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E-Book

Ritterburgen

Bauwerk, Herrschaft, Kultur

AutorJoachim Zeune
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2015
ReiheBeck'sche Reihe 2831
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783406660924
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Was macht eine Burg zur Burg? Wer durfte Burgen errichten, und wie finanzierte man solch ein Bauwerk? Aus welchen Quellen - abgesehen von den steinernen Zeugnissen der Vergangenheit - lernen wir heute noch etwas über die Geschichte der Burgen und das Leben, das die Menschen darin führten? Wo bedarf unser Wissen um Burgen massiver Korrekturen? Welche Bedeutung hatten Burgen für die Herrschaftspraxis, aber auch in der symbolischen Kommunikation? All diese Fragen und viele weitere mehr rund um das Thema Burg beantwortet kundig und kompetent Joachim Zeune in seiner kompakten, gut bebilderten Darstellung - aber er geht darin auch auf das Nachleben der Burgen und die zweifelhaften Segnungen einer missverstandenen Burgenromantik ein.

Joachim Zeune, Mittelalterarchäologe, Historiker und Burgenforscher, leitet das einzige Büro für Burgenforschung in ganz Europa und ist ein gesuchter Spezialist für Fragen der Archäologie, Bauforschung, Sanierung und Erschließung von Burgen.

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Leseprobe

2. Graben, Mauern, Türme und Zinnen


Versuch einer Definition


Ganz am Anfang eines Buches über Burgen muss zwangsläufig die nur scheinbar banale Frage stehen: Was ist eine Burg? Generationen von Burgenforschern haben sich bereits um eine prägnante Definition bemüht – und sind allesamt gescheitert. Zu vielfältig sind die Erscheinungsformen und Funktionen der Burg, um sie auf eine knapp gehaltene, allgemeingültige Formel bringen zu können. Allein die etymologische Herleitung des Wortes «Burg» ist noch immer Gegenstand kontroverser Fachdiskussionen, wenngleich die moderne Burgenforschung eine Ableitung vom griechischen pyrgos bzw. römischen burgus, also von einem verschließbaren, geschützten Platz favorisiert – zumal auch der Begriff des Schlosses in diese Richtung weist. Der Terminus «Schloss» wiederum wurde bereits seit dem 14. Jahrhundert als Synonym für «Burg» verwendet und erst im 19. Jahrhundert architektonisch und funktional von der Burg abgekoppelt, indem man Schlösser entgegen der bauhistorischen Befundlage zu den repräsentativen, unbefestigten Nachfolgebauten der Burgen erklärte. Man postulierte damit eine scharfe Zäsur zwischen Burgen und Schlössern, die es so im 16. Jahrhundert tatsächlich zwar nie gab, dann jedoch eine strikte Trennung zwischen Schlössern und Festungen nach sich zog. Wenn jedoch das Hoch- und Spätmittelalter mehr oder weniger sinngleich die lateinischen Begriffe castrum, castellum, arx, munitio sowie die deutschen Bezeichnungen burch, hus, slosz und veste benutzten, wird das Problem einer eindeutigen Begriffsklärung rasch verständlich. Bezeichnend ist ein Burgfriedensvertrag der bekannten Burg Eltz aus dem Jahr 1430, der für ein- und dasselbe Objekt wechselweise die Begriffe Burg (Burch), Haus (Huss) und Schloss (Schlosse) verwendete. Cord Meckseper erklärte dieses Phänomen mit jener funktionalen Unschärfe, die mittelalterliche Architektur kennzeichne und jedem Schwierigkeiten bereite, der «aufgrund eines architektonischen Denkens, das sich erst mit der Neuzeit herausbildete, auf begriffliche Klarheit pochen will».

Alle Definitionen einer Burg müssen beinah zwangsläufig scheitern, will man einen Bogen von den vorgeschichtlichen Befestigungswerken zu den gänzlich anders gearteten hochmittelalterlichen Burgen schlagen. Zu gravierend ist der Wandel in Architektur, Funktion und Größe, der sich zwischen dem 6./7. und dem 15. Jahrhundert, vor allem aber im 11. und 12. Jahrhundert vollzieht. So stellt sich die blasphemisch anmutende Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, die frühen großflächigen Wehranlagen aus Holz, Erde und Trockenstein, die als zeitweilig oder mitunter dauerhaft besiedelte befestigte Zentralplätze dienten, als Burgen klassifizieren zu wollen. Versteht man die Burg als ein künstliches Menschenwerk, das dem Zweck des «Bergens» dient, dann muss man diese Frage mit «Ja» beantworten. Denkt man allerdings an die klassische «Adelsburg», dann reduziert sich der zeitliche Rahmen auf den Zeitraum des 10. bis 15. Jahrhunderts. Doch allein in diesen 600 Jahren durchlief die Adelsburg einen derart formen- und funktionsreichen Wandel, dass selbst für sie eine präzise, zumal knappe Definition nicht gelingen kann.

Außer Frage steht, dass jeder Definitionsversuch überdies das Kolorit seiner Zeit trägt. Wenn Johann Nepomuk Cori, k. k. Militär-Bezirkspfarrer, 1895 in seinem vielgelesenen Büchlein «Bau und Einrichtung der Deutschen Burgen im Mittelalter» zur Funktion der Burgen ausführt, sie «wurden nicht bloß als Schutzwehr, sondern auch aus Erwerbsucht, ja nicht selten für den Raub gebaut», und dann noch konstatiert, sie seien deswegen auf Plätzen errichtet worden, «die durch ihre Lage und Beschaffenheit des Bodens besonders widerstandsfähig und fest waren», dann folgt er darin lediglich der damals vorherrschenden Lehrmeinung, dass Burgen einst für den Krieg gebaute Raubritternester waren. Obwohl diese Aussage in der Realität nie einer Überprüfung standhielt, blieb sie bis in die 1980er Jahre allgemeinverbindlich.

Selbst Otto Piper, der mit seinen drei Ausgaben der «Burgenkunde» (München 1895, 1906 und 1912) – einer gewaltigen Materialsammlung – den Klassiker der Burgenforschung schlechthin schuf, tat sich mit einer Definition schwer und mühte sich schließlich zu der Aussage, dass man unter «einer Burg im engeren Sinne des Wortes … zunächst hauptsächlich den mittelalterlichen befestigten Einzelwohnsitz eines Grundherrn» verstehe. Kein Wort von Krieg, Kampf und Raubrittertum, dafür aber eine neue funktionale Aussage: die Burg als «Einzelwohnsitz». Obgleich der Großteil der hochmittelalterlichen Burgen tatsächlich von Adeligen als eine Art «befestigter Privatwohnsitz» erbaut und genutzt wurde, existierten auch zahlreiche Burgen, deren Bauherr und Eigentümer ein Landesherr, ein Bistum, ein Kloster oder auch eine Stadt war. Auch konnten die auf Burgen eingesetzten Verwalter bis zum 12. Jahrhundert Unfreie, d.h. Dienstmannen sein.

Wehrbau oder Schutzbau?


Alle Definitionen einer Burg betonen die Wehrhaftigkeit als allgemein verbindliches Charakteristikum. Obwohl Wehrhaftigkeit gleichzusetzen ist mit Verteidigungsfähigkeit, geht die Burgenliteratur mit diesem Definitionskriterium erschreckend unkritisch um, gilt es doch, zwischen Schutzelementen und Verteidigungselementen zu unterscheiden. Sucht man Schutz hinter starken und/oder hohen Mauern sowie massiven Holztoren, so begibt man sich in eine passive Position, die keine aktiven Verteidigungsaktionen zulässt. Gräben, steile Hänge oder Felsen als Annäherungshindernisse dienen lediglich dem Schutz eines Platzes. Erst solch spezielle Bauelemente wie Wehrgänge und flankierende Türme mit Schießscharten, vorgeschobene Befestigungswerke wie Barbakanen (Torvorwerke), Zinnen und Wurferker ermöglichen die aktive Bekämpfung eines Angreifers. Eine erhöhte Türöffnung verstärkt den Schutzeffekt ebenso wie ein Fallgatter oder eine Zugbrücke und erhöht dadurch letztlich die Wehrhaftigkeit. Genau betrachtet, ist jedes Wehrelement ein Schutzelement, nicht aber jedes Schutzelement ein Wehrelement.

Verteidigungseinrichtungen finden sich allerdings auch bei Stadt- und Marktbefestigungen, befestigten Kirchhöfen und Sperrwerken wie Klausen, definieren also keinesfalls die Burg allein. Betrachten wir deshalb einmal die Burg unter juristischem Aspekt.

Burgenbaurecht


Der Bau von Burgen war grundsätzlich ein privilegiertes Recht, ein altes Königsrecht, ein Regal, das bereits im Edictum Pistense von König Karl dem Kahlen im Jahr 864 klar formuliert worden war und per se nur dem König (seit dem 13. Jahrhundert:) des Heiligen Römischen Reiches zustand. Dieses Burgenbauregal beanspruchte das Königtum bis zum 13. Jahrhundert allerdings nur gelegentlich oder delegierte es an besonders verdienstvolle und treue Vasallen wie Bischof Bernward von Hildesheim, dem König Heinrich II. (1002–1024) ein älteres Sonderprivileg zum Bau von Burgen bestätigte. Auch dem Grafen von Arnsberg wurde dies Privileg 1145 durch König Konrad III. gewährt. Im Statutum in favorem principium übertrug König Friedrich II. im Jahr 1231 das Burgenbaurecht sogar formal den politisch erstarkten Reichsfürsten, die wiederum ihre Vasallen zum Burgenbau anhielten. Diese Vorgänge verdeutlichen, dass die Krone das Burgenbauregal seit dem 11. Jahrhundert zunehmend ihren Herzögen, Markgrafen und Grafen zugestand und damit die Kontrolle über dieses Privileg verlor. Ausschlaggebend dafür war die politische Erstarkung sowohl der geistlichen Fürsten nach dem 1122 beigelegten Investiturstreit als auch der weltlichen Fürsten und Dynasten nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Orientierung der königlichen Interessen nach Italien. Von König Rudolf von Habsburg (1273–1291) ist bekannt, dass er das verloren gegangene Burgenbaurecht vergeblich zu reaktivieren versuchte.

Die oberhoheitliche Ausübung des Burgenbauregals erforderte eine juristisch verbindliche Definition einer Burg in den zeitgenössischen Rechtsschriften. Eine davon, der «Sachsenspiegel», wurde um 1225/35 durch Eike von Repgow im Auftrag von Graf Hoyer (II.) von Falkenstein (Burg Falkenstein im Harz) verfasst, um das tradierte Land- und Lehnsrecht in deutscher Sprache festzuhalten. Von den mindestens 460 Vervielfältigungen haben sich lediglich vier illustrierte Exemplare erhalten: die Heidelberger, Oldenburger, Dresdner und Wolfenbüttler Bilderhandschriften. Der Artikel III 66 § 2 des Landrechts besagt, dass man ohne Genehmigung des Landrichters keine Burg (borch) bauen, keine Stätte (stat) mit Planken oder Mauern (mit planken noch muren) befestigen, keinen Berg (berch) oder keine Insel (werder) bebauen, keine Türme (torne) in einem Dorf errichten dürfe. Konkreter wird Paragraph 3, der spezifiziert, welche Bauelemente wehrhaft, also verboten und daher genehmigungspflichtig sind: Mauern (muren), Palisaden (staken) oder Zäune...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Danksagung und Vorbemerkung4
Impressum4
Inhalt5
1. Hogwarts und Camelot: Unser Leben mit dem Mittelalter6
2. Graben, Mauern, Türme und Zinnen11
3. Bereit ze turneie und ze strite: Der Adel als Träger des Burgenbaus18
4. Die Burg als Machtsymbol und Herrschaftsinstrument33
5. Die ewige Baustelle45
6. Stets im Wandel: Von der Burg über das Burgschloss zum Schloss80
7. Das Nachleben der Burg118
8. Die Burg als lebendiges Denkmal?122
9. Statt eines Nachworts: Die zwölf schlimmsten Irrtümer über Burgen126
Bildnachweis128
Abbildungen129

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