Kapitel 1
Bakteriologie
Obwohl Infektionskrankheiten seit Jahrtausenden bekannt sind, liegen exakte Kenntnisse zur Ätiologie (Ursachen der Krankheiten) nur wenig länger als einhundert Jahre vor. Wegbereitend war vor allem die Entwicklung optischer Hilfsmittel und damit das Sichtbarmachen kleinster Lebewesen. Namen wie Anthony van Leeuwenhoek, Louis Pasteur und Robert Koch sind untrennbar mit dieser Entwicklung verbunden.
Nachdem gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Reihe lange bekannter Krankheiten die verursachenden Erreger entdeckt wurden, gewann man auch Einblick in den epidemiologischen Ablauf. Damit begann die Erforschung der Immunität.
Im 20. Jahrhundert wurden spezifische Chemotherapeutika und Antibiotika entwickelt, die unterstützt durch die erfolgreiche Entwicklung von Impfstoffen, die Mortalität bei Infektionskrankheiten entscheidend senkten. In den vergangenen Jahrzehnten sind weitere Fortschritte im Verständnis, in der Erkennung sowie in der Bekämpfung der Infektionskrankheiten erzielt worden.
Auch in der Industrie haben, durch die Biotechnologie gefördert, die Mikroorganismen einen wichtigen Platz eingenommen, z. B. bei der Herstellung von Eiweißen und Vitaminen.
Im Vergleich zur Gesamtzahl der in der Natur vorkommenden Arten von Mikroorganismen ist der Anteil menschenpathogener Krankheitserreger gering. Mikroorganismen, die in der Lage sind, Krankheiten hervorzurufen, sind:
• Bakterienähnliche wie Chlamydien, Mykoplasmen, Rickettsien
• Prione (organische Gifte mit virusähnlichen Eigenschaften – Creutzfeld-Jakob-Krankheit)
1.1. Einteilung der Bakterien
MERKE
Die Bakterien lassen sich aufgrund ihrer
Form (
Morphologie) einteilen (
Abb. 1.1) in
Abb. 1.1 Grundformen der Bakterien.
a: Haufenkokken (Staphylokokken).
b: Kettenkokken (Streptokokken).
c: Diplokokken (Neisserien).
d: Plumpe Stäbchen (z. B. Enterobakterien).
e: Bazillen.
f: Klostridien.
• kugelförmige Zellen (Kokken),
• stäbchenförmige Zellen (Stäbchen),
• spiralförmige Zellen (Schraubenbakterien; Spirochäten).
Außerdem lassen sich an den Kokken weitere Merkmale beobachten, z. B.:
• Haufenlagerung (Staphylokokken)
• Paarweise Lagerung (Diplokokken wie Gonokokken)
• Aneinanderlagerung wie Ketten (Streptokokken)
Auch die Stäbchen können unterschiedliche Formen aufweisen, z. B. abgerundet, eckig, spitz, keulenförmig, lang, kurz oder plump.
Mit der 1884 von dem dänischen Pathologen Hans Gram eingeführten Färbemethode, die den unterschiedlichen Zellwandaufbau ausnutzt, steht ein weiteres Einteilungsschema für die meisten Bakterien zur Verfügung: grampositiv oder gramnegativ.
Unterschiede wie die Kolonieform, abweichende Stoffwechselleistungen, das Verhalten gegen Luftsauerstoff (aerob und anaerob), ob Sporen gebildet werden oder nicht oder ob Geißeln (Beweglichkeit) vorhanden sind oder nicht, führen zu weiteren Unterteilungen der Bakterien (Taxonomie).
Unter Taxonomie versteht man die Zuordnung gleichartiger oder ähnlicher Bakterien in ein hierarchisch geordnetes System, das in Reich (Prokaryotae), Division, Klasse, Ordnung, Familie, Gattung (Genus) und Art (Spezies) eingeteilt ist.
Anhand der Gattungs- und Artnamen (z. B. Staphylococcus aureus) und der beschriebenen Einteilungsschemata können medizinisch wichtige Bakterien identifiziert werden. Da die modernen molekularbiologischen Methoden neue Erkenntnisse über die Bakterien erbrachten, ist es zurzeit schwierig, eine gültige Systematik zu erstellen (
Tab. 1.1).
Tab. 1.1
Humanpathogene Bakterien.
Sektion 1: Spirochäten, gramnegativ, spiralig gewunden |
– Treponema pallidum | Nur beim Menschen, nicht kultivierbar | Syphilis, drei Stadien |
– Borrelia burgdorferi | Durch Zecken übertragen, kultivierbar | Lyme-Borreliose, drei Stadien |
– Borrelia duttonii | Durch Zecken übertragen | Endemisches Rückfallfieber |
– Borrelia hermsii | Antigenvariabilität | |
– Borrelia recurrentis | Durch Kleiderläuse übertragen | Epidemisches Rückfallfieber |
• Leptospira interrogans | Serogruppen und Serovare (z. B. icterohaemorrhagiae, pomona, grippotyphosa) | • Leptospirose • Morbus Weil • Zoonose (Nager, Igel, Rind) |
Sektion 2: Gramnegative Stäbchen, beweglich, gekrümmt, aerob/mikroaerophil |
– Campylobacter jejuni | Kultivierbar | Enteritis |
– Campylobacter fetus | Verschiedene Infektionen |
• Helicobacter pylori | Kultur schwierig, produziert viel Urease | • Gastritis Typ B • Peptische Ulzera |
• Spirillum minus | Nicht kultivierbar | Rattenbissfieber (Sodoku) |
Sektion 4: Gramnegative Stäbchen und Kokken, aerob |
• Pseudomonadaceae | Stäbchen, beweglich | • Wundinfektionen, Infektionen bei Verbrennungen • Harnwegsinfektionen • Nosokomiale Infektionen |
– Pseudomonas aeruginosa | Überall verbreiteter Wasserkeim, bildet Pigmente |
– Burkholderia cepacia | Häufig Mehrfachresistenz gegen Antibiotika | |
– Stenotrophomonas maltophilia | |
• Legionellaceae | Stäbchen, beweglich, Spezialmedien für Kultur | |
– Legionella pneumophila | Häufigste Spezies, aquatische Biotope | Legionärskrankheit, Pneumonie |
• Neisseriaceae | Diplokokken/Kurzstäbchen, | |
– Neisseria gonorrhoeae | Unbewegliche Kokken in Phagozyten | Gonorrhö |
– Neisseria meningitidis | | Meningitis, Sepsis |
– Moraxella catarrhalis | Normalflora, Respirationstrakt | Sinusitis, Otitis media bei Kindern |
– Acinetobacter baumanii | Kurzstäbchen, überall vorkommend | Nosokomiale Infektionen, häufig |
– Acinetobacter calcoaceticus | | Mehrfachresistenz gegen Antibiotika |
– Brucella abortus | • Kurzstäbchen, intrazellulär • Anspruchsvoll | Brucellose (Morbus Bang, Malta-Fieber) |
– Brucella melitensis | • Kurzstäbchen, intrazellulär • Anspruchsvoll | Zoonose |
– Bordetella pertussis | • Kokkoide Stäbchen • Unbeweglich • Nur beim Menschen | Keuchhusten |
– Francisella tularensis | • Kokkoide Stäbchen • Anspruchsvoll | Tularämie, Zoonose (Nagetiere) |
Sektion 5: Gramnegative Stäbchen, fakultativ anaerob |
• Enterobacteriaceae | Standort: Darm von Mensch und... |