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E-Book

Auch Zahlen haben Gefühle

Warum sie romantisch, sozial oder selbstverliebt sein können und was sich sonst noch mit Mathematik anstellen lässt

AutorMatt Parker
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl496 Seiten
ISBN9783644050013
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Matt Parker lebt Mathematik. Sekunden nur braucht er, um jeden Namen im binären Code niederzuschreiben. 2012 hat er mit seinem Team einen funktionierenden Computer aus Dominosteinen gebaut (im Buch erfährt man, wie man es macht). Seine Videos auf Youtube wurden inzwischen über fünf Millionen Mal aufgerufen. Parker betreibt Mathematik nur aus einem Grund: weil es Spaß macht. Und so ist auch sein Buch. Hier stimmt es einmal wirklich: Dieses Buch will nicht belehren; es will einfach zeigen, wie es geht. Sie lesen Näheres über seltsame Phänomene wie alberne Zahlen, Primknoten, narzistische Zahlen und ihre lügnerischen Vettern, die Münchhausen-Zahlen, lösen das Pizza-Problem und teilen den Würfelknoten, bugsieren eine Euromünze durch einen dafür viel zu kleinen Kreis aus Pappe und erfahren, wie man einen 4-D-Würfel basteln oder mit nur zehn Fingern eine Million Zahlen darstellen kann. Und das alles so reich, aber auch einfach illustriert, dass jedermann sofort versteht, worum es geht.

Matt Parker, 33, wuchs in Perth, Australien, auf. Nach seinem Studium der Mathematik und Physik arbeitete er zunächst als Lehrer und zog dann nach London um. Der Stand-up-Comedian absolviert neben seinen Tourneen TV-auftritte bei BBC und Channel 4 und schreibt zudem Kolumnen für den Guardian und die Times. Auch als Fellow der Mathematischen Fakultät der Queen Mary University of London kümmert er sich um die Popularisierung von Mathematik.

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Leseprobe

Null

Das NULLTE Kapitel


Schauen Sie sich um und beschaffen Sie sich ein Trinkgefäß, egal, ob es ein Bierglas oder ein Kaffeebecher ist. Obwohl es anders wirkt: Der Umfang des Glases ist höchstwahrscheinlich größer als seine Höhe. Ein Bierglas sieht vielleicht so aus, als sei es deutlich höher als «dick», doch ein Standard-Bierglas hat tatsächlich einen Umfang, der seine Höhe deutlich übertrifft. Das gilt auch für den Umfang eines Kaffeebechers der in unseren Großstädten allgegenwärtigen Starbucks-Cafés. Deshalb schlug ich ihnen vor, ihren Becher den «kurzen Dicken» zu nennen, doch sie wollten nicht.

Nutzen Sie die Sache zu Ihrem Vorteil aus, es ist ganz einfach: Wenn Sie das nächste Mal in einer Kneipe, in einem Café – oder wo auch immer die Art Getränk serviert wird, die Sie schätzen – kostenlos etwas trinken wollen, wetten Sie einfach mit jemandem, dass sein Trinkgefäß einen größeren Umfang hat, als es hoch ist. Wenn es sich in der Kneipe um einen Glaskrug (mit Henkel) oder in einem Café um einen unverschämt großen Becher handelt, haben Sie schon gewonnen: Der Umfang dieser Gefäße beträgt in der Regel mehr als das Doppelte ihrer Höhe. Also können Sie sogar ganz lässig zwei aufeinander stellen und behaupten, der Umfang sei immer noch größer als die Höhe. Wenn Sie dann allerdings ein Maßband aus der Tasche ziehen, könnten Ihre Opfer womöglich an der Spontanität Ihrer kleinen Vorführung zweifeln; benutzen Sie also lieber einen herumliegenden Trinkhalm oder dessen Papierhülle als behelfsmäßiges Lineal.

Der «Trick» funktioniert bei sämtlichen Gläsern außer den allerschlanksten. Wenn Sie Ihr Glas zunächst prüfen möchten, ohne Verdacht zu erregen, versuchen Sie, es mit einer Hand zu umfassen. Ihre Finger und Ihr Daumen werden sich auf der anderen Seite nicht treffen. Nun versuchen Sie mit Daumen und Zeigefinger die Höhe des Glases zu überspannen – wahrscheinlich wird’s klappen (oder zumindest fast). Das zeigt überzeugend, um wie viel höher Gläser sind als ihr Umfang.

Dies ist genau die Art Mathematik, von der ich mir wünsche, dass mehr Leute darüber Bescheid wüssten: die überraschende, die unerwartete Mathematik, und – am wichtigsten – die Art Mathematik, mit der man ein Freibier bekommen kann. Mein Ziel in diesem Buch ist es, Ihnen all die unterhaltsamen Seiten der Mathematik zu zeigen. Es ist eine Schande, dass die meisten Leute meinen, Mathematik sei das, was ihnen in der Sekundarstufe eingetrichtert wurde: Sie ist tatsächlich sooooo viel mehr!

Manchmal kann Mathematik tatsächlich gähnend langweilig sein. Wenn man in irgendeiner Schule zufällig in eine Mathestunde gerät, wird man höchstwahrscheinlich den Eindruck gewinnen, dass ein Großteil der Schüler nicht voller Begeisterung bei der Sache ist, um es freundlich auszudrücken. Ich fürchte, dass die Pennäler in einer solchen Klasse zu den uninspirierten Mathematikschülern gehören, von denen eine Generation auf die andere folgt. Es wird jedoch ein paar Ausnahmen geben. Einige dieser Schüler werden es lieben und den Rest ihres Lebens von Mathematik begeistert sein. Woran haben sie diesen Spaß, der den anderen entgeht?

Ich war einer dieser Schüler: Ich konnte durch all die langweiligen Übungen hindurch das Herz der Mathematik erkennen, die Logik, die hinter allem steht. Doch ich konnte auch den Frust meiner Mitschüler nachempfinden, vor allem der Sportskanonen. In der Schule fürchtete ich das Fußballtraining so wie viele andere die Mathestunden. Ich konnte jedoch verstehen, was all dieses Dribbeln mit einem Fußball um orange-weiß geringelte Hütchen sollte: Man baut ein Grundrepertoire an Fähigkeiten auf, um loslegen zu können, wenn man ein echtes Spiel austrägt. Und deshalb verstand ich auch, warum meine sportlichen Klassenkameraden Mathe hassten: Es ist widersinnig, Schüler die Grundfähigkeiten üben zu lassen, die für Mathematik nötig sind, sie dann aber nicht auf die mathematische Spielwiese zu lassen, damit sie ihren Spaß haben können.

Das ist es, was die Mathebegeisterten wussten. Darum kann man auf Mathematik eine Karriere aufbauen. Wenn Leute in der mathematischen Forschung arbeiten, dann zählen sie nicht nur immer größere Summen zusammen oder führen immer längere Divisionen durch, wie manche glauben. Das wäre so, als ob ein Profi-Fußballer nur immer schneller um die Hütchen dribbelte. Profi-Mathematiker nutzen die erlernten Fähigkeiten und die Techniken, die sie sich erarbeitet haben, um das Spielfeld der Mathematik zu erforschen und Neues zu entdecken. Vielleicht jagen sie nach Formen in höheren Dimensionen, versuchen neue Zahlentypen zu finden oder erforschen eine Welt jenseits des Unendlichen. Sie rechnen jedenfalls nicht einfach nur herum.

Darin liegt das Geheimnis der Mathematik: Es ist ein einziges großes Spiel. Professionelle Mathematiker lieben es zu spielen. Und darum geht es auch in diesem Buch: Ihnen diese Welt aufzutun und Ihnen die Freiheit zu geben, mit Mathematik zu spielen. Auch Sie können sich wie ein erstklassiger Mathematiker fühlen, und falls Sie schon eines dieser Kinder waren, die Mathe lieben, gibt es noch immer eine Unmenge an Neuem zu entdecken. Alles in diesem Buch beginnt mit Dingen, die man tatsächlich herstellen und machen kann. Man kann ein vierdimensionales Objekt bauen, sich originelle Zerlegungen ausdenken und unglaubliche Knoten knüpfen. Ein Buch ist zudem ein erstaunliches Stück Technik mit einem hochmodernen Pausenmodus. Wenn Sie innehalten und eine Weile mit einem mathematischen Puzzle herumspielen möchten, so können Sie das tun. Das Buch rührt sich nicht vom Fleck, alle Wörter bleiben an Ort und Stelle und warten auf Ihre Rückkehr.

Alle besonders aufregenden, wegweisenden technischen Entwicklungen basieren letztlich auf Mathematik, von der Datenverarbeitung, die hinter der modernen Medizin steckt, bis zu den Gleichungen, die die Textbotschaften zwischen Handys übermitteln. Und selbst ganz maßgeschneiderte mathematische Technologie basiert letztlich darauf, dass irgendein Mathematiker den spielerischen Versuch machte, ein Rätsel zu lösen.

Das ist das Wesen der Mathematik. Es ist das Streben nach Mustern und Logik um ihrer selbst willen; es geht darum, unsere Neugier spielerisch zu befriedigen. Neue mathematische Entdeckungen können zahllose praktische Anwendungen haben – und unter Umständen verdanken wir ihnen unser Leben –, doch selten werden sie vornehmlich aus diesem Grund entdeckt. Wie schon der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman über sein eigenes Fachgebiet gesagt haben soll: «Physik ist in vieler Hinsicht wie Sex; natürlich kann er zu praktischen Ergebnissen führen, das ist aber nicht der Grund, warum wir’s tun.»

Ich hoffe, es gelingt mir, die Mathematik, die Sie in der Schule gelernt haben, ins rechte Licht zu rücken. Ohne diese Schulmathematik blieben all die anderen interessanten Mathe-Felder unerreichbar. Jeder Schüler erinnert sich zumindest vage an die mathematische Konstante π (Pi, rund 3,14), und einige entsinnen sich vielleicht sogar, dass π das Verhältnis vom Umfang eines Kreises und dessen Durchmesser definiert. Dieses π sagt uns also, dass der Umfang eines Glases mehr als dreimal so groß ist wie der Durchmesser. Und es ist der Durchmesser, den die meisten Leute im Blick haben, wenn sie abschätzen, wie hoch ein Glas ist – wobei sie vergessen, ihn mit π zu multiplizieren. Dabei geht es um mehr, als sich an eine Verhältniszahl zu erinnern, hier muss sie sich in der Wirklichkeit bewähren.

Leider dreht sich die Mathematik in der Schule nur selten darum, wie man in einer Kneipe an ein...

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