2. Aufbau von Ressourcen
Ressourcen
oder:
Was kann ich eigentlich gut?
Das Thema Ressourcen ist grundsätzlich für alle Kinder wichtig. Lob, Anerkennung und das Wissen, dass einem etwas gelingt, dass man selber etwas Positives bewirken kann, stärken den Selbstwert und vor allem das Selbstwirksamkeitserleben. Hierauf soll in dieser Einheit der Fokus gelegt werden. Schwächen der Kinder oder Verbesserungsvorschläge (wie man sich anders verhalten kann) sind an dieser Stelle nicht mit einzubeziehen. Der Fokus liegt auf dem, was das einzelne Kind schon kann.
Um den Kindern ihre eigenen Ressourcen nahezubringen, bietet sich entweder eine praktische Aufgabe für die Kinder an, an der sie konkret erleben können, was ihnen leicht fällt und was sie gut können, oder eine Eigenreflektion über vorhandene Ressourcen. Über das aktive Erleben bzw. aktive Aufzählen bleiben gefundene Ressourcen besser erinnerlich und es gelingt den Kindern im Alltag besser, ihre Stärken und positiven Eigenschaften einzusetzen. Entstehen problematische Situationen zu Hause, in der Schule oder in der Peergroup, kann dann bewusster auf die eigenen Ressourcen zurückgegriffen werden. Hier ist der Transfer in den Alltag natürlich entscheidend, so dass es beim Abholen der Kinder Sinn macht, die Eltern darauf hinzuweisen, dass sie mit den Kindern nochmals die Ressourcen durchgehen und ggf. auch noch gemeinsam welche ergänzen.
2.1 Hallo erstmal!
Mein rechter, rechter Platz ist frei …
Die Kinder sitzen im Stuhlkreis und es ist ein Stuhl mehr als Kinder da. Das Kind, an dessen rechter Seite der Stuhl leer ist, beginnt, indem es sagt: „Mein rechter, rechter Platz ist frei, da wünsch ich mir den … herbei?“ Das genannte Kind fragt zurück: „Als was soll ich kommen?“, woraufhin das erste Kind z. B. ein Tier oder einen Beruf benennt. Das zweite Kind bewegt sich nun von seinem Stuhl auf den freien Stuhl, indem es das Tier oder den Beruf pantomimisch darstellt. Wieder ist ein rechter Stuhl frei, und das nächste Kind ist an der Reihe …
2.2 Esmeralda – ich erzähle Dir!
Esmeralda wird in die Mitte gesetzt.
Ampelkarten
Jedes Kind bekommt eine rote, eine gelbe und eine grüne Karte. Die Karten symbolisieren die jeweilige Befindlichkeit: grün = positiv/gut, gelb = neutral/mittelmäßig und rot = negativ/schlecht. Der Gruppenleiter hat zwei bis drei passende Fragen vorbereitet, die den Kindern gestellt werden, und auf diese Fragen antworten die Kinder mit dem Hochheben einer Karte.
Beispielfragen:
→Wie geht es Dir heute?
→Wie fühlst Du Dich hier im Moment?
→Wie war Deine letzte Woche?
→Wie war Dein Gefühl in der letzten Woche?
2.3 Was Esmeralda wohl erlebt hat?
Heute hat Esmeralda in der Schule Basteln und Werken. Diesen Unterricht mag sie total gerne. Sie freut sich jede Woche auf die zwei Stunden. Entweder man kann mit Hammer und Säge praktische Dinge zusammenbauen, so etwas wie ein Vogelhaus zum Beispiel, oder mit Farbe Kreise auf ein Blatt malen und gleichzeitig in den Himmel schauen oder … ach, es gibt tausend Möglichkeiten dort. In den letzten Wochen sollten sie ein buntes Bild aus vielen Farben und großen und kleinen Formen mit Wasserfarben malen. Nun sind nur noch ein ganz paar kleine weiße Flecken übrig, die sie heute noch ausfüllen muss, dann ist es fertig.
Esmeralda zeichnet Kringel in die Luft, während sie ihre Frühstücksschale zur Spüle bringt, als ein markerschütternder Schrei sie aus ihren Träumen reißt. Digbo, ihr kleiner Bruder. Was ist passiert? Ist er verletzt? Warum schreit er? Hat jemand schon die Feuerwehr gerufen? Polizei? Rettungshubschrauber? Ufo?!
Verwirrt blickt Esmeralda sich um … eigentlich sieht er ganz heil aus … „Was ist denn los?“, fragt sie. „Du hast einen roten Punkt auf mein T-Shirt gemacht! So kann ich nicht in den Kindergarten gehen! GAAAR NICHT!“ Es stimmte. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass sie eine Ketchup-Tube in die Hand genommen hatte, als sie in Gedanken zeichnete. Mist. „Ist doch gar nicht so schlimm, den sieht fast keiner“, versucht Esmeralda ihn zu beruhigen. Aber Digbo schreit nur noch lauter: „Wohl, ist das schlimm!! So gehe ich nirgendwo hin“. Esmeralda weiß aus Erfahrung, dass Digbo sich keinen Millimeter bewegen wird, wenn er nicht ein neues T-Shirt anbekommt.
Oh man, dabei ist es schon so spät. Esmeralda läuft zu Digbos Schrank, aber da ist kein sauberes T-Shirt mehr drinnen, Mama kann auch nicht helfen, sie schläft, wie in letzter Zeit so oft, immer noch, und Papa ist schon bei der Arbeit. Mist, Mist, Mist! Eigentlich wollte Esmeralda gestern Abend noch die Wäsche aufhängen, hatte es aber vergessen. Zu spät. Ein Versuch, den Fleck rauszurubbeln, endet in einer roten großen Fläche über Digbos Bauch und noch mehr Gebrüll. Ein rettender Gedanke schießt Esmeralda durch den Kopf. Sie hat doch noch irgendwo alte zu kleine T-Shirts. Sie sucht hektisch welche heraus. „Schau mal Digbo, ich schenk Dir ein neues T-Shirt, Du darfst aussuchen“, sagt Esmeralda und hält die drei gefundenen T-Shirts in orange, rot und gelb zur Auswahl hoch. Das Geheul wird endlich leiser und Digbo schnieft: „Wirklich? Dann will ich ein roter Feuerwehrmann sein.“ Er schält sich aus dem Fleckenshirt und zieht das andere an. Es sieht noch etwas weit und schlabbrig aus, aber Digbo ist zufrieden. „Bin ich jetzt ein Feuerwehrmann?“ „Ja, klar“ meint Esmeralda und rubbelt ihm über den Kopf.
In dem Moment fällt Esmeraldas Blick auf die Küchenuhr, zehn vor acht. „Oh, nein! Komm Digbo, wir müssen rennen, sonst kommen wir zu spät!“ Sie schnappt sich Digbos Kindergartentasche und startet mit Digbo einen Wettlauf zum Kindergarten. Wie immer wird Esmeralda auf den letzten Metern ein wenig langsamer und lässt Digbo gewinnen. Er läuft geradewegs zu seinen Freunden und zeigt sein neues T-Shirt, während Esmeralda wieder Tempo aufnimmt und zur Schule rast. Sie hört es schon von weitem läuten. Zu spät. Sie wird zu spät kommen. Und das auch noch bei Mathe. Die Hausaufgaben hatte sie gestern nicht verstanden und jetzt hat sie diese bestimmt falsch. Aber vielleicht kommt ihr Lehrer ja heute auch verspätet? Ein paar Minuten würden reichen … Aber Lehrer Pfaffenspitz ist schon da und runzelt die Stirn: „Wieder einmal verschlafen Esmeralda? Das häuft sich aber in letzter Zeit. Dir ist die Schule wohl gar nicht wichtig. Ich werde mit Deinen Eltern sprechen müssen.“ Na toll. Als ihr dann auch noch in Kunst das Wasserglas über das gemalte Bild fällt und nur noch eine lila-schwarze Matsche übrig bleibt … könnte Esmeralda verzweifeln. Was für ein bescheuerter Tag!
Was soll ich denn jetzt machen? seufzt Esmeralda auf dem Nachhauseweg.
„Auf jeden Fall nicht so ein Gesicht, das steht Dir nämlich nicht.“
„Oh Pipo, auch wenn ich Dich schon wieder nicht sehe, schön dass Du da bist.“ „Ich klettere gerade deinen Schwanz hoch“, schnauft Pipo, „ganz schön lang das Teil.“
Nun doch lachend dreht Esmeralda sich um sich selbst, im Versuch, Pipo zu entdecken.
„He, he, he, nicht so sehr schlenkern, da falle ich doch wieder runter …“ Esmeralda steht sofort still. Oh nein! Das hätte sie sich doch denken können. Eine Weile hört sie gar nichts, obwohl sie lauscht und lauscht. Ob Pipo schon oben ist? Oder ist er wieder gegangen? Heruntergefallen? Ist sie auf ihn draufgetreten? Er ist ja doch ziemlich klein? Vorsichtig bewegt sie einen Zeh, als sie plötzlich Pipos Stimme – direkt neben, nein in! ihrem Ohr – lautstark sagen hört: „Sag mal, redest Du auch noch mit mir? Ich sitze hier nun schon STUNDEN in Deiner Ohrmuschel und Du sagst keinen Ton.“ Esmeralda macht vor Schreck einen Satz, und stößt sich den Kopf am nächsten Ast … „Aua, sag mal, hättest Du mich nicht warnen können? Das ist laut!“, beschwert sie sich.
„Du hast ja nicht gefragt“, antwortet Pipo beleidigt.
„Schon gut, schon gut“, beschwichtigt Esmeralda, „ich glaube, heute ist einfach ein blöder Tag.“
Wie – noch einer von den Nichts-ist-so-wie-sonst-Tagen?
„Ja, nein, eigentlich schon, aber irgendwie auch nicht.“
„Hä? Verstehe ich nicht, das musst Du genauer erklären.“
Und Esmeralda beginnt zu erzählen, von dem Klecks, dem Wettlauf, dem Zuspätkommen, den fehlenden richtigen Hausaufgaben und dem Bild … „und nun traue ich mich gar nicht, mit einem neuen Bild anzufangen. Ich müsste Papa bitten, mir noch Wasserfarben zu besorgen, und wissen, was ich malen will, und Digbo müsste versorgt sein, und … das geht doch alles schief!“ schließt Esmeralda, während sie sich auf die Schaukel in ihrem Garten setzt.
Pipo ist bei Esmeraldas Erklärung ganz still geworden, aus ihrem Ohr gekrabbelt und sitzt nun auf seinem Lieblingsplatz, ihrem Rüssel, genau so weit von ihren Augen entfernt, dass sie ihn gut ohne zu schielen sehen kann. Er hat den Kopf leicht schief gelegt und sieht sie nachdenklich an.
„Sag mal Esmeralda, weißt Du eigentlich, was Ressourcen sind?“
„Ressa-was? Oh man, Pipo, verwirr´ mich nicht noch mehr. Heute kann ich echt nicht mehr gut denken“, mault Esmeralda, aber Pipo bleibt ganz ernst: „Ich will Dich nicht verwirren, Esmeralda. Aber das ist genau das, worum es geht. Du hast mir jetzt alles erzählt, was schief gegangen ist, und alles, was du NICHT kannst. In Deiner Geschichte sind aber auch...