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Der Pfaffenspiegel - Historische Denkmale des christlichen Fanatismus

Ein Klassiker der Religionskritik

AutorOtto von Corvin
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl345 Seiten
ISBN9788026841562
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Der Pfaffenspiegel - Historische Denkmale des christlichen Fanatismus' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Der Pfaffenspiegel ist ein kirchenkritisches Buch. Das 'gepfeffert polemische Werk' beinhaltet eine oberflächliche Geschichtsklitterung, die von den Nationalsozialisten zu Hetzaktionen gegen die katholische Kirche genutzt wurde. Es versteht sich als Abrechnung mit dem Kirchenstaat bzw. der geistlichen Obrigkeit; es stellt laut Autorenintention kein 'kulturgeschichtliches Werk', vielmehr einen Bericht über Zustände und historische Entwicklung der 'göttlichen Perversion' dar. Otto Corvin (1812-1886) war ein deutscher Schriftsteller. Bekannt ist er heute vor allem als Verfasser des Buches Der Pfaffenspiegel. Aus dem Buch: 'Das königliche Parlament hatte den Schurken zwar freigesprochen; aber in der öffentlichen Meinung war Girard gerichtet. Eine unzählbare Menschenmasse erwartete in den Straßen die Entscheidung des Gerichtshofes. Die Richter, welche gegen die Cadière gesprochen hatten, wurden mit Schimpf und Hohn empfangen; die Gegner Girards mit Beifall.'

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Leseprobe

Wie die Pfaffen entstanden sind



Hüte dich vor dem
Hinterteil des Maultiers,
vor dem Vorderteil des
Weibes, vor den Seiten
des Wagens und vor
allen Seiten eines Pfaffen.

Altes Sprichwort

 

Zur Zeit, als Augustus sich zum römischen Kaiser gemacht hatte, schmachtete die ganze damals bekannte Welt unter dem Joch der Römerherrschaft. Geldgierige und gewalttätige Statthalter des Kaisers sogen die Länder des Orients aus und nahmen den Bewohnern noch das wenige, was ihnen von ihren einheimischen Fürsten gelassen wurde, welche die Römer aus Gründen einer klugen Politik nicht überall abschafften. Freiheit, Leben und Eigentum der Menschen waren der Willkür der Herrschenden preisgegeben: ihr Zustand war ein trostloser, und der unterdrückte Orient seufzte nach Erlösung von dem harten Joch.

Alle unterdrückten Völker hoffen auf einen Helden, welcher sie aus der Knechtschaft erlösen wird, und die Dichter schaffen eine Sage und werden Propheten. Die aus dem Gefühl und Bedürfnis des Volkes hervorgegangene Prophezeiung wird häufig Ursache ihrer Erfüllung.

Die geknechteten Völker des Orients hofften auf einen solchen Befreiungshelden, den Messias, unter welchem sie sich eine Art von Washington oder Garibaldi dachten, der sie von dem verhaßten Römerjoche befreien sollte.

An diese Messiashoffnung klammerten sich die Menschen jener Zeit um so fester und inbrünstiger, als sie sonst keine Hoffnung und keinen Trost nach irgendeiner Richtung hin hatten und von ihrer eigenen Ohnmacht, sich selbst zu helfen, vollständig überzeugt waren. Sogar außerhalb der Erde fanden ihre trostlosen Herzen keinen Stützpunkt. Die Götter hatten ihren Kredit verloren, und der Glaube an ihre Hilfe und unparteiische Gerechtigkeit war niemals besonders groß gewesen. Der Olymp verkehrte wenig mit dem Plebs, sondern hielt sich zur Aristokratie. Die von Homer und Hesiod erfundenen Götter, denen die Griechen und ihre Geistesvasallen Tempel erbauten, waren der gebildeteren Klasse ein Spott geworden. Der Glaube des Volkes an ihre Hilfe erstreckte sich vielleicht ungefähr so weit als der norddeutscher Katholiken an die der Heiligen.

Die Hoffnung auf den Messias war unter den Juden noch lebhafter und ungeduldiger, weil ihnen die Herrschaft der Römer noch verhaßter war als anderen Völkern. Sie hatten eine Vergangenheit, auf welche sie mit Stolz zurückblickten; sie glaubten das auserwählte Volk Jehovas zu sein, welcher als ihr unsichtbarer König galt, der stets seit Moses durch die Propheten mit ihnen verkehrte. Die Knechtschaft, in welche sie verfielen, betrachteten sie als eine für ihren Ungehorsam von Jehova über sie verhängte Strafe, und da diese schon lange dauerte und hart empfunden wurde, so war es natürlich, daß ihre Dichter, die Stimmen des Volksherzens, an Prophezeiungen reich waren. Die Römer waren den Juden als Heiden ein besonderer Greuel; sie meinten, ihre Not und Demütigung könne keinen höhern Grad erreichen und die Zeit des Erscheinens des Messias müsse nahe sein. David und sein Sohn waren ihre größten Könige gewesen, und die Propheten hatten verkündet, daß der Messias aus dem Geschlechte Davids entstehen solle. Die Religion der Juden, die schon von Anbeginn hauptsächlich in der Beobachtung von bestimmten Vorschriften bestand, die Moses mit klugem Sinn für die Regenerierung des jüdischen Volkes gab und als unmittelbare Gebote Jehovas darzustellen für zweckmäßig fand, war im Laufe der Jahrhunderte zu einem leeren Zeremoniendienst ausgeartet. Die Zeit war reif für das Erscheinen des Messias. Der Erlöser erschien; allein er erschien in einer andern Gestalt, als ihn das Volk träumte; das Volk erkannte ihn nicht an, und die Aristokratie verachtete, verfolgte und kreuzigte ihn; denn kamen seine Grundsätze zur Geltung, so zerstörten sie nicht sowohl die Herrschaft der Römer, sondern machten der ihrigen ein Ende. Jesus war ein Revolutionär, der auch in unserer Zeit, wenn nicht gekreuzigt, doch standrechtlich erschossen oder in ein Zuchthaus gesperrt werden würde.

Der als der von den Propheten verheißene Messias auftretende Jesus, der Sohn eines kleinen Handwerkers aus einem Landflecken, lehrte: »Es gibt nur einen Gott, er ist ein Gott der Liebe und kein zorniges, rachedurstiges Wesen, sondern ein gütiger Vater aller Menschen. Das Leben auf dieser Erde ist nur eine Vorbereitung für ein ewiges Leben mit Gott, und es ist in die Hand eines jeden gegeben, dasselbe zu einem freudenreichen zu machen. Könige und Sklaven sind vor Gott gleich, und er richtet und belohnt die Menschen nicht nach ihrem Ansehen auf Erden, sondern nach ihren Handlungen und Absichten. Die Letzten und Geringsten, die ihre Leiden und Entbehrungen am geduldigsten tragen und tugendhaft bleiben, werden im ewigen Leben die Ersten, die Glücklichsten sein.«

Diese Lehre war Balsam für die verzweifelnden Herzen der Armen; wer an sie glaubte, fest und innig glaubte, dem gab sie Kraft, alle und selbst die herbsten Leiden nicht nur zu ertragen, sondern selbst mit Freuden zu tragen und dem Tod ohne Furcht entgegenzugehen, denn derselbe war eine Erlösung, die Pforte zu einem ewigen Leben voll Glück. Der Glaube an diese Lehre raubte in der Tat »dem Tod den Stachel«, er erlöste die Menschheit.

So trostreich diese Verheißung auch klang, so wenig ließ sich ihre Wahrheit beweisen; denn vor der prüfenden Vernunft besteht sie ebensowenig wie irgendeine andere, die über den Tod hinausreicht. Jesus substituierte nur eine Behauptung durch eine andere; da aber der Glaube an seine Behauptung die Menschheit glücklicher machte als jeder andere, da er sie von den Leiden der Erde und der Furcht vor dem Tode erlöste, so war es ein sehr verdienstliches Werk, denselben zu erzeugen. Der in der Lehre enthaltene Trost machte die Menschheit diesem Glauben sehr geneigt; allein der alte Glaube der Juden beruhte auf der Autorität von Männern, die als Propheten galten, mit Gott in direktem Verkehr zu stehen vorgegeben und dieses Vorgeben durch wunderbare Handlungen unterstützt hatten.

Aller Glaube ist Autoritätenglaube; wollte der Sohn des Zimmermanns aus Nazareth, dessen Eltern und Geschwister man kannte, Glauben an seine Autorität gewinnen und als Prophet, als der Messias anerkannt werden, so mußte er Handlungen verrichten, wie sie die Propheten verrichtet hatten. Alle Propheten von Moses an hatten »Wunder« getan; also mußte Jesus Wunder verrichten und verrichtete sie.

Selbst eine auf dem Wege vernünftiger Untersuchung gefundene Wahrheit kommt noch heutigen Tages nicht zur Geltung, wenn sie nicht durch äußere Umstände unterstützt wird und nicht in zeitgemäßem Gewände auftritt, besonders wenn sie viele Interessen verletzt, und selbst Aberglauben hat weit größere Aussicht auf augenblicklichen Erfolg, wenn er diesen Interessen schmeichelt. Der Glaube, den Jesus erzeugen wollte, obwohl dem Armen und Unterdrückten Heil verheißend, verletzte die Interessen der herrschenden Klasse. Auf ihre Mithilfe konnte Jesus nicht rechnen, und durch Wunder waren sie nicht zum Glauben zu bringen; denn die Wissenden und Eingeweihten wußten, was sie von Wundern zu halten hatten. Die Heilsamkeit des Glaubens für das Volk, den Jesus predigte, konnte sie nicht bewegen, ihn zu unterstützen, selbst wenn sie ihn einsahen; ihr Egoismus veranlaßte sie vielmehr, diesen Glauben womöglich im Keim zu unterdrücken und dessen Urheber zu vernichten. Die heutigen Hohenpriester und Pharisäer handeln ebenso wie die unter den Juden in jener Zeit.

Jesus mußte sich also gänzlich auf das Volk stützen. Er verfuhr dabei auf durchaus praktische, ich möchte sagen mathematische Weise, die zwar keinen augenblicklichen, aber einen sichern Erfolg haben mußte. Er wählte sich als »Jünger« zwölf schlichte, ungebildete Leute aus dem Volk, welchen er durch Beobachtung seines Handelns und seines reinen Wandelns persönliche Liebe und Anhänglichkeit und unbegrenztes Vertrauen einzuflößen verstand, woraus der feste Glaube an alles, was er sagte und verhieß, in ihnen erzeugt wurde. Wenn jeder von diesen Jüngern auf ähnliche Weise verfuhr und dieses System fortgesetzt wurde, so mußte sich die Zahl der Gläubigen nach einer bestimmten Progression vermehren.

Diese Jünger sahen die Wunder Jesu; sie glaubten an ihn und deshalb an seine Verheißung und lebten nach seiner Vorschrift. Seine Lehre war so einfach, daß Jesus es nicht für nötig hielt, sie niederzuschreiben; er vertraute dem lebendigen Worte der Jünger, in deren Herzen er diese Lehre niederlegte.

Derselbe Weg, den Jesus zur Ausbreitung seiner Lehre einschlug, hatte sich schon sechs Jahrhunderte vor dem Auftreten Jesu als praktisch bewährt; Buddha, der Reformator der indischen Religion, hatte ihn angewandt. Der Erfolg war derselbe und, wie wir jetzt beurteilen können, sogar in seinen Ausartungen und deren Folgen. Europäer, welche zum erstenmal in einen modernen buddhistischen Tempel in China treten, sind erstaunt über die Ähnlichkeit, die sie überall in den Gebräuchen mit denen der römischen Kirche finden. Die Buddhisten haben ihre Rosenkränze, Reliquien und Klöster so gut wie die römischen Katholiken.

Buddha war jedoch der Sohn eines Königs, Jesus der Sohn eines Handwerkers, und diese Verschiedenheit bedingte schon eine Verschiedenheit der Handlungsweise. Während dem Prinzen ein tugendhaftes Leben genügte, den Brahminen gegenüber seine revolutionären, den Kastenunterschied aufhebenden Lehre Erfolg zu sichern, mußte der unter den Juden als Prophet auftretende Handwerkerssohn außerdem »Wunder« tun und, damit »die Prophezeiungen der Propheten erfüllt würden«,...

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