freundlich, sorgenfrei, zufrieden, glücklich – und nüchtern, obwohl er so abgefüllt war, dass er nicht lachen konnte, ohne Champagnertränen zu vergießen. In ebendieser Stunde gesellte sich der letzte, in höchster Vollkommenheit berauschte Witzbold zu seinen Kameraden unter den Tisch. Der Gouverneur äußerte:

»Hier sitzen wir auf dem Trockenen, Sam, gehen wir uns was zu trinken besorgen und dann ins Bett.«

Die offizielle Menagerie des Gouverneurs hatte sich aus den niedrigsten Rängen seiner heimischen Anhängerschaft zusammengesetzt – harmlosen, guten Kerlen, die ihn bei seinen Wahlkampagnen unterstützt hatten, und nun bezogen sie ihren Lohn in Form von schmalen Gehältern, die ihnen in nahezu wertlosen Dollar-Scheinen ausgezahlt wurden. Diesen Jungs fiel es schwer, mit ihren Einkünften auszukommen. Orions Gehalt betrug achtzehnhundert Dollar im Jahr, und damit konnte er nicht einmal sein Wörterbuch unterhalten. Doch die Irin, die im Mitarbeiterstab des Gouverneurs hierhergekommen war, berechnete der Menagerie nur zehn Dollar pro Kopf und Woche für Kost und Logis. Orion und ich gehörten zu ihren Kostgängern; und zu diesen günstigen Bedingungen hielt das Silber, das ich von zu Hause mitgebracht hatte, sehr lange vor.

Zunächst streifte ich auf der Suche nach Silber durchs Land, doch Ende 62 oder Anfang 63, als ich aus Aurora heraufkam, um ein Leben als Journalist beim Virginia City Enterprise zu beginnen, wurde ich unverzüglich nach Carson City geschickt, um über die Sitzungsperiode der Legislative zu berichten. Schon bald war Orion bei den Mitgliedern der gesetzgebenden Körperschaft ausgesprochen beliebt, denn sie stellten fest, dass sie, während sie normalerweise weder einander noch sonst jemandem trauten, ihm trauen konnten. In diesem Landstrich war er unstrittiger Träger des Ehrlichkeitsgürtels, doch in pekuniärer Hinsicht nützte ihm das herzlich wenig, denn dafür, Gesetzgeber umzustimmen oder einzuschüchtern, besaß er kein Talent. Ich hingegen befand mich in einer anderen Lage. Ich saß jeden Tag in der Legislative, um mit ausgewogener Gerechtigkeit Lob und Tadel zu verteilen und selbige jeden Morgen auf einer halben Seite des Enterprise auszubreiten, folglich war ich ein Mann von Einfluss. Ich brachte die Legislative dazu, ein kluges und absolut notwendiges Gesetz zu verabschieden, dem zufolge jedes Unternehmen, das im Territorium Geschäfte machte, seine Satzung vollständig, ohne auch nur ein Wort auszulassen, in ein Register eintragen lassen musste, das der Sekretär des Territoriums verwalten sollte – mein Bruder. Alle diese Satzungen waren in exakt demselben Wortlaut abgefasst. Für diese Dienstleistung durfte er Gebühren von vierzig Cent pro Blatt à hundert Wörter erheben; außerdem fünf Dollar für die Ausstellung einer Bescheinigung über den Eintrag und so weiter. Jeder hatte eine Konzession für eine Mautstraße, aber keine Mautstraße. Doch die Konzession musste eingetragen und bezahlt werden. Jeder war eine Minengesellschaft und musste sich eintragen lassen...

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