Kapitel 1
Wissenschaft, Weisheit und Märchen
Selbstbefragung
- Ist Ihnen aufgefallen, dass es Ihnen schwerfällt, Ihr Gewicht unter Kontrolle zu behalten, wenn Sie Verdauungsprobleme haben? Dass es eine Verbindung zwischen einem »Reizdarm« und einem »Reizgewicht« gibt?
- Ist Ihnen aufgefallen, dass eine Woche mit einem hohen Stresspegel ähnliche Effekte auf ihren Bauch hat, wie eine Antibiotikatherapie? Dass beides den Eindruck erwecken kann, als geriete ihr komplettes Verdauungssystem durcheinander?
- Ist Ihnen aufgefallen, dass Sie sich leichter und energiegeladener fühlen, wenn Sie mehr Obst und Gemüse als Fleisch und industriell verarbeitete Lebensmittel essen?
Wenn Sie dieses Buch ausgewählt haben, besteht eine gute Chance, dass Sie mit Ihrem Gewicht unzufrieden sind. Vielleicht tragen Sie fünf, zehn oder zwanzig Kilo zu viel mit sich herum, die Sie einfach nicht loswerden. Wahrscheinlich haben Sie schon einmal eine Diät gemacht und haben eine Zeit lang vielleicht wirklich Gewicht verloren, aber Sie haben das Gefühl der Entbehrung und des Dauerfastens langfristig nicht durchgehalten und Ihre überflüssigen Pfunde wiedergewonnen. Oder die Diät war eine dieser komplizierten Mehrphasen-Programme und Sie haben nach einer Weile die Geduld oder den Willen verloren, Ihre Kalorienaufnahme oder das Verhältnis zwischen Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen pro Diätphase ganz genau zu beachten und zu verfolgen.
Es gibt eine einfachere und bessere Methode, die von der möglicherweise wichtigsten und überzeugendsten wissenschaftlichen Entdeckung dieses Jahrhunderts unterstützt wird: dem Einfluss der Darmbakterien auf so gut wie jede Facette unseres Lebens – unser Gewicht, unsere Verdauung, unser Immunsystem, unsere Gefühle – also praktisch alles. Die Darmbakterien können zum Beispiel Toxine produzieren, die in die Blutbahn gelangen und eine systemweite Entzündung auslösen, die den Körper dazu veranlasst, Kalorien als Fett zu speichern, anstatt sie in Energie umzuwandeln und zu verbrennen. Und sie können Heißhunger verursachen. (Forscher sprechen inzwischen von »stoffwechselbedingter Endotoxämie«, einer Vergiftung durch den eigenen Körper – womöglich eine bisher unentdeckte Triebkraft hinter der Fettleibigkeit. Erstaunlicherweise können dieselben Bakterien die Produktion von Darmhormonen beeinflussen, die direkt mit dem Gehirn kommunizieren, indem sie entweder Hunger oder Sättigung signalisieren. Die gute Nachricht ist, dass Sie diesen Prozess steuern können, indem Sie darauf achten, was Sie essen und wie Sie leben – chronischer Stress verursacht erhebliche Störungen in ihrem Verdauungstrakt. Pflegen Sie Ihre Darmflora, und sie wird es Ihnen danken!
Wir eilen uns jedoch selbst voraus. Lassen Sie uns zum Problem der Gewichtszunahme zurückkehren, das für viele Frauen das verstörendste Signal ist, dass irgendetwas mit Bauch und Körper nicht stimmt.
Der »Belly-Blues«
Seit Anfang der 1970er-Jahre ist das Gewicht der durchschnittlichen Amerikanerin um rund 9 Kilo gestiegen. Heute gelten 33 Prozent der amerikanischen Erwachsenen als übergewichtig (Body-Mass-Index, BMI, zwischen 25 und 30) und 35 Prozent als fettleibig (BMI über 30). In den vergangenen 20 Jahren hat die Zahl der Fettleibigen um 60 Prozent zugenommen, was uns das neue Etikett »Fettleibigkeitsepidemie« sowie Befürchtungen über einen rasanten Anstieg von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus (Typ-2-Diabetes) beschert hat. Weniger Aufmerksamkeit hat die Tatsache erhalten, dass die Nation im selben Zeitraum eine zweite Epidemie erfasst hat, und zwar eine, die außerhalb der Sichtweite im Stillen stattfindet – nämlich im Bauch der amerikanischen Frauen.
Dabei gilt es zu bedenken, dass Männer und Frauen zwar in vergleichbarer Weise von Gewichtszunahme betroffen sind, Frauen aber ein doppelt so hohes Risiko aufweisen, unter unangenehmen und chronischen, wenngleich noch nicht als Krankheit einstufbaren Verdauungsproblemen zu leiden, die unter dem Oberbegriff »Reizdarmsyndrom« zusammengefasst werden und von denen geschätzte 30 Prozent der Amerikanerinnen betroffen sind. Verdauungsprobleme werden von Lebensmittelallergien und Überempfindlichkeiten noch verstärkt, vor allem gegenüber Eiweißfamilien, die in glutenhaltigem Getreide wie Weizen, Roggen und Hafer enthalten sind. Konservativen Schätzungen zufolge leidet 1 Prozent der amerikanischen Bevölkerung unter Zöliakie, einer schweren Form der Glutenintoleranz. Sechsmal so viele Menschen leiden unter einer leichteren Form der Glutenallergie, die trotzdem ernsthafte Verdauungsprobleme verursachen sowie zu Dauerermüdung und Depressionen führen kann. (Auch das ist eine eher konservative Schätzung. Zahlreiche Ernährungsberater und auch ich stellen fest, dass sich viele unserer weiblichen Kunden ohne Gluten einfach besser fühlen.) Und das ist noch nicht alles. Es häufen sich die klinischen Hinweise, dass weite Teile der Bevölkerung unter verdauungsrelevanten und wahrscheinlich auch gewichtsrelevanten Überempfindlichkeiten gegen übliche Lebensmittelbestandteile leiden, wie zum Beispiel Laktose in Milchprodukten, Fruktose in fruktosereichem Maissirup und ähnlichen Stoffen, wie sie in einigen Gemüsesorten und Hülsenfrüchten vorkommen. Der Bauch der durchschnittlichen Amerikanerin ist zum sprichwörtlichen Warnsignal geworden, das uns anzeigt, dass irgendetwas gründlich schiefläuft.
Als klinische Ernährungsexpertin habe ich in den letzten 30 Jahren mit Tausenden zumeist weiblichen Kunden gearbeitet, um ihre Gewichts- und ihre Verdauungsprobleme in den Griff zu bekommen. Aber erst im Jahr 2011, als ich zusammen mit dem Johns-Hopkins-Gastroenterologen Gerard Mullin das Buch Inside the Tract: Your Good Gut Guide to Digestive Health schrieb, wurde mir die Verbindung zwischen Verdauung und einem gesunden Körpergewicht wirklich klar. Dieses Buch bescherte meiner privaten Ernährungspraxis eine Flut an weiblichen Kunden. Die meisten von ihnen hatten seit Jahren vergeblich versucht, ihre hartnäckigen überflüssigen Pfunde loszuwerden. Manchmal waren es ihre Verdauungsprobleme, die sie am meisten beeinträchtigten. Diese bestanden typischerweise in einem Kreislauf aus Verstopfung, Durchfall und Blähungen, zusammengefasst in die übergeordnete Kategorie »Reizdarmsyndrom« (RDS). (Im Internet können Sie eine RDS-Selbstdiagnose durchführen. Den RDS-Test finden Sie zum Beispiel auf den Websites www.gesundheit.de, www.gesundheitsberatung.de und www.reizdarm.net.) Manchmal war das Gewicht das größte Problem. Was mir geradezu ins Gesicht sprang, war die Tatsache, dass das Problem des Reizdarms, das ich inzwischen als Reizgewicht bezeichne, üblicherweise zwei Seiten desselben zugrundeliegenden Problems darstellt. Mit einigen meiner Kunden arbeite ich daran, schwere chronische Beschwerden zu heilen. Bei den meisten meiner Kunden und wahrscheinlich der Mehrheit meiner Leser handelt es sich jedoch um Symptome, die nicht ständig, aber doch wiederkehrend auftreten. Sie sind lästig, aber sie sind auch ein nicht zu überhörender Weckruf, dass Ihr Körper nicht mit den richtigen Lebensmitteln und auf die richtige Weise ernährt wird. Ihre Verdauung und Ihr Gewicht konspirieren gemeinsam, um Ihr Wohlbefinden zu beeinträchtigen.
Das Swift-Diät-Wörterbuch
Mikrobiom: Die Gesamtheit aller den Menschen besiedelnden Mikroorganismen. Diese einzelligen Bakterien sind mindestens zehnmal so zahlreich wie die menschlichen Zellen, und die meisten leben im menschlichen Darm.
Intestinale Mikrobiota: Bakterienspezies, die in den Tiefen des menschlichen Dickdarms siedelt. In den vergangenen 20 Jahren haben wir herausgefunden, dass sie eine wichtige Rolle für die Verdauung, die Darmgesundheit und die allgemeine Gesundheit, einschließlich der Gewichtskontrolle, spielen.
Darmflora oder Mikroflora: Dasselbe wie Mikrobiota. In der Natur bedeutet »Flora« das Pflanzenleben. Im Darm bezeichnet es die dort angesiedelten Bakterien.
Dysbiose: Eine veränderte Zusammensetzung der Darmflora, die die Darmgesundheit beziehungsweise die allgemeine Gesundheit aus dem Gleichgewicht bringt. Ursachen können schlechte Ernährung, Stress, eine Infektion oder eine Lebensmittelallergie oder -überempfindlichkeit sein. Zu den üblichen Symptomen zählen Blähungen, Verstopfung und Durchfall.
Die Swift-Diät, wie sie in diesem Buch beschrieben wird, ist das Ergebnis meiner Arbeit in drei wegweisenden Zentren für Gesundheit und Wellness am Fuße der Berkshire-Wälder im Westen des Bundesstaates Massachusetts – zuerst als ehemalige Ernährungsdirektorin im berühmten Gesundheitszentrum Canyon Ranch, dann im UltraWellness Center meines Freundes und Kollegen Dr. Mark Hyman und zuletzt im Kripalu Center for Yoga and Health. Während dieser Zeit habe ich an einem Behandlungsansatz gefeilt, dessen Schwerpunkt auf schmackhafter ganzheitlicher Ernährung liegt. Dabei handelt es sich sozusagen um eine »flexitarische« Ernährung, die hauptsächlich auf vegetarischen Lebensmitteln beruht und sowohl pflanzliche als auch magere tierische Eiweiße sowie einen begrenzten Anteil an Vollkorn, Früchten und entzündungshemmenden Fetten und Ölen enthält. Immer wieder habe ich erlebt, wie auf diese Weise eine lange Liste an schwächenden Symptomen verschwunden sind: geblähte...