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Roddenberrys Idee

Die Star Trek-Originalserie im Wandel der Zeit. Kritischer Episodenführer

AutorJan Schliecker
VerlagSchüren Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl480 Seiten
ISBN9783894728045
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Vor bald 50 Jahren startete das Raumschiff Enterprise ins Unbekannte. Was Captain Kirk, Mr. Spock und der Bordarzt McCoy mit ihren Kollegen erlebten, waren oft Anspielungen der Autoren auf gesellschaftliche Probleme, die sie bewegten. 'Ich stellte mir vor, mit Science Fiction dasselbe tun zu können wie Jonathan Swift mit Gullivers Reisen. Zu seiner Zeit konnte man wegen religiöser oder politischer Bemerkungen unters Beil kommen. Ich arbeitete für ein Medium - Fernsehen -, das starker Zensur unterliegt, und konnte in einer zeitgenössischen Sendung nicht über Sex, Politik, Religion und all die anderen Dinge sprechen, die mir vorschwebten. Ich sah aber eine Möglichkeit, wie Swift an den Zensoren vorbeizukommen, wenn die Probleme Leute mit gepunkteter Haut auf weit entfernten Planeten betrafen. So haben wir's dann auch gemacht.' - Gene Roddenberry Die 79 STAR TREK-Episoden wurden von 1966 bis 1969 produziert. Ihr nachträglicher Erfolg sorgte für Überlegungen zu einer Fortsetzung, die nach zehn Jahren die Form einer Filmreihe annahm. Jan Schliecker kommentiert alle Produktionen und beschreibt auf Grundlage umfangreicher Recherchen ihre Entstehung von der Idee zum Endprodukt. Die niemals einfachen Rahmenbedingungen werden bis zu den neuesten Filmen dargestellt. Wie selten zuvor wird nachvollziehbar, wovon Qualität abhängt und was für Chancen das Fernsehen bietet, zum Nachdenken anzuregen.

Jan Schliecker (*1976) hat Soziologie und Wirtschaft studiert und lebt in Köln.

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Leseprobe

DIE GEBURT VON STAR TREK


Gene Roddenberry, Fernsehautor


Ende 1963 debütierte im amerikanischen Fernsehen THE LIEUTENANT, eine Serie um einen jungen Offizier, der in Friedenszeiten im Marine Corps diente und jede Woche neuen Herausforderungen gegenüberstand, zu deren einfacher Bewältigung ihm noch die Erfahrung fehlte. So fand er sich erstmals in der Situation einen unfairen Boss zu haben oder unbeliebte Ansichten vertreten zu müssen. Schöpfer und Produzent war der 42-jährige Gene Roddenberry, dessen oft unkonventionelle Arbeiten eine philosophische Note aufwiesen. Als die Serie eingestellt wurde, gab es wenig Anlass zu glauben, dass gerade er als nächstes eine der erfolgreichsten und einflussreichsten Fernsehsendungen überhaupt ins Leben rufen würde.1

Er kam als Eugene Roddenberry 1921 in El Paso, Texas, zur Welt, von wo aus die Familie bald nach Los Angeles zog, wo der Vater als Polizist Arbeit fand. Zum Baptisten getauft, war Roddenberry das älteste Kind von dreien und eher kränklich veranlagt – seine von Allergien und Asthma gezeichnete Entwicklung bereitete den Eltern Sorgen, auch weil er durch seine schlaksige Gestalt als Sonderling galt. Eingeschult wurde er erst mit acht. Er entwickelte die Neigung, in der Fantasie Zuflucht zu suchen, und interessierte sich früh für Literatur, darunter Science Fiction. Ein Klassenkamerad hatte ihm mit elf Jahren ein SF-Heft ausgeliehen, während das Genre in der frühen Pulp-Ära eine fruchtbare Gründerzeit erlebte. Radio-Hörspiele wie THE SHADOW, mit denen er aufwuchs, führte so mancher Autor seiner Generation im Rückblick als wichtige Anregung und als frühe Schule der Erzählkunst an.

Seine Gesundheit verbesserte sich in der Teenagerzeit erheblich, sodass er sich zu einem imposant großen und kräftigen Mann entwickelte. Er sagte der Religion ab und heiratete mit 20. Am College studierte er nach einem für Polizeiarbeit ausgelegten Lehrplan, der besonders juristische Themen umfasste, und nutzte die Möglichkeit, eine kostenlose Pilotenausbildung zu absolvieren, den die Luftwaffe organisierte. Indessen hielt er sich mit Jobs als Zeitungsverkäufer und Postbote über Wasser. Um nicht eingezogen zu werden, trat er 1941 in die Luftwaffe ein. Als B-17-Bomberpilot im Südpazifik flog er fast hundert Aufklärungs- und Kampfeinsätze und wurde 1944 in der Heimat zum Captain befördert. Auf den Salomon-Inseln stationiert, hatte er auch Zeit, kleinere Geschichten und Artikel für Flugzeitschriften sowie Lyrik zu verfassen. Er galt weiterhin als literarisch interessiert und hatte in der High School am Schreibworkshop teilgenommen. Nach dem Krieg flog er von New York aus internationale Linienflüge für Pan Am, nahm an weiteren Schreibkursen teil und besuchte Literaturvorlesungen an der Columbia University. Im Juni 1947 stürzte eine brennende Maschine, in der er mitflog, nachts in der syrischen Wüste ab. 15 Personen starben, darunter sieben Mitglieder der Crew. Am Boden bekam Roddenberry als ranghöchster Überlebender trotz gebrochener Rippen die Lage in den Griff und erhielt dafür eine Auszeichnung.

Mit dem Wunsch, statt als «internationaler Busfahrer» als Drehbuchautor für das langsam aufkommende Fernsehen zu arbeiten, zog er 1948 zurück nach Los Angeles, das New York einige Jahre später als Zentrum der Fernsehproduktion ablöste. Da es aber noch nicht so weit war, drängte ihn ein Freund, zunächst wie sein Vater und sein Bruder der Polizei beizutreten und Erfahrungen zu sammeln. In den 40er und 50er Jahren wurden viele der Grundlagen moderner Polizeiarbeit gelegt. Das LAPD2 stand lange durch Korruptionsskandale in Verruf und musste versuchen, der zunehmend organisierten Kriminalität in der rasant wachsenden Stadt endlich Herr zu werden. Nachdem Roddenberry ab 1949 erst Verkehr regeln musste und in diversen Abteilungen assistierte, konnte er sich vor allem als Experte für Drogen und Gangs und in der Öffentlichkeitsarbeit hervortun. Dazu gehörte es etwa, an Colleges in die Geschichte öffentlicher Ordnung einzuführen. Als Polizeichef William H. Parker ein Artikel von ihm gefiel, ließ er ihn viele seiner Reden und Aufsätze entwerfen, denen Diskussionen über die Möglichkeiten und Ziele der Polizeiarbeit vorausgingen. 1955 ernannte Parker ihn zu seinem Forschungsleiter.

Vieles schien ihm darauf hinzudeuten, dass er selbst einmal Polizeichef werden könne. Er stach seine Kollegen bei einem Eignungstest für höhere Positionen aus, beschloss aber an seinem ursprünglichen Ziel festzuhalten. Schon ab 1950 machte er sich zunutze, dass das Fernsehen nach wahren Geschichten für Polizei- und Anwaltsserien suchte. Ab 1953 dann fungierte er nebenher als technischer Berater für die Serie DRAGNET, die anhand realer Fälle Einblick in die Polzeiarbeit gab.3 Nebenjobs waren unter Polizisten aufgrund eher bescheidener Gehälter keine Seltenheit. Einmal, während er Dreharbeiten zu MR. DISTRICT ATTORNEY beiwohnte, bemerkte er zum Redakteur, er könne ebenso gute Drehbücher auch direkt selbst schreiben. Das war freilich leicht gesagt; seine ersten Versuche wurden abgelehnt. Doch das Stolpern über die eigenen Fehler und das Studieren von Sendungen, mal mit weggeschaltetem Ton, mal mit abgedecktem Bild, brachte ihn ans Ziel. Außerdem hatte er Kontakte mit anderen Autoren geknüpft und gepflegt, die ihm Tipps gaben, und an einem abendlichen Drehbuchkurs bei Universal teilgenommen. Sein erster Beitrag wurde 1954 ausgestrahlt, nachdem er zum Sergeant befördert worden war und als Vorbeugung gegen Einwände der Kollegen das Autorenpseudonym Robert Wesley verwendete. Zwei Jahre später verdiente er durchs Schreiben besser als bei der Polizei und kündigte, um beim Fernsehen ernst zu machen. Erleichtert wurde ihm das durch eine Garantie seiner Vorgesetzten, ihn an alter Stelle wieder einzustellen, sollte er es sich innerhalb von drei Jahren anders überlegen. Insgesamt hatte er sechs Jahre bei der Polizei verbracht.

DRAGNET

Als freier Autor, der verschiedene Serien – damals alle halbstündig – belieferte, punktete er durch Zuverlässigkeit und Qualität, was dazu führte, dass Ziv Productions ihn als Stabautor für WEST POINT unter Vertrag nahm, eine Serie über einen Militärstützpunkt. Danach wurde er einer der Stammautoren von HAVE GUN, WILL TRAVEL (1957–1963). Diese von Sam Rolfe geleitete Westernserie, ein Publikumserfolg, handelte von einem mit Waffe und Wort gleichermaßen geschickten Gentleman namens Paladin, der um die Jahrhundertwende von San Francisco aus für Geld die Probleme anderer Leute löste, soweit ihm die Aufträge moralisch einwandfrei erschienen. Für einen frühen Beitrag (Helen of Abidijan) erkannte die Autorengilde Roddenberry den Preis für das beste Fernsehskript des Jahres in der Westernkategorie zu. Rolfe wollte ihn nach ein paar Jahren sogar als Redakteur einstellen, bis er eingestehen musste, dass der Philosoph Erodius der Zweite, den Paladin oft bei ihm zitierte, er selbst war (E=Eugene, Rod=Roddenberry). Zuschauer begannen zu fragen, wo man dessen Werke finden könne.

Mit der Umsetzung seiner Bücher war Roddenberry nicht immer zufrieden, wenn nicht sogar, wie bei HIGHWAY PATROL, die Bücher umgeschrieben wurden. Außerdem wollte er gern eine eigene Serie erschaffen und zu diesem Zwecke entsprechende Pilotfilme selbst produzieren. Er begann also, den Studios und Sendern neue Serien vorzuschlagen. Als ihn ein Kollege, der vor ihm damit Erfolg hatte, bat, nach seinem Konzept den Piloten THE NIGHT STICK (1959) zu schreiben, über einen Polizisten auf Streife im Greenwich Village, und anschließend in San Francisco zu realisieren, fungierte er erstmals als ein Writer/Producer, also ein Autor, der sich auch um die Umsetzung kümmerte. 1960 erschuf er die neunwöchige Westernserie THE WRANGLER, die als Experiment auf Video gefilmt wurde und einen Cowboy ohne Pistole zeigte. Zwei Jahre lang entwickelte er dann Serienideen und Pilotfilme für Bill Dozier. Da jedoch generell nur sehr wenige Pilotfilme zu Serien führten, dauerte es bis 1963, das Jahr der Absetzung von HAVE GUN, WILL TRAVEL, dass er mit THE LIEUTENANT, mit Gary Lockwood und Robert Vaughn, zu den Gewinnern gehörte, während er bei Arena Productions, einer Produktionsfirma von MGM, unter Vertrag stand. Obwohl er als Autor größere Nachfrage genoss denn je, brach eine neue Zeit an.

THE LIEUTENANT wurde mit einer Auszeichnung des Film Council of America gewürdigt, lief aber gegen starke Konkurrenz nur mit mäßigem Erfolg und konnte durch den Beginn des Vietnamkrieges kaum mehr glaubhaft aufrecht erhalten werden. Nach wenigen Monaten war allen klar, dass der Sender es einstellen würde. MGM bat folglich im Januar 1964 um neue Serienkonzepte.4

Gene Roddenberry, 1966

Das Format


Eigentlich war GR5 schon nicht mehr darauf versessen, weiter für das Fernsehen zu arbeiten; am liebsten wollte er Filmprojekte entwickeln oder ein Buch schreiben. Die Arbeitsbedingungen von Produzenten waren ihm während THE LIEUTENANT...

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