Seit vielen Jahren bereitet der Arbeitsmarkt der deutschen Wirtschaftspolitik Sorgen. Wichtige Themen in der aktuellen Diskussion sind Arbeitslosigkeit, Lehrstellenmangel, „Fachkräftemangel“[8] und „Mindestlohngesetz“[9].[10]
Zunächst einige begriffliche Abgrenzungen. In erste Linie orientiert sich die Arbeitspolitik auf die Gestaltung von Arbeitsbedingungen wie z.B. Beschäftigungszeit, Arbeitsverdienst, und Arbeitsschutz auf konkreten Arbeitsmärkten. Auf der anderen Seite spricht man von einer Beschäftigungspolitik in der makroökonomischen Volkswirtschaftslehre, z. B. den keynesianischen Gedanken, die sich auf Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit beziehen.[11]
Koch und Czogalla definieren Arbeitsmarkt und Beschäftigungspolitik wie folgt:
„Unter Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik versteht man alle Bestrebungen, Handlungen und Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, zu einem hohen Beschäftigungsstand zu gelangen oder ihn zu erhalten.“[12]
In diesem Kapitel möchte ich zunächst die allgemeinen Arbeitsmarkttheorien beschreiben.
3.1 Der Neoklassische Arbeitsmarkt
Das Basismodell des Arbeitsmarkts in der Neoklassik behauptet, dass die so genannte „invisible hand“ des Wettbewerbs zu den richtigen Ergebnissen führt. Aber nur, wenn die korrekten Parameter zulassen, dass die Marktkräfte sich frei bewegen können und der Wettbewerb sich voll und ganz entfaltet hat. Zustände, die nicht gern gesehen werden auf dem Arbeitsmarkt, werden ganz einfach durch Einschränkungen des Wettbewerbes in seiner Freiheit erklärt bzw. entschuldigt.
Die neoklassische Theorie geht davon aus, dass der Arbeitsmarkt, wie alle anderen Gütermärkte funktioniert. Um Angebot und Nachfrage in ein Gleichgewicht zu verlagern, nutzt man die Lohnhöhe. Das bedeutet ebenso, dass die Arbeitslosigkeit, die Folge von außerordentlich hohen Reallöhnen sind. So könnte eine Anpassung der Löhne auch die Zahl der Arbeitslosen reduzieren. Das wird als Markträumung bezeichnet. Geht es nach der neoklassischen Theorie, würde es bedeuten, dass es keine andauernde, unfreiwillige Arbeitslosigkeit gibt. Demnach bräuchten Arbeitslose, die wirklich die Arbeitslosigkeit hinter sich lassen möchten, nur ihre Anforderungen an den Lohn reduzieren. Nur eine kurz andauernde Gleichgewichtsstörung, kann demzufolge die Arbeitslosigkeit herbeiführen.
Empfehlungen zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit, in der neoklassischen Theorie sind demnach:
Eine gezügelte Lohnpolitik bzw. die Reduzierung des Lohnniveaus.
Die Löhne müssten mehr zwischen den Branchen und den Regionen differenziert werden.
Die Lohnrigiditäten abwärts in den Tariflohn, die Mindestlohnregelungen und die üblichen, örtlichen Entgelten müssten aufgehoben werden.
Sozial- oder Arbeitslosenleistungen sollten so errechnet werden, dass sich die Aufnahme einer Tätigkeit auch lohnt. Das heißt, dass die Lohnabstandsgebote eingehalten werden müssen.
Die Arbeitsmärkte müssen dereguliert werden. Im Genauen heißt das, dass der Kündigungsschutz abgeschwächt werden soll und die Möglichkeit, befristete Arbeitsverträge abzuschließen, vereinfacht werden sollte.
Der Anteil der Staatsausgaben, am Bruttosozialeinkommen müsste reduziert werden.[13]
3.2 Das Saysche Theorem
Für Jean Baptiste Say sind die Grundlagen der Ökonomie fundamentale Gesetze. Sie können von dem Willen der Menschen nicht beeinflusst werden. Als Kaufmann und auch später als Börsenspekulant, lag Says Interesse bei der praktischen Seite der Ökonomie. Die Verwendung der Mathematik in der Ökonomie lehnte Say stets ab, obwohl er Parallelen sah.
Grundlagen der Ökonomie sind laut Say:
Es existiert eine Natur der Dinge und des Menschen.
Den Gesetzen der Natur sind die Dinge und der Mensch unterworfen.
Die Gesetze, die den Wohlstand bestimmen, sind die unveränderlichen Gesetze der politischen Ökonomie.[14]
Die heutzutage immer noch gültige, angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, wird von dem Theorem begründet, dass Jean Baptiste Say aufgestellt hatte. Es kann als „jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage selbst“ [15] übersetzt werden.
Das heißt, dass jeder, der sein Produkt auf einem Markt anbietet, nur darauf aus ist, Einkommen zu erwirtschaften, um selbst ein irgendein anderes Produkt zu erwerben. Um als Marktteilnehmer als Nachfrager auftreten zu können, muss er davor eine Ware produziert haben. Wiederum jemand, der ein Produkt produziert hat, geht mit seinem Lohn automatisch in die Rolle des Nachfragers.
Laut Say bestimmt somit das Angebot, die Nachfrage nach dem Produkt. Say ist ebenfalls der Meinung, dass die Produkte mit Produkten bezahlt werden. Denn Geld ist ebenfalls ein Produkt, mit der Funktion, ein Mittel zum Tausch von anderen Produkten zu sein.[16]
So schrieb Say in seinem Buch „Traité d’economie politique“: „Wenn der Produzent die Arbeit an seinem Produkt beendet hat, ist er höchst bestrebt, es sofort zu verkaufen, damit der Produktwert nicht sinkt. Nicht weniger bestrebt ist er, das daraus eingesetzte Geld zu verwenden, denn dessen Wert sinkt möglicherweise ebenfalls. Da die einzige Einsatzmöglichkeit für das Geld der Kauf anderer Produkte ist, öffnen die Umstände der Erschaffung eines Produktes einen Weg für andere Produkte.“ [17] Wenn man also der Behauptung von Say Glauben schenkt, sorgt ein Angebots- mechanismus dafür, dass zwischen Angebot und Nachfrage ein Gleichgewicht herrscht. Sollten Angebot und Nachfrage einmal im Ungleichgewicht sein, so spricht Say von kurzen, vorübergehenden Störungen.[18]
3.3 Die Humankapitaltheorie
Die Humankapitaltheorie beruht auf der neoklassischen Theorie des Arbeitsmarktes. Sie reicht zurück auf Jacob Mincer, Walter Y. Oi, Gary Becker und noch weitere Personen. Sie erweitert die neoklassische Theorie des Arbeitsmarktes, auf um den Faktor der Bildung.[19]
In der Humankapitaltheorie geht man davon aus, dass eine höhere Bildung eine erhöhte Produktivität auf dem Arbeitsmarkt ergibt. Und diese erhöhte Produktivität wird wiederum mit höherem Lohn belohnt. Genauer gesagt, je mehr eine Person in ihre Bildung investiert, desto mehr Rendite kann sie erwarten. Die Theorie besagt also, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Bildung und dem Einkommen gibt.
Denn eine Einkommensmaximierung, wird durch das auf Bildung bezogene Handeln angestrebt. So wird die Person weiterhin in die Bildung investieren, solange bis die Rendite, die Investitionskosten übersteigen. Die Investitionskosten bestehen aus direkten Kosten, wie Lehrbücher und die Studiengebühren und indirekten Kosten. Indirekte Kosten kommen durch die Zeit zusammen, die in die Bildung investiert wurde und dadurch kein oder nur geringes Einkommen erzielt werden konnte. So haben zum Beispiel auch verschiedene Individuen, unterschiedlich lange in ihre Bildung investiert. Natürlich haben nicht alle Menschen den gleichen Bildungsgrad, manche Menschen haben mehr und manche weniger in die Bildung investiert.[20]
Diese Theorie lässt sich auch auf ein Unternehmen projizieren. Unternehmen profitieren von gut (aus)gebildeten Mitarbeitern, denn sie bewirken eine erhöhte Produktivität. Das ist auch der Grund, warum Unternehmen in die Aus- und Weiterbildungen ihrer Arbeitnehmer investieren. Auch in den Unternehmen wird davon ausgegangen, dass die Rendite die Investitionen übersteigen werden.
Nach einer Studie des IAB, dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit, führt jedes Jahr an Bildung zu bis zu fünf Prozent mehr Einkommen. Das heißt, dass Jedes Jahr, das ein Individuum extra in der...