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Zeitbewusstsein im Alter: Eine sozialpsychologische Studie zum Zeitbewusstsein älterer Menschen in der nachberuflichen Lebensphase

AutorBernhard Jaeck
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl103 Seiten
ISBN9783842840652
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Wir befinden uns mitten im demografischen Wandel. Der Anteil der Senioren in der Bevölkerung steigt überproportional. Dieser Prozess wird sich noch weiter beschleunigen. Senioren rücken damit auch hinsichtlich einer sozialpsychologischen Betrachtung in den Brennpunkt. Wer sind sie? Ein wichtiger Gesichtspunkt zum Verständnis der Motivationslage älterer Menschen ist die Frage nach der Zeit. Werden ihre Pläne, ihre Handlungen, ihre Entscheidungen und ihr Lebensgefühl durch ein Zeitbewusstsein beherrscht? Wenn ja, was ist das für ein Zeitbewusstsein und welche Formen gibt es? Diesen Fragen wird in dieser qualitativen empirischen Studie nachgegangen. Hierzu wird der methodische Ansatz der Grounded Theory verwendet. Die qualitative Auswertung der Interviews älterer Menschen und die mittels Faktorenanalyse erfolgte Typenbildung werden ausführlich dargestellt. Die Reflektion der Zeittheorien und Zeitmodelle, der Qualität und Gütekriterien sowie die Systematik der Auswertung sollen Wissenschaftler, Studierende und am Thema interessierte Personen anregen, die Forschungen weiterzuführen mit dem Ziel, neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Bernhard Jaeck, M.A. wurde 1956 in Helmstedt geboren. Neben seiner Tätigkeit in einer Bank interessierte sich der Autor für psychologische und soziologische Themen. Er ließ sich in Transaktionsanalyse ausbilden und absolvierte nebenberuflich ein Studium der Kultur- und Sozialwissenschaften, das er mit dem akademischen Grad des Magister Artium abschloss. Aufgrund der Beschäftigung mit dem eigenen Alter und der durchlebten Lebenspassagen kristallisierte sich das Thema zum Zeitbewusstsein älterer Menschen heraus.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 4, Qualität und Gütekriterien: Im weiteren Verlauf sollen die klassischen Gütekriterien: Validität, Reliabilität und Objektivität, als Standard für diese Untersuchung dargestellt werden. 4.1, Validität: Mummendey fasst die Begriffe Impressions-Management und Selbstdarstellung als Selbstdarstellungstheorie zusammen und nennt die folgende zentrale These: 'Individuen versuchen in sozialen Interaktionen den Eindruck, den sie auf andere Personen machen, zu kontrollieren.' (Mummendey 2002, S. 212). Dabei soll es einen Beeinflussungszusammenhang zwischen Individuum und sozialer Umgebung geben. Dem Konstrukt der sozialen Erwünschtheit im Interviewzusammenhang kommt somit eine besondere Bedeutung zu, da die Interviewpartner allgemein einen guten Eindruck machen wollen. Mit diesem Reaktionsverhalten ist besonders dann zu rechnen, wenn in einer - Face to Face - Kommunikation der Informationsaustausch persönlich und nicht anonym erfolgt. Dieses trifft auf diese Untersuchung zu. Es muss daher eingeschätzt werden, in welchen Bereichen mit Einschränkungen zu rechnen sind und ob diese hinsichtlich der Fragestellung dieser Arbeit maßgeblich sind. Es werden in den Gesprächen zwar belastende Themenbereiche angesprochen, dennoch wird von einer Tendenz ausgegangen, diese nur eingeschränkt zu präsentieren oder nicht anzusprechen. Wenn belastende Themen angesprochen worden sind, z. B. die bei den Interviewpartnern häufig vor dem Übergang in den Ruhestand aufgetretenen Konflikte mit dem Arbeitgeber, dann wurden diese Ereignisse mit einer relativierenden Erzählung abgemildert. Im folgenden Beispiel ist zudem ein Verklärungsprozess in der rückwirkenden Betrachtung erkennbar. 'Ich konnte als einzige von denen ohne größere Nachteile schreiben, was ich für richtig hielt und das haben wir gemeinsam ausgenutzt, sagen wir mal, fünf oder sechs Leute. Also es war, es war, eh wie gesagt, bisschen Strafversetzung, aber eigentlich auch hochinteressant' (Interview A). Auch durch ausweichende Antworten kann ein belastender Themenkomplex vermieden werden. Ein Beispiel der Stellungnahme zum dritten Statement soll dies verdeutlichen. Dieses bezieht sich auf ein bestimmtes, letztendliches Ziel und wurde wie folgt beantwortet: 'Ja, wie soll ich das jetzt wieder verstehen. Ziel. Ich sagte doch, der Weg ist das Ziel. Eh, ich hab kein Ziel. So, so persönlich. Oder was will ich noch erreichen. Kann ich nicht sagen' (Interview D). Als weiterer Aspekt soll die positive Selbstpräsentation betrachtet werden. Nach Mummendey wird mit einer positiven Selbstpräsentation eine soziale Ressource gewonnen, um sozialen Einfluss ausüben zu können. Verbunden hiermit ist ein positiveres Selbstbild, das sich auf Grund der Internalisierung der Selbstpräsentation einstellt. Die positive Selbstpräsentation wirkt stabilisierend auf befreundete Menschen und natürlich auch auf neu erwünschte Kontakte, indem man sich als angenehmer und verlässlicher Partner darzustellen vermag und ist somit ein wichtiger pro sozialer Faktor für das menschliche Miteinander (Mummendey 2002, S. 216f.). Beispiel: 'Man sollte sie nicht, eh, die Prozesse nicht dominieren wollen aber doch sein Quäntchen, und seine Meinung und seine Geradlinigkeit, das ist mir auch ganz wichtig, in all diese Prozesse mit einbringen. Denn das ist das, was uns heute am meisten fehlt, ist, dass Menschen aufrichtig, ehrlich sind und konsequent handeln' (Interview E). Die Qualität der Erhebung beginnt somit in der Erhebungsphase und ist abhängig von den Interviewpartnern und dem Verhalten des Interviewers. 'Die Interviewführung und -haltung hat ihre Grenzen, was das ´Hervorlocken´ angeht, spätestens da, wo Befragte bestimmte Dinge bewusst nicht erzählen wollen [...]' (Helfferich 2005, S. 85). Zudem stellt Flick (2011, S. 166) fest, dass folgende Kriterien bei den Interviewpartner/innen erfüllt sein sollten: Themenwissen, Reflexionsfähigkeit, Teilnahmebereitschaft und genügend Zeit. Eine Zurückhaltung zu bestimmten Dingen ist nicht auszuschließen. Helfferich weist auch darauf hin, dass es schwierig ist zu unterscheiden, ob der Interviewte nicht alles erzählen will oder nicht kann (Helfferich 2005, S. 86). Dennoch können die kommunizierten Inhalte aufgrund des narrativen Settings für die Auswertung der Daten im Hinblick auf die Themenstellung als wahr und relevant angesehen werden. Des Weiteren werden die von Häder in der Untersuchung von 1996 verwendeten Statements zur Zeitordnung verwendet, deren Modifikation sich positiv auf die Validität ausgewirkt haben (Häder 1996, S. 30). Ein in der natürlichen Lebenswelt des Befragten geführtes Interview ist für ein authentisches Erzählergebnis förderlich. Als wissenschaftliche Settings erkannte Situationen könnten dazu führen, sich an wissenschaftliche Relevanzsysteme anzupassen. Für Hopf (1978, S. 99ff.) ist das Kriterium der Reichweite bedeutsam. Auch Problemstellungen, die außerhalb des theoretischen Rahmens liegen und die reale Lebenssituation betreffen, können an Relevanz gewinnen. Da die Interviews im Wohnbereich und in den Räumlichkeiten des Vereins stattfanden, waren optimale Bedingungen gegeben, sich zu öffnen und sich auf authentische Erzählungen einlassen zu können. Die Gespräche fanden in einem Umfeld statt, das den Interviewpartner/innen vertraut war, das sie kontrollieren konnten und in dem sie sich sicher fühlten. Grundsätzlich ist zur Wahrheit mit Bezug auf die Ausführungen von Helfferich zu vermerken, dass es 'kontextgebundene, subjektive Wahrheiten im Plural' gibt, von denen nur eine der vielen wahren Versionen erzählt wird. Als 'Sinnhaftigkeitsunterstellung' geht man davon aus, dass die Erzählungen der Interviewpartner von diesen selbst für wahr gehalten werden. Aufgabe der qualitativen Forschung ist die 'Rekonstruktion von Wahrheiten als standortgebundene und in Bezugssystemen verankerte subjektive Theorien' (Helfferich 2005, S. 64). Zusätzlich muss vermerkt werden, dass ein Überlegenheitsgefühl des Interviewers, sein Wahrheitswissen würde auf Grund seines Literaturstudiums dem des Gesprächspartners überlegen sein, den gesamten Forschungsverlauf negativ beeinflussen würde. Dann würde der Interviewer erwarten, dass der Gesprächspartner sich entsprechend äußern müsste und sein Wissen zu bestätigen hätte (Helfferich 2005, S. 86, 101). Aufgrund der Zurückhaltung und Neutralität des Interviewers wurde diese Beeinträchtigung in der Interviewsituation bereits im Ansatz unterbunden. Für Bortz und Döring ist in einer qualitativen Untersuchung dann Validität gegeben, wenn die wichtigsten Aspekte erschöpfend erfasst sind und die Probanden sich zu dem geäußert haben, zu dem sie befragt worden sind. Dieses beruht auf einer subjektiven Einschätzung. Aus diesem Grunde handelt es sich nach Ansicht von Bortz und Döring auch nicht um ein Testgütekriterium, sondern um eine Zielvorgabe (Bortz & Döring 2006, S. 200). Auch Steinke sieht Probleme der Übertragbarkeit des Gütekriteriums in die qualitative Forschung, da sozialpsychologische Einflüsse auf die Untersuchungssituation nicht auszuschließen sind und es hierdurch zu vielfältigen Artefakten kommen kann, z. B. durch eine nonverbale Verstärkung erwünschter Verhaltensweisen beim Probanden. Die Probanden könnten sich im Sinne einer sozialen Erwünschtheit oder einer vermuteten Hypothese verhalten (Steinke 1999, 161f.). Es war daher in der Interviewsituation wichtig, sich neutral zu verhalten und Symbioseangebote, die z. B. in Rückfragen verkleidet waren, 'Was soll ich Ihnen noch erzählen?' oder 'Soll ich jetzt ausführen...?' in den Verantwortungsbereich des Probanden zurückzugeben, z. B. mit der Antwort: 'Alles was für Sie wichtig ist.' Für Przyborski und Wohlrab bezieht sich die Validität auf die Angemessenheit der theoretischen Konstruktion hinsichtlich des aus dem empirischen Material hervortretenden Phänomens. Das Phänomen wird als bedeutsam erachtet, da dieses der Ausgangspunkt für die Untersuchung ist. Es wird davon ausgegangen, dass die Probanden sinnorientiert handeln. Dieser Sinn muss rekonstruiert werden. Die Validität der qualitativen Methoden ist in dem Maße gegeben, wie sie an die Commonsense-Konstruktionen der Untersuchten anknüpfen (vgl. Przyborski & Wohlrab 2010, S. 26ff.). Der Ausgangspunkt ist hierbei die alltägliche Handlung und die hierüber erfolgenden Erklärungen und Interpretationen der Probanden. Diese werden als Konstruktionen ersten Grades bezeichnet. Bei der Auswertung wurde der Text Zeile für Zeile analysiert. Der Einsatz der Software MAXQDA systematisiert und standardisiert das Verfahren. Die Interpretation erfordert ein Fremdverstehen, zu dem eine biografische und kulturelle Nähe notwendig ist. Gleichzeitig ist eine distanzierte Haltung erforderlich. Durch die kontrollierte Methode des Fremdverstehens (s. folgendes Zitat) wird das Verhältnis zwischen Nähe und Distanz ausbalanciert. 'Methodisch kontrolliertes Fremdverstehen heißt, Bedingungen dafür zu schaffen, dass die Erforschten ihre Relevanzsysteme formal und inhaltlich eigenständig entfalten können. Die einzelnen Äußerungen werden erst in diesem Kontext, innerhalb der Selbstreferenzialität der gewählten Einheit, interpretierbar. Der Prozess des Fremdverstehens ist insofern methodisch kontrolliert, als der Differenz zwischen den Interpretationsrahmen der Forscher und denjenigen der Erforschten systematisch Rechnung getragen wird ' (Przyborski & Wohlrab 2010, S. 31). Die Probanden konnten sich offen in Interviews zum Thema äußern. Diese wurden aufgezeichnet und konnten daher in dem Kontext untersucht werden, den die Probanden selbst hergestellt hatten. In der Konstruktion zweiten Grades werden dann Typen und Theorien gebildet. In dieser Arbeit wurden die Konstruktionen zudem in wissenschaftliche Theorien eingebettet. Die Repräsentativität ist eine Unterform der Validität (Steinke 1999, S. 171). 'Statt statistischer Repräsentativität wird eine symptomatische oder exemplarische Repräsentativität angestrebt.' (Heinz 1995, S. 370). Es geht um die Rekonstruktion sozialer Wirklichkeit. Steinke vertritt die Auffassung, dass Repräsentativität über das theoretical Sampling hergestellt wird und sich auf Konzepte bezieht (Steinke 1999, S. 75). In einem iterativen Prozess werden auf der Grundlage der vorhergehenden Analysen weitere Fälle zur Kontrastierung hinzugezogen und hierdurch ein Forschungsfeld aufgespannt. Die Auswahl neuer kontrastiver Fälle endet dann, wenn keine neuen Erkenntnisse mehr zu erwarten sind. Man spricht dann von theoretischer Sättigung. In dieser Studie wurde die Grounded-Theory-Methodologie nicht als Datenerhebungsmethode gewählt, sondern es wurde ein Leitfaden eingesetzt. Es war daher erforderlich, anhand eines vorher festgelegten Auswahlkriteriums Probanden auszuwählen. Für diese Studie wurde ein harmonisches Sampling hinsichtlich einer angenommenen gleich gelagerten Interessenslage gewählt. Um Cluster von Merkmalen für die Zeitkriterien zu finden, muss eine gewisse Redundanz im Sampling vorhanden sein. Daher war es auch von Vorteil, Interviewpartner/innen aus zwei Freizeitnetzwerken zu finden, um für diese aktive Gruppe eine Aussage treffen zu können. Die in dieser Arbeit getroffenen Aussagen bleiben eng verbunden mit der Personengruppe. Bei einer größer angelegten Studie müsste im nächsten Schritt eine Erweiterung der Auswahl auf andere Personengruppen erfolgen, z. B. auf die so genannten 'Mallorca-Rentner', bis auch hier eine Sättigung festzustellen wäre. Anschließend käme es erneut zu einer Erweiterung bis auch hier eine Sättigung eintritt. Auf diese Weise kann der Umfang, die Komplexität und eventuell der Abstraktionsgrad einer sich entwickelnden generellen Theorie erhöht werden. Breuer räumt andererseits folgendes ein: 'Wir haben es - forschungslogisch betrachtet - grundsätzlich und andauernd mit einem provisorischen Zustand der Falsifizierbarkeit zu tun. Der ´Sättigungsgrad´ ist auf diesem Hintergrund eher als ein pragmatisches Kriterium für die Beendigung des Forschungsprozesses anzusehen, für die eine gewisse Rechtfertigungsverpflichtung besteht.' (Breuer 2010, S. 110). Damit erfolgt zugleich eine Relativierung unserer Möglichkeiten, ein abschließendes Repräsentativitätsergebnis zu erreichen, so dass hier das Postulat der Angemessenheit anzuwenden ist.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung5
1.1 Das Thema5
1.2 Relevanz6
1.3 Überblick über den Aufbau der Arbeit6
2. Theorieteil9
3. Untersuchungsdesign17
3.1 Forschungsansatz17
3.2 Zugang zum Forschungsfeld19
3.3 Datenerhebung20
3.4 Datenauswertung24
4. Qualität und Gütekriterien30
4.1 Validität30
4.2 Reliabilität37
4.3 Objektivität37
5. Auswertung und Ergebnisse38
5.1 Zeit ausfüllen39
5.2 Kontexte40
5.3 Zeiterleben50
5.4 Zeitperspektiven55
5.5 Strategien67
5.6 Feinkodierung77
5.7 Klassifikation78
5.8 Zeitbewusstseinsformen84
6. Ergebnisdiskussion und Ausblick87
Literatur- und Quellenverzeichnis91
Verzeichnis der Tabellen98
Verzeichnis der Abbildungen98
Verzeichnis der Anlagen98

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