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E-Book

Die preußische Madonna

Auf den Spuren der Königin Luise

AutorChristine von Brühl
VerlagAufbau Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl250 Seiten
ISBN9783841209085
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Königin der Herzen. Charismatische Herrscherin, Ikone Preußens, Leitfigur der Befreiungskriege. Kaum eine Herrscherin hat in nur 34 Lebensjahren so viel Sympathie und Aufmerksamkeit auf sich gelenkt wie Luise von Preußen. Christine Gräfin von Brühl, deren Familiengeschichte mit der Luises verbunden ist, wirft einen ganz persönlichen Blick auf eine der faszinierendsten Persönlichkeiten der deutschen Geschichte. Luise von Preußen (1776-1810) erlangte nach ihrer Heirat mit Friedrich Wilhelm III. dank ihrer Schönheit und Güte eine Popularität, die sie weit über die Grenzen des Landes hin bekannt und beliebt machte. Nach ihrem überraschend frühen Tod im Alter von 34 Jahren wird sie zur 'Königin der Herzen'. Novalis, Kleist, Jean Paul, August Wilhelm Schlegel huldigen ihr in ihren Werken. Der Luisenkult ist Geschichte, doch die Verehrung der preußischen Monarchin seit nunmehr 200 Jahren ungebrochen. Entlang der wichtigsten Lebensstationen Luises (der heutigen sogenannten Königin-Luisen-Route) über Hohenzieritz, Neustrelitz, Gransee und Paretz bis nach Berlin zum Mausoleum im Park von Schloss Charlottenburg, wo die Königin bestattet wurde, folgt diese Biographie einem faszinierenden Leben, das die Menschen bis heute bewegt.

Christine von Brühl, geboren 1962, studierte Slawistik, Geschichte und Philosophie in Lublin, Heidelberg und Wien. Nach Stationen bei DIE ZEIT, Sächsische Zeitung und Das Magazin lebt sie heute als freischaffende Autorin in Berlin. Bei atb lieferbar ist ihre Biographie 'Die preußische Madonna. Auf den Spuren der Königin Luise'. Zuletzt erschien 'Anmut im märkischen Sand. Die Frauen der Hohenzollern'.

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Leseprobe

Der Premier floh im Gefolge seines Königs nach Warschau, wo die sächsischen Herrscher zu der Zeit polnische Könige waren, doch das war Friedrich II. keineswegs genug: Auch Heinrich Brühls Frau Marianne (1717–1762), eine geborene Kolowrat-Krakowsky, musste die barocke Elbestadt auf Geheiß des preußischen Königs umgehend verlassen. Im sächsischen Landesarchiv ist der Brief einsehbar, in dem sich Friedrich II. über die Frau des Ministers erboste. Intrigen würde sie in Dresden gegen ihn spinnen und die Soldaten dazu ermutigen, zu desertieren: »Es gibt nichts Einfacheres als sich zu rächen, wenn man es will. Es soll Ihnen genügen, zu wissen, dass ich dazu im Stande bin, und dass Ihr Mann und Sie meine Geduld nicht ausnützen sollten, sonst werden Sie entsetzliche Folgen zu spüren bekommen«, schreibt ihr der böse Friederich am 1. April 1757 auf Französisch.

Von anderen damaligen Brühlschen Familienanwesen wie Schloss Nischwitz bei Leipzig wird berichtet, nur der Hinweis des ansässigen Pfarrers, das Feuer könne auf die nahe gelegene Kirche übergreifen, wenn die preußischen Truppen das Schloss anzündeten, habe die Soldaten von der Brandschatzung abhalten können. Ein Glück, dass der Kirchenmann so beherzt eingegriffen hat, denn das Schloss, das zwischenzeitlich als Krankenhaus und Altersheim diente, ist vor einiger Zeit hergerichtet worden und stellt heute wieder ein Kleinod dar wie ehedem. Sowohl das Treppenhaus als auch den Gartensaal schmücken herrliche Wandmalereien. Hinter dem Anwesen erstreckt sich der weitläufige Landschaftspark mit seinen hohen, alten Bäumen, weiten grasbewachsenen Fluren und nur einigen wenigen Blumenrabatten. Die verschlungenen Pfade führen zu einem erhöhten Ufer, von dem man hinaus ins flache Land und bis zum Mulde-Fluss hinübersehen kann.

Bisweilen mieten Studenten der Leipziger Universität das Schloss für ihren jährlichen Maskenball. Dann beleuchten Fackeln die dunklen Parkwege, und die Wipfel der Bäume zaubern wilde Schatten auf die Schlossmauern. Die bodentiefen Fenster im ebenerdig liegenden Gartensaal stehen weit offen, und junge Leute, verkleidet mit bunten Masken und höfischen Gewändern, strömen übermütig kichernd zur Polonaise ins Freie. Man könnte meinen, die Zeit sei stehengeblieben.

Warum Friedrich II. den Minister nicht mochte, ist nie abschließend ergründet worden. Ob er sich mit seiner harrschen Vorgehensweise dafür rächen wollte, dass Heinrich Brühl das Angebot ausgeschlagen hatte, am preußischen Hof zum Berater zu avancieren? Oder ob Friedrich Sachsen und seine Regierung nebst ihrem Premier grundsätzlich ablehnte, weil sie sich im Siebenjährigen Krieg auf die Seite Österreichs geschlagen und ihm seine Provinz Schlesien hatte abspenstig machen wollen? Friedrich muss eine Art Hassliebe für den Minister gehegt haben, sonst hätte er nicht versucht, ihn zu engagieren. Doch Heinrich zog es vor, seinem sächsischen König treu zu bleiben. Schließlich hatte er seine Karriere schon als Page am Dresdner Hof begonnen. Wer weiß, ob er in Potsdam je zu einem derart einflussreichen Mann hätte werden können.

Und er war sicher gut beraten. Das Vertrauen, das die sächsischen Herrscher Brühl entgegenbrachten, allein die herrschaftliche Hofhaltung, die ihm August III. zugestand, sprechen eindeutig dafür. Nicht zuletzt die prächtige Gemälde- und Kunstsammlung sowie das weltberühmte Schwanenservice aus Meißener Porzellan, die er während dessen Regentschaft erwerben konnte, beweisen, dass es richtig gewesen war, sich gegen den Preußenkönig zu entscheiden. Heute gelten die Kunstwerke, die Brühl einst erwarb, als Schätze europäischen Ranges und gehören zu den herausragenden Exponaten in Museen wie den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden oder der Eremitage in St. Petersburg.

Die Brühls haben Friedrich II. seine mangelhaften Umgangsformen nie nachgesehen. Bis heute trägt der Preußenkönig in Familienkreisen allenfalls den Beinamen »Zwo« oder »der Kleine«.

Doch es geht hier weniger darum, die Parallelen zwischen der Geschichte Preußens und der Familie Brühl zu schildern. Sie zeigen lediglich Spuren der Vergangenheit, die bis in die Gegenwart reichen, auch in meine eigene Gegenwart. Das entbehrt nicht einer gewissen Faszination. Die verwandtschaftliche Nähe zu Menschen, die sich in unmittelbarer Umgebung von Luise von Preußen aufhielten, bestärkte mich in dem Vorhaben, dem Leben dieser ungewöhnlichen und faszinierenden Frau nachzuspüren und es aufzuzeichnen. Vieles von dem, was man inzwischen über sie weiß, klingt heute widersprüchlich oder ist nur schwer nachvollziehbar. Luise von Preußen muss derart anmutig und schön gewesen sein, dass jeder, der sie zum ersten Mal sah, fasziniert und hingerissen war. Dabei war sie so ungebildet, dass einige ihrer Briefe wie Kinderreime klingen oder wie die Tagebucheinträge eines Backfisches. Dennoch muss sie einen nicht unerheblichen Einfluss auf die politischen Entscheidungen ihres Mannes, König Friedrich Wilhelms III., gehabt haben.

Viele ausgezeichnete Bücher sind über sie und ihre Zeit erschienen. Man denke allein an »Königin Luise« von Gertrud Mander, »Ein Stern in Wetterwolken« von Heinz Ohff oder »Preußens Luise« von Gunter de Bruyn, nicht zuletzt auch sein wunderbares Werk »Als Poesie gut«, um nur einige wenige zu nennen. Großartig auch das Buch »Luisenkult. Die Unsterblichkeit der Königin von Preußen« von Philipp Demandt. Aus ihnen wird in vorliegender Biographie wiederholt zitiert werden. Was an Luise bis heute fasziniert, waren ihr unprätentiöser Charme und ihre Herzensbildung. Sie hat es geschafft, Menschen jeglicher Herkunft rückhaltlos für sich zu gewinnen, und diese Zuwendung immer mit freundlicher Anteilnahme erwidert. Sie war eine Lady Di des 19. Jahrhunderts, eine preußische Sissi, doch im Gegensatz zu diesen Frauen blieb sie sich selbst immer treu. Sogar als die Verehrung für Luise längst die Züge eines Starkults angenommen hatte, als die Menschen vor Glück jubelten, schon wenn sie ihrer ansichtig wurden, blieb sie freundlich und ohne Allüren, gab sie sich direkt, aufrichtig und liebevoll zugewandt. Was ihr intuitiv naheliegend und selbstverständlich erschien, was das Allermenschlichste war, das hat sie prompt getan – und damit lag sie bis zuletzt immer richtig.

Dabei war sie auf diese Aufgabe keineswegs vorbereitet worden. Sie war eine unerfahrene, ungebildete kleine Prinzessin, geboren 1776 in Hannover als Tochter eines weichherzigen Vaters, wohnhaft in Hannover, und einer Mutter, die schon früh verstorben war, aufgewachsen in Darmstadt bei der Großmutter ohne echten heimatlichen Bezug. Niemand hatte sie auf das Leben und die Aufgaben einer Königin vorbereitet. Aber sie ließ sich nicht beirren, blieb ihrem Mann, dem König, treu, erwiderte seine Liebe, hielt unverbrüchlich zu ihren Kindern und war – was sie selbst anbetrifft – nie wehleidig. Luise hat sich nie beklagt. Sie scheint eine unerschütterliche Frohnatur gewesen zu sein, eine Frau, die bei aller femininer Leichtfüßigkeit und Emotionalität anstandslos und zuverlässig das tat, was von ihr erwartet wurde. Dieses Selbstverständnis einer Frau, diese Unerschütterlichkeit in seinem innersten Wesen zu begreifen, das ist meine eigentliche Intention. Denn dadurch – davon bin ich überzeugt – entfaltet Luise von Preußen bis heute ihre ungeheure Wirkungskraft.

Die vorliegende Biographie begibt sich auf die letzte Kutschfahrt der Königin, die Strecke, die ihr Sarg nach ihrem Tod von Hohenzieritz zurück an den königlichen Hof genommen hat. Sie führt durch Mecklenburg, Brandenburg und Berlin, streift Ortschaften wie Neustrelitz, woher ihre Familie stammte, Dannenwalde, wo die Pferde gewechselt wurden, oder Gransee, wo der Sarg der Königin unter unbeschreiblicher Trauer und Anteilnahme der Bevölkerung eine Nacht lang auf dem Marktplatz aufgebahrt wurde. Die einzelnen Stationen werfen Schlaglichter auf die Jugendzeit Luises in Darmstadt oder ihre Flucht vor Napoleon und die Jahre im ostpreußischen Exil, Lebensabschnitte, die sie nicht in dieser Region zubrachte. Die Beschreibung endet im Berliner Park von Schloss Charlottenburg, in dem Luise in einem eigens für sie errichteten Mausoleum ihre letzte Ruhestätte fand.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen dabei Plätze, an denen man heute noch authentisch ihrer Präsenz nachspüren kann, die Kastanienallee in Groß Gievitz, durch die sie, fernab von Hof und Gesellschaft, gemeinsam mit dem Kronprinzen spazierte, ihr Schlafzimmer in Charlottenburg, in dem ihr Bett steht, ihre Bürste, der Kamm und der Spiegel zu sehen sind, die sie bei der allmorgendlichen Toilette benutzte, oder die Stelle im Park von Hohenzieritz, wo sie ihre letzte Tasse Tee im Freien einnahm, bevor sie starb. Ziel ist es, den Mythos Luise begreifbar zu machen, den Mantelsaum dieser Frau zu fassen zu kriegen, die eine derartige Faszination bei vielen ihrer Zeitgenossen auslöste.

Geschichte kommt von Geschichten erzählen, eine Tradition, die in Adelsfamilien schon immer ganz besonders gepflegt wurde. Es macht die Vergangenheit plastisch und verständlich. Interessanter noch sind Geschichten, die einen klaren Bezug zur Realität haben, eine Verbindung zwischen Gestern und Heute. Wer mit seinen Kindern oder Freunden durch den Berliner Tiergarten spaziert und ihnen etwas über die Königin Luise erzählen kann, an deren Standbild sie gerade vorbeigelaufen sind, macht diesen Spaziergang lebendig und anschaulich. Wer durch Darmstadt oder Frankfurt wandert und weiß, dass die mecklenburgische Prinzessin mit ihrer Schwester vor Jahrhunderten hier zugegen war, entdeckt Ansichten einer Stadt und macht Augenblicke erlebbar, die anderen flüchtigen Besuchern...

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