Die persönlichen Prägungen
Wenn wir in unserer eigenen Kindheit selbst Eltern erlebt haben, die für uns da waren, über die wir lernen konnten und die uns gelassen und unseren Willen nicht gebrochen haben, dann sind wir Menschen, die später selbst erwachsene und verantwortungsvolle Eltern sein können, die mit Leichtigkeit den Anforderungen der Erziehungsberechtigung gerecht werden. Haben wir allerdings eine solche Grundbasis in unserer Kindheit nicht erfahren, dann kann es sein, dass wir uns mit Erziehungsmaßnahmen schwertun und nicht wissen, wie wir uns als Eltern wahrhaftig verhalten sollen.
Unsere Kinder werden uns so oder so an unsere Verhaltensmuster erinnern, denn sie werden uns unbewusst herausfordern und somit auch provozieren. Dies entsteht nicht alleine aus ihnen heraus, sondern es ist die Kombination zwischen Eltern und Kindern, die sich eine ganze Menge geben können und die gemeinsam während der Erziehungszeit viel Erfahrung sammeln werden. So ist das Leben. Wir übertragen und übernehmen.
Unsere Kinder lernen nicht nur von uns, sondern wir lernen auch von ihnen. Es ist immer ein Wechselspiel der gegenseitigen Gefühle, verbunden mit Erkenntnismöglichkeiten, die für uns eine geistige Erweiterung darstellen. Das eine geht nicht ohne das andere. Es werden Muster übertragen und weitergegeben. Wir sammeln Erfahrungen und geben diese weiter. Unsere Kinder sind automatisch lernwillig und wissbegierig, das ist das Ziel, welches sie in sich tragen. Und darum geht es. Das Wissen, was wir als Eltern in uns tragen, das können wir unseren Kindern auch mitgeben.
Wenn wir als Kind in einem Elternhaus groß geworden sind, indem man uns gelassen und gefördert hatte, unsere eigene Persönlichkeit entwickeln zu dürften, da wir alles das lernen konnten, was uns persönlich wichtig war, dann wird es für uns ein Leichtes sein, diese selbst erfahrenen Verhaltensmuster an unsere eigenen Kindern weiterzugeben. Wir lassen sie dann ihre persönlichen Erfahrungen machen und erfreuen uns an deren Entwicklung, so wie diese für sie sein sollte. Wir freuen uns über unserer Kinder und bestärken sie in ihren eigenen Entwicklungsschritten. Wir können diese kleinen Seelen sich selbst entwickeln lassen. Wir wissen tief in unserem Inneren, dass sie all das erfahren werden, was sie für ihr Leben benötigen und auch brauchen.
Wir brauchen nichts zu kompensieren und wir werden uns auch nicht über sie ärgern. Wenn zwischenmenschlich ein kleiner Disput auftreten sollte, der geregelt werden muss, dann werden wir dies regeln, da wir dazu in der Lage sind. Wir sind die Alten, wir sind reif genug, zu wissen, worum es wirklich geht. Und es ist wunderschön, wenn man als erwachsener Mensch im reifen Alter, noch einmal in die Spielzeugabteilung gehen kann, um all das Spielzeug zu besichtigen und eventuell sogar auch zu kaufen, welches man sich selbst als Kind gewünscht hat.
Man hat, wenn man selbst Kinder oder auch Enkelkinder hat, die innere Legitimation, dass man einen wirklichen Grund hat, solche Käufe zu tätigen. Denn kaum ein Erwachsener wird freiwillig in die Spielzeugabteilung gehen und sich selbst noch einmal eine Barbiepuppe kaufen, nur da es ihm danach gelüstet. Das macht man zumeist nicht, es schickt sich nicht. Aber wenn wir Kinder haben, dann können wir all das tun, dann wissen wir, wir sind auch wieder in der Lage, dieses zu erleben. Unsere eigenen Kindheitserinnerungen werden wieder wach und wir erinnern uns, wie wir uns als Kind gefühlt haben, das sollten wir nicht vergessen.
Aber Kindheitserinnerungen müssen nicht immer nur schön sein. Auch Schmerz- und Traueraspekte, die wir einst erfahren haben, werden sich unbewusst angesprochen fühlen. Wenn wir dann nicht auf uns und unser Verhalten gegenüber unseren eigenen Kindern Acht geben, dann kann es sein, dass wir diese Schmerzerfahrungen unbewusst auf unsere eigenen Kinder übertragen. Auch wenn wir dies bewusst nicht tun wollen, kann es trotzdem passieren, wenn wir uns nicht ausgeheilt haben. Im Grunde genommen ist es so: Wir übergeben unbewusst – zumeist automatisch – das, was wir selbst in uns tragen.
Wenn wir unreflektiert sind und wenig über unsere eigenen Verhaltensmuster nachgedacht haben, dann kann es sehr wohl sein, dass wir in uns geprägte Lebensmuster, einst von unseren Eltern übernommen, immer noch aktiv leben und unbewusst weiterreichen. Wir haben oftmals mit der unreflektierten Übernahme gefärbter Prägungen gelernt, wie das Leben angeblich funktioniert. Sollte dies der Fall sein, dann werden wir die übernommenen Erfahrungen auch wieder übertragen, wenn wir mit demselben oder einem ähnlichen Thema konfrontiert werden. Es liegt also alleine an uns selbst, wie wir mit Situationen umgehen. Es liegt alleine in unserer Hand und in unserer Macht, was wir letztendlich tun.
Sollten wir beispielsweise Eltern erlebt haben, die uns aus stagnierender Lebensfrustration, aus Unwissenheit oder anderen Lebensaspekten, misshandelt haben, dann hat dies eine entsprechende Prägung in uns hinterlassen. Wir haben dann gelernt, dass jemand sich erlauben kann, ungerecht mit uns umzugehen, indem er seine eigenen Aggressionen auf uns ablegt, die mit uns persönlich gar nichts zu tun haben. Wir erfahren dann eine Prägung, die unseren eigenen Lebensweg extrem begleiten kann, wenn wir diese nicht wegräumen.
Wir tragen dann Themen in uns, ähnlich einer Krankheit, die wir aus unserem eigenen Lebensweg wegräumen sollten, da sie nicht wirklich zu uns gehören. Tun wir das nicht, dann kann das sehr wohl sein, dass wir bei unseren eigenen Kindern ähnlich reagieren, so wie wir dies in unserer eigenen Kindheit selbst erfahren haben, obwohl wir dies so niemals tun wollten.
Unsere Kinder drücken dann unbewusst auf unseren inneren, vorhandenen Schmerz und wir fühlen uns ausgeliefert, unwohl und handlungsunfähig. Wir wissen dann nicht, wie wir mit der Situation umgehen sollen. Wir spüren instinktiv, dass wir abwehrend und uns selbst schützend auf den angeblichen Angriff reagieren müssen, obwohl wir dies bewusst gar tun nicht wollen. Doch wir tun es automatisch, da wir so programmiert sind.
In so einem Fall bilden wir im tiefen Inneren durch gelebte Unzufriedenheit eigene Aggressionsfelder, welche wir dann auf unser Kind schleudern, wenn wir uns emotional angesprochen fühlen und uns nicht unter Kontrolle haben sollten. Das Kind wiederum wird dementsprechend geschockt sein und auch nicht wissen, wie es mit der Situation umzugehen hat. Höchstwahrscheinlich ist es uns in unserer eigenen Kindheit dann genauso ergangen. Unbewusst leben wir dann das aus, was wir so niemals leben wollten.
So funktionieren leider systemische, familiär gesteuerte Übertragungsmuster, wenn wir diese nicht unterbrechen. Sollten wir sie jedoch unterbrechen, da uns bewusst geworden ist, dass die Handlungsweisen unsere Eltern, uns gegenüber nicht gerecht waren, dann können wir diese Funktionen in unserem eigenen System verändern. Wir sind immer handlungsfähig. Es liegt allein an uns selbst, was wir aus unserem Leben machen. Wenn uns diese Art der Handlungsfähigkeit klar ist, dann können wir viel besser leben und uns für unsere eigene bewusst gelebte Lebenssteuerung selbst lieben.
Wir sind diejenigen, die die vorgegebenen Systeme unterbrechen können. Wir sind aber auch diejenigen, die die Themen in sich tragen. Sollten wir, aus irgendwelchen Gründen auch immer, Angst vor unserem leiblichen Vater gehabt haben, dann stecken diese Angstthemen immer noch in uns drin. Die Angst, die sich dann in uns manifestiert hat, wird ihren Platz im Außen suchen und dies nicht nur in unserer eigenen Kindererziehung, sondern im gesamten Alltagsleben. Somit ist es ganz wichtig, dass wir uns Gedanken über unsere eigene, erlebte Kindheit und auch die familiär übernommenen Muster machen, die wir einst kopiert und übernommen haben, die aber nicht wirklich zu uns gehören.
Erst wenn uns bewusst wird, dass wir etwas in uns tragen, was wir so gar nicht haben wollen, sind wir handlungsfähig und können uns von diesen unliebsamen Geistern auch wieder befreien. Auch Schmerzen, die wir einst erlebt haben und die immer noch in uns spürbar sind, die können wir heilen. Es ist also unsere Handlungsfähigkeit, die uns ermächtigt, anders zu handeln, als unsere Familie das mit uns getan hat.
Es gibt Frauen, die aus negativen Erfahrungsbildern, geprägt durch ihre Kindheit, nicht gewillt sind, selbst Mutter zu werden. Die Angst, Kinder in die Welt zu setzen und dann vielleicht ähnliche Verhaltensmuster an den Tag zu legen, wie sie selbst am eigenen Leibe erleben mussten, ist dann so groß, dass sie das Thema Kinderkriegen für ihr eigenes Leben ausschließen werden. Doch irgendwann, eines Tages, wird sie die Entscheidung einholen und sie werden sich fragen, warum sie so reagiert haben? Warum sie sich von dem eigenen Wunsch Kinder zu bekommen, haben abhalten lassen?
Sie wissen es im Grunde genommen nicht wirklich. Es war lediglich ihr Instinkt, der sie dazu getrieben hatte, es so zu leben. Im Grunde genommen sind sie selbst traurig, dass sie sich nicht erlaubt haben, Mutter zu werden und das nur aus der Angst heraus, einst kopierte Übertragungsmuster nicht besiegt zu haben. Je bewusster ihnen dieser Tatbestand wird, desto größer wird die Trauer sein.
Wir sollten uns immer mal wieder mit uns selbst auseinandersetzen, um stets in der Handlungsfähigkeit zu bleiben, damit wir auch alles das, was wir leben möchten, leben können. Und wenn meine innere weibliche Uhr tickt und ich Kinder haben möchte, dann sollte ich nach Möglichkeit alle Muster aus dem Weg räumen, die mich daran hindern könnten, mir Selbstvertrauen zu schenken, tatsächlich eine gute Mutter zu sein.
Natürlich liegt...