»Wir fordern euch auf, eure Augen und Ohren, eure Gedanken und Herzen zu öffnen ...«
Dieses Buch möge dazu dienen, alle Menschen unserer Erdmutter und allen Dingen der Schöpfung, die uns umgeben, näherzubringen. Es ist dazu gedacht, uns diese weitreichende Beziehung zwischen allen Wesen und Dingen des Universums verständlich zu machen. Oftmals überkommt uns das Gefühl, daß irgend etwas Wesentliches in unserem Leben zu fehlen scheint. Wir verspüren ein Verlangen, der Natur und den natürlichen Kräften näher zu sein. Wir hoffen, daß dieses Buch euch helfen möge, euren Platz auf dem Medizinrad zu finden und euch in den Kräften wiederzuentdecken, die euch so lange verschlossen waren. Wir hoffen, daß ihr eine Verwandtschaft mit dem Universum entdecken werdet und damit begreifen lernt, warum diese Beziehung von den indianischen Völkern so hochgeschätzt wurde. Wenn ihr euch fähig erweist, mit allen Dingen des Universums zu verschmelzen, werdet ihr wahrhaftig ein Teil des Ganzen sein.
Das Wissen des Medizinrades wird in unserer heutigen Zeit dringend benötigt. Wir glauben, daß eine wachsende Menschlichkeit einhergehen muß mit einem besseren Verständnis unserer Umwelt. Gerade die Entfremdung des Menschen von seiner natürlichen Umwelt ist die Ursache vieler Krankheiten. Heute versuchen viele Menschen, ihr natürliches Gleichgewicht wiederherzustellen. Sie wenden sich im Zuge einer umfassenden »Zurück aufs Land«-Bewegung wieder einer natürlichen Ernährung und Heilkunde zu. Selbst in unserer industrialisierten Gesellschaft verspüren Menschen wieder das Bedürfnis, das Gleichgewicht mit der Natur wiederherzustellen. In dieser Zeit der Besinnung bieten wir euch die Lehren des Medizinrades an.
Mit diesem Buch fordern wir euch auf, eure Vorurteile beiseite zu werfen und mit uns in eine magische Welt hineinzutauchen, in der alle Dinge mit euch verbunden sind und ihr mit ihnen. Diese magische Welt ist nichts anderes als die sehr reale und schöne Erde, auf der ihr alle und eure Verwandten, mit denen ihr diese Erde teilt, stets einhergeht.
Wir fordern euch auf, eure Augen und Ohren, eure Gedanken und Herzen zu öffnen und das Magische zu erkennen, das euch stets umgibt. In unserer heutigen Zeit neigt man dazu, die Erde als eine bloße Kulisse für das menschliche Tun und Treiben und Mineralien, Pflanzen und Tiere als bloße Diener der Menschheit zu betrachten. Längst haben wir vergessen, daß sie auch unsere Lehrer sein können; daß sie in uns eine Welt von Gedanken und Gefühlen erschließen können, gegen die sich das menschliche Herz schon viel zu lange verschlossen hat.
Wir haben vergessen, daß wir nicht alleine mit unserer menschlichen Familie in enger Verbindung stehen, sondern mit all unseren Verwandten auf dieser Erde. Wir haben vergessen, daß wir für sie ebensoviel Verantwortung zu tragen haben wie für unsere menschliche Familie. Wir halten uns selbst in der Enge von Menschenhand erschaffener, kleiner Welten gefangen.
Wir haben vergessen, wie man die Geschichten und Lieder, die die Winde mit sich tragen, hört. Wir haben vergessen, auf die Weisheit der Steine zu hören, die seit Urbeginn aller Zeiten ihren Platz auf dieser Erde haben. Wir haben vergessen, wie uns das Wasser zu erfrischen und zu erneuern vermag.
Wir haben vergessen, auf die Pflanzen zu hören, während sie uns darauf hinweisen, welche von ihnen wir verzehren sollen, um wohlauf zu bleiben. Wir haben die Fähigkeit verloren, den Tieren zu lauschen – während sie uns beständig ihr Wissen, ihr Lachen, ihre Liebe und Nahrung anbieten. Wir haben uns all diesen Verwandten verschlossen und fragen uns dennoch, warum uns so oft die Langeweile und Einsamkeit überfällt.
Das Medizinrad ist ein magischer Kreis, der die ganze Welt in sich einschließt. Während du ihn umwanderst, wirst du in ihm und außerhalb seiner Grenzen auf unzählige Wunder stoßen. Mit viel Beharrlichkeit wirst du sogar das Wunderbare erreichen können, dich selbst kennenzulernen: Wer du bist, über welches Wissen du verfügst, und was du in diesem Leben verwirklichen kannst.
Die indianischen Völker wußten um diesen magischen Kreis. Sie respektierten ihn und setzten ihn häufig in ihrem alltäglichen Lebensablauf ein, damit sie stets an das, was sie durch ihn gelernt hatten, erinnert wurden. Wenn sie ihre Unterkünfte errichteten, so waren diese oft kreisförmig angelegt, ob es sich nun um Tipis, Wigwams oder Hogans handelte. Wenn sie ihren Körper und Geist reinigen wollten, so taten sie dies im Kreis der Schwitzhütte, welcher den Schoß der Erdmutter symbolisierte, die sie nährte. Wenn sie sich zu Beratungen zusammenfanden, saßen sie in einem Kreis, der alle Anwesenden als Gleichberechtigte mit einer gleichberechtigten Stimme in sich einschloß.
Wenn sie zusammen Musik machten, dann auf einer runden Trommel, wenn sie tanzten, dann im Kreis. Das Schlagen der Trommel repräsentierte das Schlagen ihrer Herzen und des Herzens der Erdmutter. Sie reckten Arme und Beine gen Himmel, ließen diese wieder zur Erde fallen und zeichneten somit mit Hilfe ihrer Körper einen Kreis, der Himmel und Erde in sich einschloß.
Sie betrachteten das menschliche Leben als einen Kreis: Geburt – Tod – Wiedergeburt. Sie wußten, wie sie die Kreise ihres eigenen Lebens anzuerkennen und zu feiern hatten, um in der Lage zu sein, mit den wechselnden Energien der verschiedenen Altersstufen fließen und sich verändern zu können. Sie wußten, daß sie, ähnlich den Jahreszeiten, verschiedene Seinsphasen zu durchwandern hatten, während der Kreislauf des Lebens und der Zeit um sie herum fortschritt. Sie wußten, daß eine Ablösung aus diesem Kreise hieße, den Lebensrhythmus zu verlieren und im inneren und äußeren Wachstum einzuhalten.
Der Kreis war ihnen so wichtig, so wesentlich für das Fortschreiten des Lebens in den notwendigen Bahnen, daß sie ihn in ihren Zeremonien und gesellschaftlichen Strukturen verewigten. Die Hügel der Hügelkulturen waren rund. Die Kalender der Azteken waren rund und die steinernen Medizinräder ebenso. So erinnerten sie sich in allen Dingen stets daran, daß die Erde und alle Wesen der Schöpfung Teil eines magischen Lebenskreises sind.
Um dir diesen Kreis ins Gedächtnis zurückrufen zu können, mußt du nur daran denken, daß du stets auf ihm wanderst. Du trittst an einem bestimmten Ausgangspunkt in den Kreis ein. Dieses Eintreten verleiht dir gewisse Kräfte, Fähigkeiten und Verantwortlichkeiten. Dein Ausgangspunkt wird von dem Mond oder Monat bestimmt, in dem du geboren bist. Verschiedene Ausgangspunkte werden von verschiedenen Elementeklans beeinflußt, welche das Element anzeigen, dem du angehörst. Dieser Klan hat nichts mit den verwandtschaftlichen Klans zu tun, wie sie in den meisten indianischen Stämmen existierten – sie wurden von dem Klan der Eltern bestimmt und konnten wiederum festsetzen, welche irdischen Pflichten und Verantwortlichkeiten man innehatte und in welche Familie oder welchen Klan man einheiraten konnte. Die Klans der Elemente hingegen bestimmen allein deine Beziehung zu den Naturelementen und sind wie alle anderen Punkte auf dem Medizinrad nicht statisch. Die Ausgangspunkte werden auch von den geistigen Hütern ihrer Himmelsrichtung beeinflußt.
Es war in den alten Tagen wesentlich, sein Leben so zu führen, daß man beständig den Kreis umwanderte. Dies ist auch heute noch von gleich großer Bedeutung. Wenn man bei einem Mond, einem Totem und seinem Element verharrt, verfällt man zwangsläufig in eine starre Unbeweglichkeit – und Unbeweglich-Sein heißt, im Wachstum einzuhalten und das Wissen um die Verbindung mit der Ganzheit des Rades zu leugnen. Es ist gleichbedeutend damit, den Fluß der Lebenskraft durch sein bloßes Sein zu unterbinden.
Während du den Kreis durchwanderst, hast du die Verantwortung, die verschiedenen Monde, Totems, Pflanzen und Elemente kennenzulernen, deren Pfad du kreuzt. Auf diese Weise erfährt dein eigenes Leben eine stete Veränderung, und deine Lebenskraft schlägt ohne Unterlaß in der Tiefe deines Herzens.
Das ist unsere Vision des Medizinrades. Wir erkennen darin eine Möglichkeit, die Menschen dazu anzuhalten und anzuleiten, sich stetig zu verändern, zu wachsen, sich dem Leben und all ihren Verwandten auf dieser Erde zu öffnen. Ebenso erkennen wir, daß es eine Vision des Jetzt ist, in der wir so vieles von dem Wissen, das die Menschen früher noch besaßen, längst vergessen haben. Es ist eine Vision, die den Menschen dazu verhelfen mag, ihr oftmals eintöniges und einsames Dasein allein durch die Beweglichkeit ihrer Gedanken und Herzen hinter sich zu lassen. Und für jene wenigen, die Langeweile und Einsamkeit nicht kennen, ist es eine Möglichkeit, noch mehr Bewegung und Liebe in ihrem Dasein zu entdecken. Am meisten jedoch dient das Medizinrad dazu, sich selbst in all seinen vielfältigen Erscheinungsformen und Richtungen kennenzulernen.
In unserer Vision werden die Menschen nicht auf ihren ursprünglichen Standort, Richtung oder Klan festgelegt. Sie werden nicht immer die Stärken oder Schwächen einer einzigen Position auf dem Rad in sich tragen. Sie müssen den Kreis so weit wie möglich umwandern, um die Lehren, Anforderungen, Stärken und Schwächen so vieler Positionen wie möglich zu erfahren. Jeder Standort birgt etwas Neues in sich, das ihr Leben bereichern und erweitern wird.
Die Essenz des Medizinrades ist Bewegung und Veränderung. Durch dieses Wissen versuchen die Menschen sich so viel Bewegungsraum, wie sie bewältigen können, in ihrem Leben einzuräumen. Sie hegen den Wunsch, auf dem Rad des Lebens vorzudringen und so vielen Erscheinungsformen der menschlichen Natur wie möglich begegnen zu können. Sie wissen wohl, daß sie all diese Spielarten menschlichen Seins...