KAPITEL 3
1 | Ein kleiner historischer Rückblick |
2 | Step-Aerobic – ein Allround-Fitness- und Gesundheitstraining |
3 | Step-Aerobic für ausgewählte, gesundheitsorientierte Zielgruppen |
5 | Step-Aerobic unterrichten |
6 | Choreografien für Fitnessstunden |
7 | Programme für ausgewählte Zielgruppen |
8 | Programme und Ideen für die Schule |
10 | Bibliografie Step-Aerobic |
Kapitel 3
STEP-AEROBIC FÜR AUSGEWÄHLTE, GESUNDHEITSORIENTIERTE ZIELGRUPPEN
Mit Beginn des Booms der Step-Aerobic haben sich besonders junge Erwachsene von diesen Angeboten ansprechen lassen. Bei etwa 50% der Besucher lag das Alter zwischen 20 und 30 Jahren, bei etwa 20% zwischen 30 und 40 Jahren (Brettschneider & Bräutigam, 1990; Kamberovic & Hase, 1994). In Sportvereinen zeigte sich ebenfalls, dass die starke Ausweitung der Fitnessangebote auf die zunehmende Nachfrage und Teilnahme Erwachsener jenseits der 20 Jahre zurückzuführen ist. Dabei waren und sind es insbesondere die erwachsenen Frauen, die sich von entsprechenden Fitnessangeboten angesprochen fühlen. Ihre Teilnehmerzahlen liegen deutlich über 50%. Dem Reiz, neue Zielgruppen anzusprechen und als Mitglieder zu gewinnen, haben sich auch die traditionellen Sportorganisationen nicht verschlossen.
Aktuell werden Formen der Step-Aerobic aber weiterreichend eingesetzt. Dies wird durch gravierende Veränderungen und Einflüsse im Hinblick auf „Gesundheit” und den expandierenden Gesundheitsmarkt forciert. Neue Standards, vor allem in der kommerziellen Fitnessbranche, sind die Folge. Hierzu zählt auch die zunehmende Qualitätssicherung des Personals einerseits und des Angebots andererseits. Betreuung und Kundenorientierung sind wichtige Schlagworte, zumal vor dem Hintergrund der Akquirierung neuer Zielgruppen 40+, 50+, 60+ und älter (Dilger, 2008).
Vor diesem Hintergrund werden die Inhalte und die Stepplattform attraktiv. Die Plattform als Trainingsgerät wird zunehmend in der Rehabilitation oder in Gesundheitssportkursen genutzt. Aber auch die Bewegungsform des zyklischen Auf- und Absteigens und damit einer guten Kontrolle von Bewegung einerseits und Belastungsbeanspruchung andererseits macht das Steptraining insbesondere für den Reha- und Gesundheitssport interessant.
Wir zeigen in diesem Kapitel zwei Zielgruppen auf – dies sind Menschen mit Übergewicht (Kap. 3.1) und Menschen mit (unspezifischen) Rückenschmerzen (Kap. 3.2) –, für die regelmäßiges funktionelles Training für die Bewältigung ihrer Beschwerden unabdingbar ist. Gleichzeitig bietet die Step-Aerobic über ein sehr abwechslungsreiches Training, die innovativen Organisationsbedingungen sowie die Lernformen eine hervorragende Möglichkeit, die Motivation der Teilnehmer für ein nachhaltiges Training, sprich die Aufrechterhaltung der sportlichen Aktivität, zu stabilisieren.
Neben diesen ausgewählten erwachsenen Zielgruppen fokussiert das Buch auf Jugendliche. In der Diskussion um zeitgemäße Inhalte des Schulsports finden derzeit heftige Debatten über die Umsetzung von modernen Sport- und Bewegungstrends in die schulsportliche Praxis statt (Balz et al., 1994; Schulz, 1994). Auch diese Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler (Kap. 8) werden wir stärker in den Vordergrund rücken.
3.1 Zielgruppe: Übergewicht und Adipositas
Wir leben in den westlichen Industrienationen in einem Schlaraffenland, zumindest, was das Nahrungsangebot betrifft. Jeder kann sich zu moderaten Preisen satt essen. Der Nahrungsüberfluss hat dazu geführt, dass viele Menschen viel zu viel essen und als Folge übergewichtig sind. Übergewicht zählt zu den gravierendsten Zivilisationskrankheiten der heutigen Zeit. Jeder zweite Bundesbürger ist laut dem Institut für Ernährungsmedizin und Diätetik übergewichtig, 15% sind stark bis extrem übergewichtig und gelten als adipös (Bergmann & Mensink, 1999).
Übergewicht führt nicht nur zu einer Kettenreaktion von Gesundheitsstörungen, wie Atemnot bei Belastung, rascher Ermüdung, verringerter Leistungsfähigkeit, verstärktem Schwitzen oder Schmerzen in den überbelasteten Gelenken. Adipositas ist der gemeinsame Nenner für Folgeerkrankungen wie Dyslipidämie, Hypertonie, Diabetes II und metabolisches Syndrom (Bramlage, Böcking & Kirch, 2006). Neuere Untersuchungen zeigen eine nachweislich verringerte Lebensdauer der Betroffenen aufgrund der langfristigen Folgen des Syndroms, wie das vermehrte Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen. Dies könnte sogar dazu führen, dass sich der in den letzten Jahrzehnten beobachtete Trend zu einer verlängerten Lebenserwartung in den kommenden Jahren umkehren könnte (Peeters, Barendregt, Willekens, Mackenbach, Al Mamun & Bonneux, 2003). Neben der Gefährdung der physischen Gesundheit stellt Übergewicht jedoch auch eine ernst zu nehmende Gefahr für das psychische und soziale Wohlbefinden dar. Adipöse sind häufig Opfer von Vorurteilen und Diskriminierungen (Wirth, 2000; Stroebe, 2002).
Die Folgen des Übergewichts sind jedoch nicht nur aus Sicht der einzelnen Person bedenklich, sondern betreffen in besorgniserregender Weise das soziale Netz. Allein die medizinische Behandlung von Übergewicht und dessen Folgekrankheiten verschlingt jährlich 10 Milliarden Euro (WHO, 2000). Die aus medizinischer und volkswirtschaftlicher Sicht richtige Problemlösestrategie heißt deshalb: Abnehmen!
Die herkömmliche Behandlungsform des Übergewichts liegt in der Durchführung von Diäten. Ärzte und Ernährungswissenschaftler zweifeln jedoch zunehmend am Erfolg solcher Reduktionskostkuren. Jüngste Veröffentlichungen bescheinigen, dass kurzfristig durchgeführte, gewichtsreduzierende Diäten allein (und dies gilt für alle Diätformen) keinen dauerhaften Erfolg aufweisen. Aktuell werden zwei potenzielle Nebenwirkungen von kalorienreduzierten Diätprogrammen diskutiert:
1. negative Gesundheitsfolgen von wiederholten Gewichtsverlusten („Weight-Cycling” oder „Jo-Jo-Effekt”; siehe Atkinson & Stern, 1998, Ayyard & Andersen, 2000);
2. die Möglichkeit, dass die chronische Besorgtheit um das eigene Körpergewicht zur Entwicklung von Essstörungen beiträgt (z. B. Killen, Taylor, Hayward, Haydel et al., 1996).
Der Forschungsstand in den letzten Jahren hat zudem ergeben, dass der sportlichen Bewegung ein immer größerer Stellenwert in der Behandlung des Übergewichts zugesprochen wird. Regelmäßige Sportaktivität sorgt dabei nicht nur für eine Erhöhung des Kalorienverbrauchs, sondern führt auch zu einer Verbesserung der Fitness. Dieser Tatbestand ist deshalb so zentral, da bislang unklar ist, inwieweit die Folgeerkrankungen von Übergewicht nicht eine indirekte Folge der Tatsache sind, dass Adipöse sich weniger bewegen (Weinsier, Hunter, Heini, Goran & Sell, 1998). Laut Miller (1999) ist in diesem Zusammenhang auch nicht die Gewichtsreduktion, sondern die Fitness der entscheidende Faktor für die Gesunderhaltung.
Wer erfolgreich abnehmen will und sein „Wohlfühlgewicht” dauerhaft erhalten möchte, muss zweierlei tun:
1. Die bisherige Menge an Energiezufuhr muss verändert werden, d. h., der kalorische Input ist zu reduzieren. Die Hauptregeln zusammengefasst lauten dabei:
Langsam abnehmen! Als vernünftiges, weil gesundheitlich angemessenes Ziel gilt: pro Kilogramm Fettverlust zwei Wochen einplanen.
Richtig essen! Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt eine vollwertige Ernährung: wenig Fleisch und Fett, wenig Zucker, viel Gemüse und Obst (frisch und saisonbedingt) sowie Vollkornprodukte.
Anders essen! Übergewicht kommt nicht nur durch den Konsum von zu viel und zu viel falschen Lebensmitteln zustande, sondern wird auch durch Ernährungsgewohnheiten geprägt: essen aus Langeweile, aus Stress, aus Kummer.
2. Die bisherige Menge an Energieabfuhr muss verändert werden, d. h., der kalorische Output ist zu vergrößern. Dies geschieht durch ein angemessenes Maß an sportlicher Bewegung und Fitnesstraining. Die Hauptregeln zusammengefasst lauten dabei:
Regelmäßig trainieren!
Die Ausdauerfähigkeit trainieren! Ein regelmäßiges Ausdauertraining verbessert das Herz-Kreislauf-System, kurbelt den Stoffwechsel an und erhöht den Kalorienverbrauch.
Die Kraftfähigkeit trainieren! Ein regelmäßiges Krafttraining...