Josef Stefan ein Pionier der Wiener Physik
Ass.-Prof. Mag. Dr. Franz Sachslehner
Fakultät für Physik
UniversitätWien
Sich der historischen Wurzeln bewusst zu sein ist wichtig. Das hervor streichen, hat man auch an der heutigen Fakultät für Physik der Universität Wien erkannt. Tagtäglich begegnet man hier dem Namen Josef Stefan, denn seit einigen Jahren wurde ein Hörsaal nach diesem wichtigen Pionier der Physik benannt. Eine Tafel beim Hörsaaleingang zeigt sogar ein Foto und eine kurze Zusammenfassung über Josef Stefans wissenschaftliches Werk. Fragt man Studierende jüngeren Semesters über eine besondere Leistung Josef Stefans, kann es dennoch passieren, dass man erst nach einigem Nachdenken das „T hoch 4 Gesetz" zur Antwort erhält. Dabei ist dieses Gesetz geradezu ein Paradefall für die massive Auswirkung von potenzierten Größen in physikalischen Formeln. Im Jahr 1879 publizierte Stefan sein berühmtes Strahlungsgesetz, nachdem er sehr kritisch die experimentellen Daten anderer Physiker durchgesehen hatte. Sein ältester Schüler, Ludwig Boltzmann, leitete es fünf Jahre später theoretisch ab und zeigte, dass es streng genommen nur für einen ideal schwarzen Körper gilt. Da die Sonne in guter Näherung ein solcher ist, konnte Stefan als erster Mensch die Oberflächentemperatur der Sonne richtig berechnen. Sein Wert von ca. 5600 K hat auch heute noch Gültigkeit.
Besonderes Highlight an der Fakultät für Physik sind die sogenannten Originalapparate von Josef Stefan. Auch wenn diese früher im hintersten Winkel eines alten Kastens gelegen sind, so haben sie die Inventarverantwortlichen wie ihren Augapfel gehütet. Denn von keinem anderen Physiker des 19. Jahrhunderts an der Universität Wien können wir -wie im Falle von Josef Stefan -behaupten, dass wir noch dessen Apparate haben, die eindeutig er entworfen und bedient hätte. Mittlerweile kann man Stefans Originalapparate in neuen beleuchteten Vitrinen bestaunen: allen voran, das berühmte Diathermometer, womit erstmals erstaunlich genau die Messung der Wärmeleitfähigkeit der Luft, von Wasserstoff und anderen Gasen gelang; weiter den Wärmeleitfähigkeitsapparat mit der Kupferkugel, eine Vorstufe zum Diathermometer; weiter zwei Diffusionsapparate mit Glasröhren zur Messung der Diffusion in zwei übereinandergeschichteten Flüssigkeiten und zuletzt noch den Fallapparat.
Die Bedeutung Josef Stefans ist aber noch viel tiefgreifender. Sein Wirken fällt in eine Zeit, wo sich vor allem die kinetische Gastheorie, die Thermodynamik und der Elektromagnetismus stark entwickelten. Als hervorragender Mathematiker und theoretischer Physiker, genauso wie als sorgfältiger Experimentalphysiker griff Josef Stefan in diese und andere Gebiete der Physik ein. Er begann in seiner ersten Arbeit mit allgemeinen Gleichungen für die oszillierende Bewegung. Sodann wandte er sich vielfältigen Gebieten zu. Die Arbeiten über die Absorption der Gase gipfeln in der Berechnung der C02-Konzentration inder ausgeatmeten Luft. In der Hydrodynamik untersucht er die Verteilung des Wasserdrucks in Rohren und generell die Theorie der Bewegung von Flüssigkeiten unter Berücksichtigung der inneren Reibung. Für seine Versuche mit schwingenden Stäben und Saiten stellt er geeignete Differentialgleichungen auf. Er entwickelte eine Methode, die Schallgeschwindigkeit in Wachs, Kork, Kreide, Siegellack und Kautschuk zu messen und abzuschätzen. Weiters experimentierte er mit der Interferenz von Schallwellen in verschiedenen Gasen. Er nutzte dazu auch die Kundt'schen Staubfiguren und verbesserte das Quincke'sche Interferenzrohr. Letzteres wird daher bei uns auch Interferenzapparat nach Stefan genannt.
Hervorragendes leistete Josef Stefan in der Optik. Mit seinen Experimenten bekräftigte er die Wellentheorie des Lichtes. Seine Palette reicht von der Dispersion des Lichtes über Interferenz mittels Glimmerplättchen, Polarisationsexperimente, Beugungsspektren bis zur Theorie der Doppelbrechung. Er zeigt, für die Farbempfindung weiß werden nicht unbedingt alle Spektralfarben benötigt. Er schafft es, Gangunterschiede bis zu 15.000 Lichtwellenlängen zu erzeugen und bestimmt die Temperaturabhängigkeit des Brechungsindexes von Gläsern und Kristallen. Hervorstechend und einfach ist seine neue Methode, die Lichtwellenlänge mittels Doppelbrechung zu messen: er lässt polarisiertes Licht auf eine Quarzsäule fallen, außerordentlicher und ordentlicher Strahl interferieren, aus den hellen und dunklen Streifen lässt sich die Wellenlänge des Lichtes berechnen.
Ein sehr wesentlicher Teil der Arbeiten Stefans bezieht sich auf die Elektrodynamik. Ludwig Boltzmann berichtet, nur zwei Physiker hätten sofort die Bedeutung von Maxwells Theorie über den Elektromagnetismus verstanden, nämlich Helmholtz und Stefan. Und Stefan war es auch, der seinem Schüler Boltzmann Maxwells Abhandlungen in die Hand drückte und Maxwells Theorie in der Vorlesung behandelte. Schon 1869 schreibt Stefan über die Grundformeln der Elektrodynamik. Es folgen Arbeiten über die Induktion, die Theorie der magnetischen Kräfte. In einer weiteren Arbeit werden die Gesetze der elektrischen und magnetischen Kräfte und ihre Beziehung zur Theorie des Lichtes behandelt. Diese Arbeiten trugen sehr zur Anerkennung der Maxwell' sehen Theorie des Elektromagnetismus bei. Josef Stefan behandelt auch viele praktische Themen: Fernübertragung elektrischer Energie, Berechnung der Induktionskoeffizienten von Drahtrollen, Versuche und Berechnungen für die neu aufgekommenen Wechselstrommaschinen, thermomagnetische Motoren und einiges mehr.
Einen Höhepunkt bilden die Arbeiten auf dem Gebiet der Thermodynamik und der kinetischen Gastheorie. Die Untersuchungen über die Schallgeschwindigkeit in Gasen, innere Reibung der Luft, Schallabsorption und vor allem über die Wärmeleitung in Gasen führen zu einer beeindruckenden Bestätigung der kinetischen Gastheorie. Stefan berechnet auch die mittlere freie Weg Länge und Diffusionskoeffizienten von Gasen, speziell für die Diffusion von zwei Gasen ineinander - was heute noch als Maxwell-Stefan Diffusion bekannt ist, weil hier Stefan den Maxwell' sehen Ansatz erweitert hat. Desweiteren bestimmt Stefan sorgfältig die Diffusionskoeffizienten von C02 in Wasser und Alkohol, genauso wie für Rohrzucker, Salz und weiteren Substanzen in Wasser. Auch die Diffusion von jeweils zwei Flüssigkeiten ineinander untersucht er, speziell die zwischen verschiedenen Säuren und Basen. Erst in jüngerer Zeit werden Josef Stefans Arbeiten über Verdampfung und Eisbildung anerkannt, die eigentlich dem Gebiet der Phasenumwandlungen zugehören. Sejnem mathematischen Ansatz zu Ehren spricht man bei gewissen Phasenumwandlungen fest - flüssig von einem „Stefan Problem" oder bei flüssig - gasförmig wird der Materietransport an der Phasengrenzfläche als
„Stefan Fluss" bezeichnet. Auch die Begriffe „Stefan Geschwindigkeit" und „Stefan Zahl" werden im Zusammenhang mit speziellen Phasenumwandlungen verwendet, wobei letztere das Verhältnis von fühlbarer Wärme zu latenter Wärme beschreibt.
Dass Josef Stefan aus dem Physikalischen Institut in Erdberg - einer wichtigen Keimzelle der heutigen Fakultät für Physik - immer wieder gemeinsam mit James Clerk Maxwell genannt wird, freut uns heute ganz besonders. Auf Josef Stefan können wir stolz sein. Um unseren Josef Stefan zu rühmen, bringen wir gerne das Stefan-Boltzmann'sche Gesetz mit dem Planck'schen Strahlungsgesetz vom Jahr 1900 in Zusammenhang. Sie wissen ja, dass erstere ist im letzteren enthalten, aber wie geht das genau? Naja, man integriert das Planck' sehe Strahlungsgesetz für eine Temperatur, erhält so die Fläche unter der Planck'schen Kurve. Diese Fläche gibt dann die Gesamtabstrahlung des schwarzen Körpers an und ist der vierten Potenz der absoluten Temperatur proportional.
Geleitwort
Josef Stefan ein Pionier der Physik in der Elektrotechnik
Dipl.-Ing. Peter Reichel
Generalsekretär des OVE
Österreichischer Verband für Elektrotechnik
Prof. Dr. Josef Stefan zählt zweifellos zu den großen österreichischen Physikern des 19. Jahrhunderts. Als brillanter Experimentalphysiker und exzellenter Mathematiker leistete er grundlegende Beiträge zum Verständnis von Wärmeleitung in Gasen, in der Optik sowie der Beziehung zwischen der Wärmestrahlung und der Temperatur, die gemeinsam mit seinem Schüler Ludwig Boltzmann zur Formulierung des Stefan-Boltzmann-Gesetzes führten.
Weniger bekannt dagegen sind seine Arbeiten auf dem Gebiet der Elektrotechnik, die damals als Teil der Physik gesehen wurde und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowohl wissenschaftlich als auch technisch weltweites Interesse und zunehmend Eingang in den Alltag fand.
So war Josef Stefan ein großer Verehrer der Maxwell'schen Gleichungen und hatte wesentlichen...