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Intelligente LRS-Schüler - Ratgeber für Eltern

Erkennen und verstehen - unterstützen und ermutigen (5. bis 10. Klasse)

AutorUta Livonius
Verlagscolix
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl136 Seiten
ISBN9783403702429
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Es ist machbar: Sicher zum guten Schulabschluss trotz LRS!
Auch auf Gesamtschulen und Gymnasien gibt es sie: LRS-Schüler, die sich

mit der deutschen Rechtschreibung plagen. Wenn in der Sekundarstufe die

Anforderungen steigen, gelingt es ihnen plötzlich nicht mehr, mitzuhalten.

In dem Elternratgeber zeigt die Autorin auf, wie Eltern ihre Kinder positiv auf dem Weg zum angestrebten Schulabschluss begleiten können. Sie erklärt, wie Eltern in der herrschenden Informationsflut den

Überblick behalten, wie das 'LRS-Management' zu Hause gelingt und

wie Kinder abwechslungsreich und nachhaltig lernen.

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Leseprobe

2. Erkennen Sie Ihr Kind? – Wo LRS-Kinder auffallen


In diesem Kapitel erfahren Sie,

ƒwodurch LRS-Schüler auffallen,

ƒwie Probleme beim Lesen entstehen können,

ƒwie Probleme beim Rechtschreiben entstehen können,

ƒwarum es schwer ist, die Schwierigkeiten intelligenter LRS-Schüler zu erkennen,

ƒwarum das Verstehen nötig ist, um zu helfen,

ƒwelche Strategien LRS-Schüler entwickeln, um Problemen auszuweichen,

ƒwarum Hobbys wichtig sind und

ƒwie Verhaltensauffälligkeiten entstehen.

Es gibt keine zwei LRS-Kinder mit absolut gleichen Auffälligkeiten, selbst bei eineiigen Zwillingen nicht. Kinder mit LRS nehmen vieles anders wahr und verarbeiten diese Informationen anders als normale Schüler. Dadurch ent­stehen Probleme und Verhaltensmuster, die oft von den Mitmenschen nicht verstanden werden. Die folgende Zusammenstellung ist sicher nicht vollständig, gibt aber einen Eindruck, wie komplex die Auswirkungen sein können:

Auffälligkeiten beim Lesen


ƒBeim Lesenlernen werden ähnliche Buchstabenformen verwechselt: d–b–p–q, a–e, u–n, W–M, N–Z, r–n–m, L–F–E, I–J–l, f–t.

ƒSilben werden nicht erkannt; dadurch ist es besonders schwer, längere Wörter zu lesen.

ƒlangsames, stockendes Lesen mit Selbstkorrektur

ƒLesen ohne Betonung

ƒsinnentstellendes Lesen:

Kamele leben in der Wüste. – Kamele leben auf der Wiese.

ƒSinnerfassung fehlt, da der Lesevorgang zu viel Aufmerksamkeit erfordert.

ƒSinnerfassung fehlt, obwohl der Text flüssig gelesen wird.

Kinder mit diesen Problemen drücken sich vor dem Lesen, wenn es irgendwie möglich ist.

Auffälligkeiten beim Schreiben


ƒVerwechslung gleich oder ähnlich klingender Laute: o–u, i–ü–y, ä–e, s–z

ƒAuslassen oder Hinzufügen von Buchstaben

ƒVertauschen von Buchstaben: „Knio“ statt „Kino“

ƒlautgetreues Schreiben: „doidsch“ statt „deutsch“

ƒkeine Unterscheidung kurzer und langer Laute: „kam“ oder „Kamm“, „in“ oder „ihn“

ƒKein automatisiertes Schreiben, über jedes Wort wird nachgedacht: Auch Wörter wie „und“, „die“, „sie“ werden auswendig gelernt.

ƒWörter werden bewusst gebildet, oft nach (falschen) eigenen Regeln: „herrein“ (ich höre her-rein).

ƒfalsche Zeichensetzung, weil die Sprachmelodie fehlt

ƒfehlerhafte Groß- und Kleinschreibung

ƒschlechte Schrift

Auffälligkeiten bei Mathematik


ƒfalsches Abschreiben

ƒAuslassen, Übersehen, Verdrehen von Ziffern oder Zeichen

ƒVerwechseln ähnlich aussehender Ziffern: 1–7, 6–9, 5–3–2

ƒVerwechseln der Bedeutung der Rechenzeichen

ƒVertauschen der Reihenfolge von Ziffern: „69“ statt „96“

ƒkeine Vorstellung von Größenordnungen

ƒProbleme beim Umrechnen von Einheiten

ƒungenaues Lesen, z. B. „Quader“ statt „Quadrat“

ƒungenaues Lesen von Textaufgaben

ƒVergessen oder Übersehen von Teilaufgaben

Auffälligkeiten bei Raumlage, Reihenfolge, Zeit


ƒVerwechseln von: „oben/unten“, „hinten/vorne“, „rechts/links“

ƒVerwechseln der Linien bei Musiknoten

ƒVertauschen der Reihenfolge, z. B. bei Telefonnummern

ƒkein Wiedererkennen von Formen, z. B. Länder oder Flüsse

ƒFolgen werden als Ganzes gelernt und können nur so abgerufen werden: Abc, Wochentage, Monate, 1x1, unregelmäßige Verben usw. (Wird also z. B. nach dem Vorgänger von W gefragt, beginnt das Kind bei A.)

ƒProbleme mit dem Zeitbewusstsein (Uhrzeit, Wochentag usw.)

Auffälligkeiten bei Sachfächern


ƒSachtexte werden nicht sinnerfassend gelesen.

ƒunsaubere bis chaotische Heftführung

Auffälligkeiten bei Fremdsprachen1


Die unter „Englisch“ beschriebenen Schwierigkeiten können alle Sprachen betreffen. Große Probleme bereiten oft auch das sinnerfassende Lesen und das fehlerfreie Abschreiben.

Englisch


ƒAussprache unklar: „food“ oder „foot“, „fog“ oder „fork“

ƒlautgetreues Schreiben: „it“ statt „eat“

ƒVerwechseln gleich oder ähnlich klingender Wörter: „two“ oder „too“ oder „to“, „bag“ oder „back“, „there“ oder „their“ oder „they’re“

ƒfalsches Übertragen erlernter Regeln, z. B.: langes i schreibt man ee wie in „to see“: „mee“ statt „me“, „dreem“ statt „dream“, „peeple“ statt „people“

ƒUnregelmäßige Verben werden als Ganzes gelernt, können aber nicht übertragen oder im Text erkannt werden.

ƒVerwirrung durch unbekannte Wörter führt zur Blockade.

Französisch


Hauptschwierigkeiten durch:

ƒAkzente

ƒstumme Endungen

ƒGeschlecht der Substantive

Latein


Hauptschwierigkeiten durch:

ƒungenaues Lesen

ƒVerwechseln ähnlicher Vokabeln

Spanisch


Spanisch ist die Fremdsprache, die LRS-Schülern erfahrungsgemäß am wenigsten Extraschwierigkeiten bereitet.2 Das liegt wohl daran, dass Spanisch im Vergleich zu anderen alphabetischen Schriftsprachen sehr lauttreu ist.

Erkennen Sie Ihr Kind? Einiges war vielleicht bis zur 2. Klasse so, ­einiges entwickelt sich erst jetzt. Vieles trifft gar nicht zu, jedes Kind hat sein eigenes Muster.

Gymnasiasten, bei denen der Verdacht auf LRS erst ab der 5. Klasse entsteht, haben die Grundschule gut absolviert. Sie haben Lieblingsfächer und andere, die sie nicht so mögen. Jetzt sind sie wegen ihrer schlechten Rechtschreibung aufgefallen. Um aus dem Rechtschreib-Teufelskreis herauszuhelfen, ist es notwendig zu verstehen, wie Ihr Kind hineingeraten ist.

2.1. So genial kann Lesen sein


Wer gar nicht lesen kann, fällt schon vor der 5. Klasse so sehr auf, dass die Eltern informiert werden. Kein Kind, das nicht lesen kann, wird auf das Gymnasium oder die Realschule versetzt. Es gibt aber viele, die nicht lesen wollen. Der Grund ist meistens, dass diese Kinder Angst haben, sich zu blamieren. Sie wissen, dass sie keine guten Vorleser sind, aber zum Verstehen von Anweisungen und kurzen vorgegebenen Texten reicht es schon.

Um das Vorlesen zu vermeiden, gibt es viele, z. T. unbewusst verwendete, Taktiken, die Lehrer aus dem Unterricht besser kennen als Eltern.

Vermeidungsstrategien beim Vorlesen


ƒeinen Hustenanfall bekommen (So kann man unmöglich lesen!)

ƒetwas fallen lassen und suchen (Wer unter dem Tisch herumkrabbelt, kann nicht lesen und so viel Geduld zu warten, bis man wieder richtig sitzt, hat der Lehrer hoffentlich nicht.)

ƒfast anfangen zu weinen (Das verschreckt den Lehrer.)

ƒgerade jetzt ganz wichtig etwas anderes tun (Das gibt Ärger, ist aber ­besser als vorlesen müssen.)

ƒzerstreut sein und nicht wissen, wo man im Buch gerade ist (Das gibt auch Ärger, ist aber auch besser als vorlesen müssen.)

ƒbeim Lesen nicht mehr atmen (Das erzeugt schnell Mitleid.)

Wie die Probleme beim Lesen entstehen können, verdeutlicht das Beispiel von q, p, b und d. Losgelöst vom Papier, also sozusagen als Gegenstände, gibt es nicht den geringsten Unterschied. Es ist immer der gleiche Buch­stabe, nur aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Ein Auto von rechts oder links angeschaut ist doch schließlich immer noch ein Auto, oder?

Die Leistung eines Sechs- oder Siebenjährigen, der das so sieht, ist doch großartig. Später nennt man das bedeutungsvoll „Transferleistung“ und „räumliches Vorstellungsvermögen“. Leider behindert es aber das Lesen­lernen, ohne dass jemand es bemerkt. Es sei denn, dieses Phänomen ist ihm vertraut.

Lesetexte, deren Inhalt es kennt, kann ein solch kleines Genie anhand von Hilfsstrukturen trotzdem nachlesen:

Japas Kiup kauu lasau laruau.

Hier gehe ich nur davon aus, dass q, p, b und d nicht unterschieden werden können, genau wie e und a sowie u und n.

Jedes Kind kann lesen lernen.

Japas Kiup kauu lasau laruau.

Ist das Kind, das diese Leseleistung vollbringt, nicht genial? Wenn man wüsste, warum es sich mit ungeübten Texten so schwertut, könnte man mit Moosgummi- oder Knetbuchstaben geduldig die Unterschiede zwischen den Buchstaben erarbeiten. Stattdessen heißt es: „Ihr Kind muss mehr...

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