Die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts markiert den Übergang vom ausgehenden Mittelalter zur Neuzeit, die mit der Renaissance in Westeuropa beginnt. 1453, zwanzig Jahre vor Kopernikus’ Geburt, eroberten die Türken Konstantinopel, die Hauptstadt des Byzantinischen Reichs, das unter christlichen Vorzeichen die Nachfolge des Römerreichs angetreten hatte. Zwei Jahre später wurde die erste Gutenberg-Bibel gedruckt. Als Kopernikus 19 Jahre alt war, entdeckte Christoph Kolumbus Amerika und öffnete so zu Beginn eines neuen Zeitalters den Blick auf eine neue Welt.
Die Renaissance in Europa stellte den Gipfelpunkt einer tausendjährigen Entwicklung dar, die mit dem Untergang der griechisch-römischen Kultur begonnen hatte. 330 n. Chr. verlegte Konstantin der Große seine Hauptstadt nach Byzanz am Bosporus. Er benannte sie in Konstantinopel um und legte damit den Grundstein zur Teilung des Römischen Reichs. 480 ging das weströmische Reich unter, als sein letzter Kaiser Julius Nepos in seiner Zuflucht, der Provinz Dalmatia, einem Mordanschlag zum Opfer fiel. Der Kaiser in Konstantinopel herrschte fortan allein über die Überbleibsel des Römerreichs.
Gegen Ende des 5. Jahrhunderts bestand dieses Reich nur noch aus dem vorwiegend griechischsprachigen Osten, in dem das Christentum rasch die antiken griechisch-römischen Götterkulte verdrängte. Sein Kernland bildete nun Kleinasien, in dem ein Grieche eher Rhomaios, Römer, als Hellene hieß, da diese Bezeichnung inzwischen gleichbedeutend mit »Heide« gebraucht wurde. Die Einwohner Konstantinopels nannten sich selbst Byzantini, Byzantiner, und waren Christen. Moderne Historiker sehen am Ende des 5. Jahrhunderts einen Wendepunkt in der Geschichte des Imperium Romanum, das von da an allgemein anstatt als Römisches als Byzantinisches Reich bezeichnet wird.
Seine Blütezeit erlebte dieses Byzanz unter Justinian I. (reg. 527–565), der zahlreiche verlorene Gebiete zurückeroberte und so das Mittelmeer wieder zu einem römischen Gewässer machte. 529 verbot Justinian I. per Erlass Heiden die Lehre und brach damit die letzte direkte Verbindung zur antiken Vergangenheit ab. Die platonische Akademie in Athen wurde nach über neun Jahrhunderten ihres Bestehens geschlossen. Ihre Lehrer zogen sich in den Ruhestand zurück oder gingen ins Exil.
Gegen Ende des 8. Jahrhunderts bestand das Reich nach mehreren aufeinanderfolgenden Invasionen von Persern, Arabern und Slawen fast nur noch aus Kleinasien und wenigen Enklaven in Griechenland, Italien und Sizilien. Athen war um 590 von den ostgermanischen Herulern vollständig zerstört worden und blieb in den darauffolgenden Jahrhunderten praktisch unbesiedelt. 639 nahmen die Araber Alexandria ein, in dem schon zwei Jahrhunderte zuvor ein Mob aus christlichen Fanatikern die berühmte Bibliothek vernichtet hatte. Die großen Zentren der griechisch-römischen Kultur waren untergegangen. Konstantinopel blieb als bedrängte letzte Bastion der christianisierten Reste antiker Zivilisation zurück.
Die Bibliothek von Alexandria hatte die Schriften sämtlicher griechischer Schriftsteller seit Homer verwahrt. Mit ihrer Zerstörung gingen sämtliche Originalwerke der griechischen Philosophie und Naturwissenschaften unter, auch wenn von zahlreichen Abschriften erhalten blieben, die auf unterschiedliche Weise über verschiedene Ketten von Übersetzungen den Weg nach Westeuropa fanden.
Die ersten griechischen Naturphilosophen waren im 6. Jahrhundert v. Chr. aufgetaucht: in den griechischen Kolonien an der ägäischen Küste Kleinasiens, auf den vorgelagerten Inseln sowie in Magna Graecia, den griechischen Städten in Süditalien und auf Sizilien. Bekannt wurden sie unter der Bezeichnung physikoi, »Physiker«, abgeleitet aus dem griechischen Wort physis für »Natur« im weitesten Sinn, weil sie die Phänomene erstmals auf natürlicher Grundlage zu erklären versuchten anstatt durch übernatürliche Ursachen. Diesen Präsokratikern, als die man die Anhänger dieser Richtung heute bezeichnet, gehörten Thales, Anaximander, Anaximenes, Pythagoras, Xenophanes, Heraklit, Parmenides, Empedokles und Anaxagoras an.
Anaxagoras, einer der letzten Präsokratiker, kam um 500 v. Chr. in Klazomenai zur Welt, einer griechischen Stadt in Kleinasien an der Ägäis. Mit ungefähr zwanzig Jahren siedelte er nach Athen über, das nach Ende der Perserkriege 479 v. Chr., dem Beginn der klassischen Periode in der griechischen Geschichte, zum politischen und geistigen Zentrum der hellenischen Welt aufstieg. Anaxagoras ließ sich als einer der ersten Philosophen in Athen nieder und unterrichtete dort unter anderem Perikles. Dieser ehrte mit seiner berühmten Gefallenenrede 431 v. Chr. jene Athener, die im ersten Jahr des Peloponnesischen Krieges in der Schlacht gefallen waren. Er erinnerte seine Mitbürger daran, dass sie eine freie und demokratische Welt verteidigten. »Unsere Stadt verwehren wir keinem«, so Perikles, »wir lieben den Geist«, weshalb ihre Stadt zur »Schule von Hellas« geworden sei.1
Perikles meinte die berühmten Philosophenschulen Athens, von denen die beiden angesehensten allerdings erst im folgenden Jahrhundert gegründet wurden: die Akadémeia Platons (427–347 v. Chr.), der ein Schüler des Sokrates (469–399) gewesen war, sowie das Lykeion des Aristoteles (384–322 v. Chr.), der an Platons Akademie seine Ausbildung erhalten hatte.
Die meisten bedeutenden Philosophen und Naturgelehrten der klassischen Periode unterrichteten in Athen. Die wichtigsten Ausnahmen waren Hippokrates von Kos (460–um 347 v. Chr.), der Vater der Medizin, und Demokrit von Abdera (um 470–um 404), der mit seinem Lehrer Leukipp den Atomismus begründete.
Platon sah Mathematik als Voraussetzung für das dialektische Vorgehen an, das künftigen Staatslenkern das für ihre Herrschaft notwendige philosophische Rüstzeug vermitteln sollte. Zum Studium der Mathematik gehörten die Arithmetik, die Geometrie der Ebene und des Raumes, die Harmonik und die Astronomie. Zur Harmonik zählten die Physik der Töne und das Studium der mathematischen Beziehungen, das die Pythagoreer bei ihren Untersuchungen zur Musik entwickelt haben sollen. Astronomie studierte man nicht nur um ihrer praktischen Verwendung willen, sondern auch, weil sie Aufschlüsse über die »wahren Zahlen« und »wahren Figuren« hinter den sichtbaren Bewegungen der Gestirne geben konnte.2
Für Platon sollten Philosophen das Studium der Natur, insbesondere der Astronomie, als geometrische Übung angehen. Durch eine idealisierte geometrische Betrachtung der Natur ließen sich Beziehungen ermitteln, die auf einem ebenso sicheren Fundament standen wie die der Geometrie. Wie Sokrates in Der Staat bemerkt: »[L]assen wir Astronomie wie Geometrie uns angelegen sein, mit dem Sternenhimmel wollen wir uns aber weiter nicht abgeben.«3 Als Hauptproblem befasste sich die griechische Astronomie damit, die scheinbaren Bewegungen der Fixsterne, der Sonne, des Mondes und der fünf sichtbaren Planeten zu erklären. Alle Himmelskörper umrunden dem Augenschein nach täglich einen Punkt am Himmel, den Himmelspol, ein Eindruck, der sich aus der Drehung der Erde um die eigene Achse in gegenläufiger Richtung ergibt. Die Sonne geht zwar jeden Tag im Osten auf und im Westen unter, weicht aber scheinbar mit jedem Tag um einen Grad von West nach Ost zurück und durchwandert so im Jahresverlauf die zwölf Tierkreiszeichen. Diese scheinbare Bewegung entsteht durch den Umlauf der Erde um die Sonne.
Die scheinbare Bahn der Sonne durch den Tierkreis (d.h. die Ekliptik) verläuft in einem Winkel von ungefähr 23,25 Grad schräg zum Himmelsäquator, der Projektion des Erdäquators in den Weltraum. Dies rührt daher, dass die Erdachse zur Senkrechten der Bahnebene um ungefähr 23,25 Grad geneigt ist. Diese Schräge ist für den Zyklus der Jahreszeiten verantwortlich.
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