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Finanzaufsicht in Deutschland und Großbritannien

Die BaFin und die FSA im Spannungsfeld der Politik

AutorLotte Frach
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl149 Seiten
ISBN9783531908472
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis44,99 EUR
Großbritannien beschloss im Jahr 1997 seine Banken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsicht zusammenzulegen und schuf mit der 'Financial Services Authority' (FSA) eine neue Form der Finanzaufsicht. Seit 2002 wird nun auch der deutsche Finanzmarkt von einer Allfinanzaufsicht, der 'Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht' (BaFin), kontrolliert. Lotte Frach zeichnet die politische Entscheidung für die Aufsichtsreform nach und zeigt, wie sich die Behörde BaFin in Aufbau und Arbeitsweise von dem 'Aufsichtsunternehmen' FSA unterscheidet. Darüber hinaus gewährt die Autorin Einblick in die nationale Finanzmarktpolitik und analysiert die Beziehungen der BaFin und der FSA zu Finanzministerium, Zentralbank und Marktteilnehmern.


Lotte Frach ist Doktorandin in Politikwissenschaft an der Universität Trier und Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Finanzpolitik bei der Bundestagsabgeordneten und SPD-Finanzmarktexpertin Nina Hauer in Berlin.

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Leseprobe
1 Die künftige Organisation der nationalen Finanzmarktregulierung: Sektorale oder integrierte Aufsicht? (S. 17)

1 Die künftige Organisation der nationalen Finanzmarktregulierung

1.1 Konvergenz und Divergenz in der Finanzmarktpolitik


Politikwissenschaftler sind sich einig, dass die sogenannte „Globalisierung den Nationalstaat vor neue Herausforderungen stellt. Jedoch ist umstritten, ob die Internationalisierung vieler Wirtschaftszweige tatsächlich seine Handlungsfähigkeit unterminiert. Es stellt sich die Frage, wie Nationalstaaten auf diese Entwicklung angemessen reagieren können und ob noch immer eine politische Gestaltung ihrer Wirtschaftspolitik nach einzelstaatlichen Prämissen und Traditionen möglich ist. In der Literatur werden zwei Richtungen vertreten – Konvergenz und Divergenz.

Für die Konvergenz-Theoretiker stellt die Globalisierung eine Übermacht dar, die die Nationalstaaten dazu zwingt, ihre Regulierungsinhalte und Aufsichtsinstitutionen anzugleichen. Da die von der Globalisierung profitierenden privaten Akteure mobil seien, könnten sie ihren Sitz, ihre Produktion oder ihr Kapital in die Nationalstaaten verlegen, die im Vergleich zu anderen besonders günstige institutionelle und regulative Rahmenbedingungen bieten. Die internationalen privaten Akteure können so durch die Androhung ihrer Abwanderung (exit) ihre Verhandlungsposition gegenüber Staaten erheblich verstärken.

Hierdurch käme es nach Ansicht der Anhänger der Konvergenz-These unweigerlich zu weitreichenden Marktliberalisierungen und Deregulierungen in den Nationalstaaten, die sich in einem Regulierungswettbewerb befinden. Der Nationalstaat kann folglich nicht mehr selbstbestimmt zwischen verschiedenen Politikinhalten und Institutionsformen wählen. Damit ist nach Kenichi Ohmae der Nationalstaat zur „nostalgic fiction geworden.

Der Konvergenzdruck mündet in den pessimistischsten Szenarios in einen „regulatory race to the bottom, also einer kontinuierlichen Erodierung von regulativen Sicherheitsstandards. David Vogel hält es allerdings als Folge des Regulierungswettbewerbs auch für möglich, dass das Regulierungsniveau nach oben verschoben wird („California effect).

Auch können konvergente Entwicklungen durch multilaterale Institutionen, also durch Kooperation der vom Regulierungswettbewerb betroffenen Staaten, politisch gelenkt werden und unter bestimmten Umständen ein hohes – einheitliches - Regulierungsniveau gewährleisten.

Divergenz-Theoretiker gehen davon aus, dass der Globalisierungsprozess andere Auswirkungen für den Nationalstaat haben wird. Sie werfen dem Konvergenz- Ansatz vor, die Stabilität von charakteristischen nationalen Besonderheiten, wie das Rechtssystem, die Gesellschaftsstruktur, politische Entscheidungsfindung und Regulierungskultur zu unterschätzen („Pfadabhängigkeit).

Diese sind historisch gewachsen und bedingen sich oftmals gegenseitig (institutional complementarities). Hierdurch sind die Kosten für einen Strukturwandel bzw. für einen Pfadwechsel extrem hoch und lassen diesen unattraktiv erscheinen.

Vielmehr bestimmen Nationalstaaten durch aktive politische Gestaltung im Rahmen ihrer pfadabhängigen Institutionen die Entwicklung von globalisierten Märkten maßgeblich mit, ohne hierbei ihre divergenten Systeme aufzugeben. Der Finanzmarktsektor bietet sich zur empirischen Überprüfung der beiden gegenläufigen Standpunkte besonders an, da er der am weitesten globalisierte Wirtschaftssektor ist.

Zudem bestehen aufgrund der systemischen Risiken des Finanzmarktes, die gefährliche Auswirkungen für die gesamte nationale Wirtschaft haben können, in den Nationalstaaten historisch gewachsene nationale Aufsichtsinstitutionen. Eine eventuelle Konvergenz oder Divergenz der nationalen Finanzaufsichten aufgrund des Globalisierungsprozesses des Sektors seit Zusammenbruch des Bretton Woods Systems 1973 wäre sehr aussagekräftig. Als aktuelle Studien zur Konvergenz bzw. Divergenz in der Finanzmarktregulierung sind insbesondere die Arbeiten von Susanne Lütz und Andreas Busch zu nennen.

Lütz untersuchte die Entwicklung der Banken- und Kapitalmarktregulierung in den USA, Großbritannien und Deutschland insbesondere bis zum Jahr 2001. Busch forschte zur Bankenregulierung in den selben Nationalstaaten und der Schweiz für den Zeitraum 1974 bis 1999.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Danksagung6
Vorwort7
Inhalt9
Einleitung13
1 Die künftige Organisation der nationalen Finanzmarktregulierung: Sektorale oder integrierte Aufsicht?17
1.1 Konvergenz und Divergenz in der Finanzmarktpolitik17
1.2 Die politische Gestaltung der Finanzaufsicht21
1.3 Organisationsformen der administrativen Finanzaufsicht26
1.4 Vergleichsschema für Allfinanzaufsichten33
2 Das „Aufsichtsunternehmen“ FSA: Resultat umfassender Reformen am Finanzplatz London37
2.1 Charakteristika und historische Entwicklung der Londoner City37
2.2 Die formale Organisation des britischen Regulierungsregimes43
2.3 Institutionelle Gestaltung der britischen Finanzaufsicht FSA46
3 Die Behörde BaFin: Modifiziertes Modell einer Allfinanzaufsicht59
3.1 Charakteristika und historische Entwicklung des „Finanzplatzes Deutschland“59
3.2 Die formale Organisation des deutschen Regulierungsregimes64
3.3 Institutionelle Gestaltung der deutschen Finanzaufsicht BaFin74
4 Vergleich der institutionellen Gestaltung der BaFin und der FSA aus Sicht der Praktiker89
4.1 Die Aufsichtskompetenzen im Vergleich89
4.2 Unternehmens- bzw. Behördenkultur90
4.3 Auswirkungen der internen Struktur und der Arbeitsabläufe92
4.4 Accountability: Die Gremien im Regulierungsalltag95
4.5 Haushaltsplanung und Suche nach qualifizierten Mitarbeitern97
Zwischenfazit in tabellarischer Darstellung101
5 Die BaFin und die FSA im Machtgeflecht der staatlichen Akteure105
5.1 Interaktion mit der Zentralbank105
5.2 Interaktion mit dem Finanzministerium113
6 Der Regulierer und die Regulierten: Interaktion der BaFin und der FSA mit den Marktteilnehmern125
6.1 Die Aufsichtspraxis der BaFin im Wertpapier- und Bankensektor125
6.2 Die Aufsichtspraxis der FSA130
6.3 Vergleich133
7 Fazit: Die BaFin und die FSA im Vergleich. Bestätigung der Konvergenzthese?137
Literatur145
Zitierte Zeitungen und Zeitschriften158
Interviewübersicht159

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