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Die Bildungsexpansion

Erwartete und unerwartete Folgen

VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl349 Seiten
ISBN9783531903255
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Die Bildungsexpansion ist eine der prägenden Entwicklungen der Moderne. Aber welche Folgen ergeben sich daraus? Der prominent besetzte Band mit ausgewiesenen Experten der Thematik analysiert die Folgen, zeigt überblicksartig zentrale Themenfelder auf und diskutiert den neuesten Forschungsstand.

PD Dr. Andreas Hadjar ist Oberassistent an der Abteilung Bildungssoziologie der Universität Bern (Schweiz).
Prof. Dr. Rolf Becker ist Professor und Direktor der Abteilung Bildungssoziologie der Universität Bern (Schweiz).

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Leseprobe
Bildungsexpansion und Wandel von sozialen Werten Andreas Hadjar (S. 205-206)

1. Einleitung

Der Wandel der Werte ist ein sozialer Prozess, der von den bisherigen Untersuchungen zu den Folgen der Bildungsexpansion eher stiefmütterlich behandelt wurde. Während soziale Ungleichheit, soziale Mobilität und der Arbeitsmarkt zu den wichtigen Gegenständen der Bildungssoziologie gehören, ist der kulturelle Wandel zu den „blinde[n] Flecken der Forschung" (Müller 1998: 100) zu zählen. Werte sind jedoch wichtige kulturelle Elemente der Gesellschaft, die als sinnkonstituierende Leitlinien das gesellschaftliche Zusammenleben ordnen. Im Kern dieses Kapitels steht der von Inglehart (1977, 1989, 1998) postulierte und empirisch explorierte Wertewandel: die Verschiebung des gesellschaftlichen Wertekosmos weg von materialistischen Werten hin zu postmaterialistischen Werten.

Während Inglehart als Ursachen vor allem die ökonomischen Sozialisationsbedingungen (Wohlstandsniveau) der Kohorten als Träger des Wertewandels fokussiert, sollen im Rahmen der folgenden Analysen die sozialen Mechanismen der Bildung und der Bildungsexpansion betrachtet werden. Die Abhängigkeit der sozialen Werte von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bzw. sozialstrukturellen Merkmalen, die sich aus den klassischen Theoriegebäuden von Marx (1974 1857 ) oder Weber (1972 1921 ) ableiten lässt, führt zu der Annahme, dass parallel zu sozialstrukturellem Wandel – d.h. Wandel der „Basis" der Gesellschaft – auch ein Wandel von Werten – als Elementen des gesellschaftlichen „Überbaus" – stattfindet.

Die Bildungsexpansion, in deren Verlauf sich die Sozialstruktur dahingehend verändert hat, dass ein größerer Anteil an Individuen über ein Abitur verfügt, qualifizierte Berufsabschlüsse zugenommen haben und auch der Anteil der Absolventen mit tertiärer Bildung gestiegen ist, sollte ebenfalls die Wertstruktur der Bevölkerung verändert haben. Diese These basiert auf der Annahme eines Zusammenhangs zwischen Bildung und Werten, der sich einerseits aus der mit höherer Bildung verbundenen kognitiven Mobilisierung, andererseits aus den mit höherer Bildung einhergehenden spezifischen sozialen Erfahrungen (z.B. der sozio-ökonomischen Lage) ergibt.

Die Analyse von Werten und des Wandels von Werten ist allerdings nur sinnvoll unter Berücksichtigung folgender Forschungsprämissen, denen in diesem Kapitel gefolgt werden soll: 1) Eine Untersuchung des Wandels bestimmter Werte ist nur vor dem Hintergrund des Inhalts dieser Werte sowie der Verknüpfung der Werte mit bestimmten sozialstrukturellen gesellschaftlichen Phänomenen möglich. 2) Daraus folgt die Fokussierung der Analysen auf bestimmte soziale Mechanismen, die hinter diesen Wandlungsprozessen stehen. 3) Um den Wandel empirisch adäquat zu erfassen, sind Alters-, Perioden- und Kohorteneffekte simultan zu analysieren.

Zu fragen ist, inwieweit die Veränderungen der Werte durch Kohortendifferenzierung – dies entspricht Inglehart (1977), der Kohorten als Träger des Wandels thematisiert – oder vorübergehende Periodeneffekte zustande kommen, oder ob diese Veränderungen Produkt persönlicher Entwicklung im Lebensverlauf sind. Ansonsten ist von einer erhöhten Gefahr ökologischer Fehlschlüsse auszugehen, da zum Beispiel nicht zu unterscheiden ist, ob genuine Kohortenunterschiede bestehen oder ob diese nur auf Altersunterschiede bzw. unterschiedliche Stellungen im Lebenszyklus zurückgehen.

Ziel dieses Kapitels ist letztlich die Suche nach Antworten auf die Frage, inwieweit die Bildungsexpansion zu einem Wandel von Werten – speziell zur Verschiebung vom Materialismus zum Postmaterialismus nach Inglehart – geführt hat. Dazu wird zunächst die Beziehung zwischen Bildung – in ihren verschiedenen Aspekten – und Werten exploriert, um dann theoretische Postulate und empirische Befunde zu Wertewandelsprozessen zu beleuchten. In einem letzten Schritt werden eigene empirische Analysen zum Wandel von Werten unter simultaner Berücksichtigung von Bildungs-, Kohorten-, Perioden- und Lebenszykluseffekten unter Nutzung von ALLBUS-Daten vorgestellt.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung6
Inhalt7
Einleitung9
Bildungsexpansion – erwartete und unerwartete Folgen10
Teil 1 Bildungsungleichheit und Höherbildung24
Dauerhafte Bildungsungleichheiten als unerwartete Folge der Bildungsexpansion?25
Bildungsexpansion und kognitive Mobilisierung60
Teil 2 Berufsstruktur und Arbeitsmarkt87
Bildungsexpansion und berufsstruktureller Wandel88
Bildungsexpansion und Frauenerwerbstätigkeit117
Veränderung der Einkommensverteilung infolge von Höherqualifikationen150
Teil 3 Politik, Kultur und Lebensführung170
Politisches Interesse und politische Partizipation171
Bildungsexpansion und Wandel von sozialen Werten197
Die Abnahme von Fremdenfeindlichkeit – ein Effekt der Bildungsexpansion?223
Bildung und Lebensstile – Ein Fließgleichgewicht auf Modernisierungskurs242
Die Veränderung des Heirats- und Fertilitätsverhaltens im Zuge der Bildungsexpansion268
Bildungsexpansion und Lebenserwartung301
Schluss322
Hat die Bildungsexpansion die Entwicklung zu einer Bildungsgesellschaft angestoßen?323
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren346

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