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Was ist Sünde? Antworten aus der Sicht evangelischer Theologen des 20. Jahrhunderts

AutorMathias Wilhelm
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl66 Seiten
ISBN9783955498573
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Sünde, ein veralteter Begriff! Kaum jemand versteht heutzutage noch dieses mittelalterlich klingende Wort. Und dennoch ist die Wirklichkeit im menschlichen Dasein, die sich hinter diesem Wort verbirgt, ein Phänomen von höchster Brisanz. In diesem Buch wird den Erklärungsansätzen von Theologen des 20. Jahrhunderts nachgegangen, die sich mit dem Phänomen menschlicher Sünde aus unterschiedlichen Richtungen anzunähern versuchten. Sowohl aus rational-humanwissenschaftlicher als auch aus offenbarungstheologischer Perspektive lassen sich Verstehenshilfen gewinnen, die den verstaubten Begriff der Sünde inhaltlich renovieren können. Kernstück bildet die Darstellung der Konzeptionen zum Thema 'Sünde' in den systematischen Entwürfen von Paul Tillich, Wolfhart Pannenberg, Wilfried Joest und Eberhard Jüngel. Zudem werden Fragen nach der Wurzel der Sünde, nach dem Zusammenhang zwischen Sünde und Schuld und zwischen Sünde und Tod aus den verschiedenen Perspektiven der Quellautoren dargestellt und diskutiert.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel IV.1, Kritisches Resümee: Während nun also JÜNGEL von einer totalen Unfähigkeit des Menschen, seine eige-ne Sünde ohne die Offenbarung des Wortes Gottes im Evangelium erkennen zu können, spricht, betont PANNENBERG die Annahme einer partiellen Erkenntnismög-lichkeit eines Sachverhaltes, der mit dem theologischen Begriff der Sünde ange-sprochen ist, auch ohne Offenbarungskondition. Diese Vorstellung versucht PANNENBERG anhand der erkennbaren Wider-sprüchlichkeit in der Konsistenz menschlichen Lebensvollzugs nachzuweisen, in-sofern der Mensch auch ohne Offenbarung sich selbst als ein Wesen wahrnehmen könne, das seiner wesenhaften exzentrischen Bestimmung nicht entspräche. Den-noch räumt er ein, dass diese Widersprüchlichkeit erst im Lichte der Offenbarung als Sünde gegen Gott identifizierbar sei. D.h., dass im Grunde auch PANNENBERG eine Offenbarung voraussetzt, wenn es um die Erkenntnis der eigenen Wider-sprüchlichkeit im Lebensvollzug als Sünde im Gottesverhältnis geht. Ähnliches gilt auch für JOEST. Er versteht die natürliche Erkenntnisfähig-keit, aus der heraus das menschliche Rechtsbewusstsein kommt, dem eine partiel-le Übereinstimmung mit dem göttlichen Anspruch attestiert werden kann, als In-diz für ein 'Wirken der erhaltenden Treue Gottes zu seiner Schöpfung'. Sofern dieses Wirken Gottes außerhalb der Begegnung mit Jesus Christus und dem in ihm personifizierten Zu- und Anspruch Gottes stattfindet, also den An-schein einer zwar gottgewirkten, doch ohne bewusstes Erlebnis einer Offenbarung gesetzeskonformen Handlung hat, müsste laut JOEST von der Annahme eines ano-nymen Wirkens Gottes ausgegangen werden. Und in diesem Wirken ist selbstver-ständlich kein anderer Gott vorstellbar als eben derjenige, der sich durch Jesus Christus dem Menschen mit seinem An- und Zuspruch geoffenbart hat. So löst auch JOEST sich nicht von der Vorstellung einer prinzipiellen Ab-hängigkeit der Gesetzes- und Sündenerkenntnismöglichkeit des Menschen von Gottes initiativem Wirken, wohl aber von der Vorstellung einer für Gesetzesbefol-gung notwendig bewussten Begegnung mit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus. Hier besteht kein wirklicher Widerspruch zum Versuch PANNENBERGs das Wesen der Sünde als einen nicht-theologischen Sachverhalt anthropologisch zu beschreiben. Jedoch formuliert PANNENBERG die Möglichkeit außerchristlicher Er-kenntnis eines Sachverhalts, der mit dem theologischen Begriff der Sünde konver-gieren soll, sehr detailliert aus, so dass hier eine Anknüpfungsmöglichkeit für christliche Rede von der Sünde besteht. JOEST hingegen bleibt eine entsprechende Ausformulierung schuldig. Dennoch lässt sich dies wohl daraus erklären, dass JOEST an einer außer-christlichen Sündenerkenntnis aufgrund ihrer Unvollkommenheit nicht weiter in-teressiert ist. Es geht ihm vielmehr um die größtmögliche Tiefe menschlicher Sün-denerkenntnis, die allein im Gottesverhältnis sichtbar wird. Während also PANNEN-BERG die Erkenntnismöglichkeit von menschlicher Sünde als Störung im Gottes-verhältnis zuerst nicht ins Auge fasst, nimmt JOEST genau umgekehrt zunächst gerade diese zum Ausgangspunkt seiner Ausführungen. Dementsprechend muss der Sündenbegriff in den diversen Erscheinungsformen der drei Verhältnisbestim-mungen menschlichen Daseins differenziert betrachtet werden, um dessen Er-kenntnismöglichkeit adäquat beschreiben zu können. Es scheint prinzipiell im Gottesverhältnis die Unkündbarkeit einer Offen-barungskondition für die Sündenerkenntnis des Menschen vorzuliegen. Zudem ist die Unvollkommenheit - oder mit JOEST gesprochen, die Zweideutigkeit - einer Analyse des Sachverhaltes, der mit dem theologischen Begriff der Sünde konver-gieren soll, im Welt- und Selbstverhältnis des Menschen festzuhalten.
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