Wie ist eigentlich mein Kind?
Fünf klassische Kindertypen und wie man mit ihnen umgeht
Hilfe, die Kinder kommen!
Es ist so weit. Heute sollen die Kinder kommen und Sie sind vielleicht zum ersten Mal allein mit ihnen. Wirklich allein, nicht nur eine Stunde, während Ihre Partnerin beim Einkaufen ist und allwissend längst alles Nötige bereitgestellt hat. Da kann es einem schon mulmig werden …
Diese Nervosität ist normal! Sie werden wesentlich gelassener sein, wenn Sie wissen, wer da gleich Ihr Appartement in Besitz nimmt. Welches Wesen hat Ihr Sohn? Welcher Charakterzug ist bei Ihrer Tochter dominant? Es gibt zwar kein Patent-Erziehungsrezept, aber durch ein »typgerechtes« Eingehen auf Ihr Kind können Sie für deutlich mehr Entspannung sorgen.
Stark vereinfacht lassen sich unsere Lieben in fünf Charaktertypen einteilen14:
- Der Umtriebige
- Der Anführer
- Der Star
- Der Schlichter
- Das Seelchen
Ein Tipp vorweg: Gerade zu Beginn Ihres »Kennenlernens« werden Sie immer wieder zu hören bekommen: »Mama macht das aber anders.« Gut so! Jeder von uns ist unterschiedlich, Männer und Frauen erziehen anders, nicht nur, wenn sie getrennt leben. Idealerweise sollten Sie sich mit Ihrer Ex über die grundsätzlichen Erziehungsziele austauschen. Gelingt das nicht, können Sie als Teilzeitvater nicht das Rad neu erfinden. Selbst wenn Sie bestimmte Grundsätze der Mutter missbilligen, sollten Sie diese akzeptieren. Schließlich ist Ihr Kind nach dem Besuch wieder bei der Mutter zu Hause.
Aber als Vater dürfen Sie Ihren eigenen Weg gehen. Haben Sie den Mut dazu! Und sollte Ihr Sprössling wieder einmal das oben genannte Totschlagargument vorbringen, dann beziehen Sie Ihr Kind mit ein: »Was meinst du, wie wollen wir beide es jetzt tun?« Sie werden überrascht sein über die kreativen Ideen. Doch nun ist es endlich so weit: Welcher der fünf Typen marschiert gleich zur Tür herein?
Der Umtriebige
Kaum betritt ein Kind dieses Typs den Raum, ist es vorbei mit der Ruhe. Wie ein Orkan fegt es durchs Zimmer und kann kaum stillsitzen. Im Umgang mit ihm hat man stets das Gefühl, man ist zu spät und weiß noch nicht einmal, für was. Der Umtriebige erzählt ohne Unterlass. Alles wird kommentiert. Vor seinem inneren Auge läuft vieles zeitgleich ab, sodass sich ein derart reges Kind schnell mal in seiner Schilderung verhaspelt. Egal, rasch weiter, es gibt noch so viel zu entdecken! Kaum wacht es morgens auf, läuft der Motor auf Hochtouren. Abends findet es vor lauter Energie schwer zur Ruhe. Seine Spiele sind actionreich, häufig laut und turbulent. Entsprechend bevorzugt es Spielorte, an denen man wild toben darf.
Stillsitzen oder gar ruhige Mahlzeiten sind nichts für Umtriebige. Das sieht man diesen drahtigen Konditionsbündeln äußerlich an. Mit vollem Körpereinsatz erkunden sie aktiv die Welt. Zwänge sind solchen Kindern lästig. Viel lieber wenden sie sich Themen zu, die sie für spannend erachten. Dabei bekommen sie oft nicht mit, wenn sie über die berechtigten Interessen anderer hinwegstürmen. Wo sie sind, ist vorne! Problematisch wird es, wenn sich ihnen jemand in den Weg stellt. Verbote, auch Gesprächsregeln, übergehen sie gern. Geduld ist schließlich nicht ihre Kernkompetenz. Fühlen sie sich in ihrem Drang gebremst, kann das Pendel binnen Sekunden von einem Extrem ins andere umschlagen und sie reagieren mit wortgewaltigen Zornausbrüchen oder handfesten Wutattacken. Vollkommen überrascht sind zunächst die Wildfänge selbst. Aber auch ihre Mitmenschen sind oft gnadenlos überfordert. Jeder, der seinen Sonnenschein schon einmal kreischend auf dem klebrigen Fußboden einer Eisdiele erlebt hat, weiß ein Lied davon zu singen. In dieser Phase sind Sie als Vater machtlos. Da hilft nur, den Schreihals an einen Ort zu lotsen, wo er sich austoben darf. Erst dann sind seine Ohren wieder frei, um zu hören, was Sie sagen.
Regeln als Richtlinien
Je ruhiger Sie auf das cholerische Gehabe reagieren, umso schneller zieht der Sturm vorüber. Das ist leicht gesagt, erfordert allerdings viel Übung: Das regelmäßige Training muss in entspannter Atmosphäre ansetzen und besteht aus verschiedenen Komponenten. Zunächst hilft es, den Tagesablauf klar zu strukturieren. Der »Hansdampf in allen Gassen« bekommt sein inneres Chaos durch klare Vorgaben besser in den Griff und es fällt ihm leichter, seine Pflichten zu erfüllen, wenn er diese immer zur gleichen Zeit und unter denselben Bedingungen tut. Zudem benötigt ein umtriebiges Kind stets eine deutliche Rückkopplung durch uns Erwachsene.
Da in seinem Kopf immer Action angesagt ist, stellen Sie bei einer Ansprache jederzeit sicher, dass Ihr Kind Sie auch hört. Schnell von hinten etwas zurufen funktioniert selten. Besser ist es, wenn Sie Ihrem Kind in die Augen blicken, seine Hand halten und mit klarer, fester Stimme sprechen. Vermitteln Sie die Ruhe, die Ihrem Kind fehlt, und lenken Sie es mit Geduld.
So lenken Sie Ihr ungestümes Kind
- Dem Kind in die Augen schauen
- Körperkontakt
- Ruhige und klare Stimme
- Geduldig bleiben
Entscheidend ist dabei Ihre ausdauernde Konsequenz. Erst zu reagieren, wenn sich die Situation aufgeschaukelt hat, bringt nichts. Aufgrund seines lebhaften Naturells bekommt Ihr Kind die Warnsignale in dieser Phase schlicht nicht mit und erschrickt über Ihre Explosion umso mehr. Vermitteln Sie deshalb immer und immer wieder mit vorhersehbaren Reaktionen, wie es frühzeitige Zeichen richtig deutet. Kommt es allerdings doch zum Wutanfall, helfen eingeübte Alternativen, den Zorn zu kanalisieren: Statt sich auf den Boden schmeißen, ein Handtuch kraftvoll »auswringen«, statt unflätig herumbrüllen, leise ein Gedicht rezitieren. Ist der erste Sturm vorüber, kommt sehr schnell wieder das fröhliche Kind zum Vorschein.
Möglichkeiten zum Abreagieren
- Kraftvoll ein Handtuch auswringen
- In ein Kissen boxen
- Auf einem freien Feld ein paar Sprints machen
- Rasch einen Gang auf und ab laufen
Wenn das nicht geht, hier ein paar »stille« Alternativen
- Leise ein vorher überlegtes Quatschgedicht rezitieren
- In Gedanken leise bis 20, 30 … zählen
- Den Glücksstein in der Hosentasche streicheln und tief durchatmen
Mit großer Offenheit geht Ihr Wildfang auf Mitmenschen zu. Allerdings birgt dies auch Gefahren und wir sind gefordert, unsere Kinder in ihrer Vertrauensseligkeit sensibler zu machen. Üben Sie deshalb Regeln ein! Nicht Panikmache ist das Ziel, sondern die Vermittlung eines gesunden Respekts vor potenziellen Risiken. Sollten Sie unsicher sein, bitten Sie die Kindergärtnerin oder Lehrerin um Unterstützung. Außerdem gibt es eine Reihe sehr guter Kinderbücher, die altersgemäß und frei von Angst Verhaltenstipps geben.
Bücher zum Thema
- Juul, Jesper: Aggression. Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014.
- Heueck-Mauß, Doris: Das Trotzkopfalter: Der Ratgeber für Eltern von 2- bis 6-jährigen Kindern. Der richtige Umgang mit kindlichen Emotionen. Das Erziehungs-ABC mit Tipps und Strategien, Humboldt Verlag, Hannover 2013.
- Geisler, Dagmar: Wohin mit meiner Wut? Emotionale Entwicklung für Kinder ab 5, Loewe Verlag, Bindlach 2012.
- Schreiber-Wicke, Edith: Knut hat Wut, Thienemann-Esslinger Verlag, Stuttgart 2014.
Als Vater können Sie durch die Wahl der richtigen Sportart ebenfalls helfen, Ihrem Wirbelwind Sicherheit mit auf den Weg zu geben. Beispielsweise werden im Kampfsport Techniken der Selbstverteidigung gelehrt, die gerade leutseligen Kindern etwas Schutz bieten. Außerdem bauen sie den Bewegungsdrang Ihres Umtriebigen ab, schulen Konzentration und vermitteln ein ausgezeichnetes Körpergefühl. Selbstverständlich kann auch mit dem guten alten Fußball Ähnliches erreicht werden, so wie eigentlich jeder Mannschaftssport Fairplay schult und überschüssige Energie abbaut. Bietet man andererseits einem Wirbelwind kein Ventil, richtet sich seine Power schnell gegen andere Kinder.
Mit Aufgaben richtig wichtig
Kanalisieren lässt sich diese Kraft, wenn man sich die fürsorgliche Art der umtriebigen Kinder zunutze macht. Sie haben viel Energie, eine Reihe von Aufgaben zu erfüllen, solange dabei für sie eine interessante Beschäftigung herausspringt. Mit erstaunlicher Ausdauer hegen sie beispielsweise einen Hund. Oder sie bespaßen einfallsreich jüngere Geschwister. Entscheidend ist, dass sie die Aufgabe nicht überfordert, denn nur dann können sie zeigen, was in ihnen steckt. Sie genießen die »Wichtigkeit« ihrer Rolle und fühlen sich durch positive Rückmeldung bestärkt. Aber achten Sie darauf, dass ihr Temperament im Spiel mit den Kleineren nicht mit ihnen durchgeht. Gerade jüngeren Kindern fehlt das nötige Maß an Weitsicht, um Risiken abzuschätzen. Allerdings wachsen sie mit ihren Aufgaben.
5 Basics für Väter von Umtriebigen
- Reagieren Sie in allem mit Ruhe.
- Reden Sie frühzeitig mit Ihrem Kind, nicht erst, wenn Sie gleich explodieren.
- Achten Sie konsequent darauf, dass vereinbarte Regeln eingehalten werden.
- Sorgen Sie mit einem strukturierten Ablauf des Alltags für Ruhe.
- Üben Sie Möglichkeiten ein, Wut abzubauen, ohne dass sie sich gegen das Kind oder andere richtet. Mit...